ver.di-Klage erfolgreich – Oberverwaltungsgericht kippt Sonntagsshopping im Advent
Für Gewerkschaft eine Genugtuung, für Handel ein schwerer Schlag

Kein Gedränge wie in den Vorjahren! Das Oberverwaltungsgericht hat per Eilbeschluss Nein zum Shopping an den vier Adventssonntagen und am 3. Januar gesagt. Die Richter äußerten "erhebliche Zweifel an der Eignung der Sonntagsöffnung, das Infektionsrisiko einzudämmen". | Foto: Archivfoto Hannes Kirchner
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  • Kein Gedränge wie in den Vorjahren! Das Oberverwaltungsgericht hat per Eilbeschluss Nein zum Shopping an den vier Adventssonntagen und am 3. Januar gesagt. Die Richter äußerten "erhebliche Zweifel an der Eignung der Sonntagsöffnung, das Infektionsrisiko einzudämmen".
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Kein Shopping an den vier Adventssonntagen und am 3. Januar. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW in Münster so entschieden. Zur Zufriedenheit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die eine Normenkontrollklage gegen die in der aktuellen Coronaschutzverordnung des Landes NRW genehmigten verkaufsoffenen Sonntage eingereicht hatte. Zum Bedauern von Handel und Wirtschaft.

Zur "Vermeidung von Infektionsgefahren durch einen unregulierbaren Kundenandrang an den Wochenenden vor und nach Weihnachten", so hatte es die Landesregierung in ihrer Coronaschutzverordnung festgeschrieben, sollten Verkaufsstellen des Einzelhandels "zur Entzerrung des Einkaufsgeschehens" auch an den besagten Sonntagen öffnen. Der Argumentation wollte das OVG nicht folgen. Im Gegenteil: Es bestünden erhebliche Zweifel an der Eignung der Sonntagsöffnung, das Infektionsrisiko einzudämmen. "Vielmehr erscheine es nicht zuletzt mit Blick auf den derzeitigen Mangel an anderen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung ... naheliegend, dass durch die Öffnung am Sonntag zusätzliche Kunden dazu animiert würden, sich in die Innenstädte zu begeben", heißt es der offiziellen Mitteilung des Gerichts. Die in der Coronaschutzverordnung landesweit zugelassenen Sonntagsöffnungen seien voraussichtlich keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel, auf die das Land sie gestützt habe.

Infektionsrisiko für Beschäftige und Kunden minimieren

ver.di sieht sich bestätigt. NRW-Landesbezirksleiterin Gabriele Schmidt: „Wir begrüßen dieses Urteil des Oberverwaltungsgerichts. ver.di hat immer betont, dass es durch verkaufsoffene Sonntage nur zu einer Verdichtung der Besucherströme an den Wochenenden kommt und sie keinesfalls zum Schutz der Bevölkerung beitragen. Abstandsregeln können nicht eingehalten werden, wenn an verkaufsoffenen Sonntagen die Innenstädte überfüllt sind. Wir appellieren daher dafür, die Weihnachtseinkäufe soweit wie möglich auf die sechs Werktage zu verteilen und so dafür zu sorgen, dass sowohl für die Kundinnen und Kunden als auch für die Beschäftigten das Infektionsrisiko so niedrig wie möglich bleibt.“

"Ein weiterer schwerer Schlag"

Für Wirtschaftsdezernent Andree Haack, zudem Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg, kommt die Entscheidung nicht überraschend, denn das OVG habe bereits in einer vorherigen Entscheidung durchblicken lassen, dass die Rechtfertigung der Sonntagsöffnungen über die Coronaschutzverordnung rechtlich kaum haltbar ist. „Dennoch ist es für den stationären Handel ein weiterer schwerer Schlag“, so Haack. „Das Gericht bewertet im Kern nicht abschließend das Infektionsrisiko durch die Sonntagsöffnung, sondern argumentiert formal, dass man eine im Grundgesetz verankerte Regelung nicht durch eine Verordnung außer Kraft setzen kann. Das mag juristisch richtig sein, dem Handel hilft das aber nicht.“

Änderung des Sonntagsschutzes gefordert

Haack hatte erst kürzlich in einem Brief an NRW-Wirtschaftsminister Professor Dr. Andreas Pinkwart eine Änderung des im Grundgesetz verankerten Sonntagsschutzes gefordert. Darin argumentiert er, dass der Sonntagsschutz gar nicht direkt im Grundgesetz beschrieben sei, sondern lediglich auf die Regelungen aus der Weimarer Reichsverfassung von 1919 verweise. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe es aber andere sachliche Zwänge gegeben, sich mit dem Sonntagsschutz auseinanderzusetzen, als im 21. Jahrhundert.

„Wir reden hier nicht über eine generelle Sonntagsarbeit, sondern über vier Sonntage pro Jahr für sechs Stunden mit Gehaltszulage. Das war 1919 bestimmt nicht so“, schreibt Haack. Nach seiner Meinung kann die andauernde Diskussion über die verkaufsoffenen Sonntage nur über eine Verfassungsänderung beendet werden, denn die Rechtsprechung habe sich über 100 Jahre so verfestigt, dass es kaum noch Spielräume für eine rechtssichere, landesgesetzliche Regelung geben würde. „Vor allem aber muss es darum gehen, dieses ewige Bangen um die verkaufsoffenen Sonntage zu beenden. Nicht nur die Kunden sind total verunsichert, sondern auch der Handel, weil er seine Planungen ständig umwerfen muss. Das ist Frust pur auf allen Seiten“, bekräftigt Haack.

"Handel ist sehr enttäuscht"

"Der Handel ist sehr enttäuscht über die Entscheidung aus Münster und hätte sich nicht nur zur Entzerrung des Infektionsgeschehens, sondern auch zur Unterstützung des Einzelhandels eine positive Entscheidung gewünscht", erklärt Doris Lewitzky, neue Geschäftsführerin des Handelsverbandes Niederrhein, der auch für Duisburg zuständig ist. Gerade der innerstädtische Einzelhandel leide extrem unter dem Teil-Lockdown und der Absage der Weihnachtsmärkte. "Es sind Umsatzausfälle bis zu 40 Prozent zu verzeichnen, aufgrund der jetzt beschlossenen Verlängerung der Maßnahmen steht zu befürchten, dass sich die Situation des stationären Handels nicht wesentlich verbessern wird", so Lewitzky. Vor diesem Hintergrund wäre ein zusätzlicher Verkaufstag am Sonntag sehr wichtig gewesen, meint Lewitzky, da sich die Kunden auf die Samstage und Sonntage hätten verteilen können und die Möglichkeit für den Einzelhandel geschaffen worden wäre, sich seinen Kunden zu präsentieren und zumindest einen Teil der Umsatzausfälle wieder auszugleichen.

Autor:

Sabine Justen aus Duisburg

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