Der Bürger als Gärtner?

Streitobjekt Brennessel: Was viele Menschen stört, benötigen diverse Schmetterlingsarten für ihre Raupen als Futterpflanze. Wolf-Rüdiger Seidel aus Stoppenberg möchte, dass sie am Wegesrand öfter zurückgeschnitten wird. Foto: Gohl
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  • Streitobjekt Brennessel: Was viele Menschen stört, benötigen diverse Schmetterlingsarten für ihre Raupen als Futterpflanze. Wolf-Rüdiger Seidel aus Stoppenberg möchte, dass sie am Wegesrand öfter zurückgeschnitten wird. Foto: Gohl
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Sparmaßnahmen lassen sich auch am Wegesrand erkennen. Je weniger Personal bei Grün und Gruga zur Verfügung steht, desto häufiger sind Klagen von Anwohnern über wuchernde Brennesseln, herausragende Äste und hohes Gras. Das dürfte in Zukunft eher schlimmer werden.

Die von der Stadt gerade präsentierten Sparpläne sehen auch bei der fürs öffentliche Grün zuständigen Stadttochter weitere Reduzierung des Personalbestands vor. Im Endeffekt dürfte das heißen: Es wuchert noch wesentlich länger am Straßenrand, im Park und auf dem Friedhof.

Von Stoppenberg bis Kettwig

Beispiel Essener Norden: Wolf-Rüdiger Seidel ist Vorsitzender beim KGV Stoppenberg. Die Kleingärtner monieren, dass am Rande ihrer Parzellen, wo Grün und Gruga zuständig ist, weder Brennesseln zurückgeschnitten noch morsche Äste beseitigt werden. Zu selten jedenfalls. „Und wenn man versucht, jemanden zu erreichen, na, da kriegst Du ja eher den Papst ans Telefon“, sagt Seidel.
Die Stoppenberger Gartenfreunde wären bereit, einzuspringen und selber öffentliche Grünpfleger zu werden. Doch diesen Griff zu Säge und Freischneider möchten sie nicht unentgeltlich tun.

Beispiel Essener Süden: Auf dem Kettwiger Stadtwaldfriedhof sind auf manchen Feldern die Reihengräber gepflegte Inseln im hohen Gras. Nach der Grabpflege ist es ratsam, die Kleidung nach Zecken abzusuchen. Oft schneiden Angehörige den unmittelbaren Bereich selber frei bzw. jäten auf den Kieswegen das Unkraut.
Soll der Bürger also tätig werden - ehrenamtlich, versteht sich, denn der städtische Haushalt gibt das Geld für Pflege ja nicht her? Oder ist es womöglich ein versicherungstechnisches Problem, wenn er sich dabei verletzt?

Eckhard Spengler, bei Grün und Gruga für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, muss abwägen: „Es gibt kein klares Ja oder Nein.“ Grundsätzlich stehe man „solchem Bürgerengagement positiv gegenüber“. Gerade in Fällen, wie dem in Stoppenberg, könne dadurch kurzfristig gehandelt werden. Spengler: „Tatsächlich gibt es ja viele Patenschaften, beispielsweise die Baumbeetpaten, die Spielplatzpaten oder Initiativen, wie die im Krupp Park, die auch am Wochenende den Park auf Sauberkeit kontrolliert.“

Immer wieder melden sich Interessenten, die eine kleine Fläche pflegen möchten, am besten in unmittelbarer Nähe des Wohnorts. „Das ist möglich, erfordert allerdings eine detaillierte Absprache“, sagt der Mann von Grün und Gruga und betont: „Beide Seiten müssen sich aufeinander verlassen können.“

Der Schnitt von Bäumen und Schmuckgehölzen werde jedoch besser von eigenen Fachleuten geleistet, gerade Baumarbeiten seien sicherheitsrelevant. Auch müsse man vermeiden, dass Interessenten sich schlicht zu viel vornehmen und sich überlasten. Spengler: „Doch das ist regelbar.“

Einen weiteren Gesichtspunkt gibt es noch, bevor der Bürger selber aktiv werden darf: Für Grün und Gruga darf dadurch kein Mehraufwand entstehen. Etwa durch Nacharbeiten, um Schlimmeres zu verhindern.

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Kommentar

Die Stadt Essen liegt bei den Gebühren für Grabstellen im guten Mittelfeld. Das ist durch Städtevergleich in der Umgebung schnell feststellbar. Um die Zufriedenheit derjenigen, die zahlen, zu ermitteln, müssten aufwändige Umfragen durchgeführt werden.

Das geht natürlich nicht, aber es sei die Vermutung erlaubt, dass die Zufriedenheit mit der Pflege der öffentlichen Fläche rings um die Gräber herum eher nachlässt.
Das ist auch kein Wunder, wenn sich das Reihengrab nach Regen nicht mehr trockenen Fußes erreichen lässt, weil das nasse Gras um den Knöchel wischt. Zecken inklusive.
„Habe ich mit den über 1.100 Euro für die Grabstelle nicht auch die Pflege bezahlt“, fragt man sich da, und schneidet zähneknirschen das nähere Umfeld kurz. Wo Kieswege sind, darf man alternativ Unkraut jäten.

Das ist aber keine flächendeckende Lösung. Zugegeben, die Stadt sitzt in der Falle. Immer mehr wählen das preiswertere Urnenbegräbnis oder das anonyme Feld bzw. bevorzugen direkt den von privaten Firmen angebotenen Friedwald oder das Wiesengrab. Zugleich wird weiter Personal eingespart, so dass die Pflegemaßnahmen in noch größeren Abständen durchgeführt werden.

Vielleicht sollte sich die Stadt aus dem ‚Tätigkeitsfeld‘ ganz zurückziehen. Möglich, dass Privatunternehmen das problemloser handhaben können. Ein Versuch wäre es wert. Ich wüsste nicht, was dabei schief gehen könnte.

Autor:

Sabine Pfeffer aus Essen-Kettwig

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