Kaum vorstellbar: An der Münstermannstraße bleiben Wohnungen im vierten Winter kalt

Überzogen, zugegeben. Aber bei 16 Grad Raumtemperatur lässt es sich ohne Jacke nicht aushalten. | Foto: Debus-Gohl
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  • Überzogen, zugegeben. Aber bei 16 Grad Raumtemperatur lässt es sich ohne Jacke nicht aushalten.
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Das Adventsgesteck auf dem Wohnzimmertisch zeigt an: Es ist nicht mehr weit bis Weihnachten. Für Janet und Michael Grüter wird das Fest der Liebe aber wohl auch in diesem Jahr zu einer Flucht. Grund ist die nicht funktionierende Heizung in der schmucken 90 Quadratmeter-Wohnung der Beiden.

Bei maximal 16 Grad Raumtemperatur aktuell ist an Weihnachtsstimmung nicht zu denken. Und auch nicht an Familienbesuch. "Die Temperaturen kann man niemandem zumuten, schon gar nicht den kleinen Enkelkindern. Die holen sich ja sonst was."

Probleme sind nicht erst seit gestern bekannt

Janet Grüter ist mit ihren Nerven am Ende. Denn die Probleme mit der Heizungsanlage sind im Haus Münstermannstraße 20 nicht erst seit gestern bekannt. "Es ist bereits der vierte Winter, den wir hier in der Kälte hocken", nimmt Michael Grüter kein Blatt mehr vor den Mund. Erst war der Kessel kaputt. Doch die Hoffnung, dass es nach dem Tausch der Anlage wieder richtig warm in den Räumen würde, hat sich zerschlagen. "Das Gegenteil war der Fall, ab da ging der Ärger erst richtig los", sind die Mieter sauer. Unzählige Fachfirmen und gescheiterte Reparaturversuche später schaltet die im Keller installierte Wandtherme nun immer öfter auf "Störung". "Das Gerät kann die großen Wärmekreisläufe hier im Haus nicht schaffen", hat sich Grüter inzwischen in verschiedenen Foren selbst versucht schlau zu machen. Die Stadtwerke sind Eigentümer der neu installierten Therme. Durch die gewählte Contracting-Lösung.

Stadtwerke vermuten Probleme in der Inneninstallation

Unternehmenssprecher Dirk Pomplun ist sich jedoch sicher, dass der Fehler nicht bei der Berechnung, Installation oder Wartung der Anlage, sondern an anderer Stelle zu suchen ist. Im Leitungssystem der Inneninstallation. Das sei Sache der Eigentümer. "Wir haben alle Leitungen prüfen lassen", erklärt Sabine Samuel von der Wohnungsverwaltung Hebbelmann. "Es wurde kein Fehler gefunden." 16.000 Euro habe die Eigentümergemeinschaft bereits in die Fehlersuche investiert.
Den Mietern hilft das wenig. Ihre Wohnungen bleiben kalt. "Wir werden immer wieder vertröstet", fühlen sie sich auch von keiner Seite ernst genommen. Mit Lebensqualität hat das Wohnen in den eiskalten Räumen nur noch wenig zu tun. Obwohl die Wohnungen durch die installierte Fußbodenheizung als sogenannte Komfortwohnungen vermietet werden.

Wärmedecke oder Zwiebellook

Janet Grüter verbringt ihre Abende unter einer Wärmedecke, ihr Mann Michael entscheidet sich lieber für den Zwiebellook. Besuch haben die Grüters eigentlich nur im Sommer. Klar, gemeinsame Spieleabende oder Abendessen kommen bei 16 Grad nicht wirklich gut. Blöd ist nur, dass Sohn Leon gerade jetzt im Dezember 18 wird. Das Thema Party hat er allerdings schon abgeschrieben. In der eiskalten Wohnung möchte er nicht feiern. Zwar gab es vom Vermieter einen Heizlüfter. "Doch das kann ja nur eine Zwischenlösung sein. Zumal der Stromverbrauch dadurch ins Horrende steigt und das Gerät nicht in der Lage ist, unseren großen Wohnraum zu beheizen." Nach Aussage der Hausverwaltung gelingt das anderen Mietparteien durchaus. Die haben es dann zwar ein paar Grad wärmer, aber das eigentliche Problem ist dadurch noch immer nicht gefunden.
Alle beteiligten Parteien hoffen nun auf das Beweissicherungsverfahren. Ein gerichtlich bestellter Gutachter soll herausfinden, warum die von der Therme abgegebene Wärme nicht in den Wohnungen ankommt. Eine schnelle Lösung verspricht auch das nicht zu werden. Denn noch steht nicht fest, wann der Gutachter seine Arbeit aufnimmt. "Nach Aussage unseres Anwalts ist aber damit zu rechnen ist, dass dies zeitnah geschehen wird. Das Verfahren läuft ja bereits seit über zwei Monaten", so Sabine Samuel.

Satte Nachforderung eingetroffen

Für die Mieter ist das nicht mehr als ein weiteres Versprechen. Freunde und Bekannte der Grüters verstehen nicht, warum die Familie nicht endlich einen Schlussstrich unter die eiskalte Wohnung setzt und sich etwas neues sucht. Zumal inzwischen auch satte Nachforderungen in Sachen Heizkosten eingetroffen sind. Mit 594 Euro werden die Grüters für 2015 zusätzlich zur Kasse gebeten. Eine Frechheit, finden die Mieter. Vollkommen korrekt, sagen die Stadtwerke. Die Wärmeabgabe sei nachweisbar. Nur angekommen ist sie in die Wohnungen eben nicht.
An einer Lösung scheinen alle beteiligten Parteien gleichermaßen interessiert. "Mir tun die Mieter leid", so Dirk Pomplun. "Deshalb fahren unsere Leute auch immer wieder raus und versuchen die Anlage in Gang zu halten. Der Effekt ist allerdings gleich null." Die Mieter wollen endlich wieder gut geheizte Wohnräume. Würden gerne an der Münstermannstraße bleiben. "Einfach weil wir uns ansonsten hier wirklich wohlfühlen", so Janet Grüter. Hausverwaltung und Eigentümergemeinschaft setzen auf den Gutachter, um die Frage der Haftung zu klären. Wer muss handeln, um das Problem zu beheben? Die Stadtwerke AG als contractor oder die Eigentümer als contractingnehmer?

Eigentümergemeinschaft verspricht schnelle Reaktion

"Wenn das unsere Sache ist, dann werden wir das auch tun", verspricht Sabine Samuel. Entweder durch ein erneutes Spülen des Leitungssystems. "Da gibt es ein spezielles Verfahren, das bislang noch nicht zur Anwendung gekommen ist", so Samuel. Oder im schlimmsten Fall durch eine Umstellung auf Raumheizkörper. Die müssten dann im ganzen Haus nachträglich installiert werden. Alles in allem scheint eine kostengünstige Lösung nicht in Sicht. Bleibt nur zu hoffen, dass die Mieter nicht noch einen fünften Winter mit kalten Füßen zubringen müssen. Weil eine letztendliche Einigung nur noch vor Gericht erzielt werden kann.

Hintergrund: Beim Contracting übernimmt das Energiedienstleistungsunternehmen (Contractor) die Energieversorgung des Kunden (Contractingnehmer). Der Contractor - im Fall des Hauses an der Münstermannstraße die Stadtwerke AG - ist wirtschaftlicher "Eigentümer" der Anlage. Seine Aufgaben sind Planung, Finanzierung, Errichtung, Wartung und Instandsetzung. Die gesamten Aufwendungen des Contractors zahlt der Kunde über den Grund- und Arbeitspreis für den Energieverbrauch. contracting

Autor:

Christa Herlinger aus Essen-Borbeck

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