Ein Haltungsproblem gegen rechts
Die Verharmlosung der faschistischen "Steeler Jungs" ist nicht zu tolerieren

4.2.: Nur harmlose "Spaziergäger"? SJ marschieren erstmals mit Transparent.

Beim kommunalpolitischen Frühstück von „Essen steht AUF“ am letzten Sonntag gab es eine lebhafte Diskussion über den Zusammenhang zwischen der Verharmlosung der sogenannten „Steeler Jungs“ (SJ) und den Ereignissen in Thüringen. Zur Verharmlosung der braunen Truppe gab es eine interessante Chronik, die ich hier wiedergeben möchte. Am morgigen Dienstag gibt es wieder eine Protestaktion mit offenem Mikrofon, wo auch die Zusammenhänge zu den Vorgängen in Thüringen diskutiert werden. Treffpunkt ist um 17:30 Uhr, Kaiser-Otto-Platz in Steele.

Seit April 2018 marschieren jeden Donnerstag (mittlerweile dienstags) die Faschisten der sogenannten „First Class Crew – Steeler Jungs“ (so die offizielle Bezeichnung) durch Steele. Sie agieren als angebliche „Bürgerwehr“, die dem rassistischen Denkmuster von Pegida, AfD, NPD, Die Rechte, Identitären etc. folgend die Menschen vor den Folgen einer angeblichen „Überfremdung“ schützen wollen. In Wirklichkeit haben die „Steeler Jungs“ (die ich nur noch „SJ“ nenne, weil sie in keiner Weise den Stadtteil repräsentieren) nur ein Ziel: durch eine permanente Drohkulisse, einzuschüchtern und Angst zu verbreiten und Aufmärsche von Faschisten zu einer Normalität zu machen.

Von Anfang an wurde der faschistische Charakter dieser Aufmärsche insbesondere von der Essener Polizeiführung unter Polizeipräsident Frank Richter systematisch verharmlost. Gleichzeitig erfuhren die „SJ“ eine regelrechte Protektion durch die Polizei. Dazu eine kleine, sicher nicht vollständige Chronik:

  • Ein Jahr lang wurden die Aufmärsche nicht als Versammlung gewertet und weder eine Anmeldung verlangt noch Polizei aufgeboten.
  • Aufsehen erregte im Februar 2019 ein örtlicher Polizist, der mit den Faschisten gemeinsam auf Fotos posierte und nach Protesten versetzt wurde.
  • Skandalöse Teilnahme am Karnevalszug in Freisenbruch mit einem martialischen Wagen mit dem Motto „Schützt Euch vor Zecken“ – mit Erlaubnis des Karnevalsvereins!
  • März 2019: Direkt gegenüber der Sportbar, wo sich die Rechten donnerstags versammeln, liegt das Kulturzentrum Grend. In der Nacht zum 27. März wurden zwei Schüsse mit einer scharfen Schusswaffe auf den Wintergarten des Grend abgegeben. Die Glasscheiben wurden durchlöchert, ein Projektil fand sich in der Wand der Kneipe.
  • Angesichts all dessen schreibt noch im April 2019 Stadtspiegel-Redakteur Detlef Leweux einen „Klartext“, in dem er die SJ total verharmlost bzw. sich völlig ahnungslos stellt und fordert: „MIT den Jungs reden“
  • Im Mai 2019 vermummte sich ein größerer Teil der Teilnehmer des Umzugs mit Atemmasken, als sie sich den Gegendemonstranten näherten. Diesmal griff die Polizei ein, die Personalien von ca. 75 Personen wurden festgehalten
  • 30.07.19: etwa hundert Faschisten und Mitläufer dürfen im Hbf auf einem Bahnsteig eine heuchlerische Trauerkundgebung abhalten (Anlass war der Mord an einem Kind in Frankfurt, das auf die Gleise gestoßen wurde).
  • Am 1.08.19 ließen die „SJ“ jede taktische Zurückhaltung fallen: Nach dem Mord in Frankfurt marschierten sie demonstrativ gemeinsam mit führenden Neonazis von Die Rechte, der und dem Faschisten Dominik Roeseler, u.a. Gründer der faschistischen „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa), durch Steele.
  • Neben dem körperlichen Angriff auf den früheren Sprecher von „Essen stellt sich quer“ im Dezember 2019 haben vor kurzen mutmaßliche Anhänger aus dem „SJ“-Milieu einen Stammtisch der Wohngebietsgruppe Wasserturm der MLPD in deren Stammlokal durch eine massive Drohkulisse verhindert.
  • Nach fast jeder Gegendemonstration im neuen Jahr gab es gewalttätige Übergriffe auf Gegendemonstranten auf dem Nachhauseweg. Dabei wurden einmal junge Frauen auf dem Nachhauseweg von der Demo bedroht und ihnen eine Fahne entrissen; einmal wurde ein Jugendlicher ins Gesicht geschlagen.
  • Am 4.2. ließen sie nun noch weiter die Maske fallen und führten zum einen ein Transparent mit der Aufschrift „FCK Antifa“ mit und näherten sich auf dem Rückweg drohend und grölend den von der Polizei hinter Absperrgittern abgedrängten Antifaschisten, ohne dass die Polizei eingriff.

Dass es angesichts dieser Fakten immer noch Leute gibt, die an der Verharmlosung der „SJ“ festhalten, kann mit Unwissenheit oder Naivität kaum mehr erklärt werden. Das ist ein Haltungsproblem. Deutlich zu sehen an einem Beitrag des Bürgerreporters A. Breimeyer, der am 20.01.20 u.a. schrieb:
„Der Großteil der Leute besteht aus Familien, Alleinerziehenden, Rentnern und anderen Teilen Essener Bürger, die in keinster Weise mit der rechten Szene verbunden sind. Auch die Steeler Jungs selber sind in vielen Teilen nicht mit der Szene verortet. Wir reden hier wohl gemerkt von rechtsextremistischen Strömungen, mit denen tatsächlich die meisten Mitwanderer überhaupt nichts zu tun haben. Sie haben vielmehr das Problem, dass sich einzelne Teilnehmer aus dem rechten Lager immer wieder unter die Gruppe mischen und dem ganzen den rechten Stempel aufdrücken. … Letztlich kann ich genauso wenig wie viele andere nicht genau definieren, wie rechts die Spaziergänger nun wirklich sind.“

Diese Ratlosigkeit ist gespielt, um die Verharmlosung glaubwürdiger klingen zu lassen. Wer heute noch die „SJ“ als „Spaziergänger“, „Mitwanderer“ etc. verniedlicht, der tut das wider besseres Wissen. Und da stellt sich die Frage nach dem Motiv.
In einer Fortsetzung dieses Beitrags werde ich mich mit der Gleichsetzung von rechts und links befassen, die immer wieder bemüht wird, um vom eigenen Haltungsproblem gegen rechts abzulenken.

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

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