Grüne beantragen Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes
Fliß: Stadt Essen hat großen Nachholbedarf bei Abfallvermeidung und ökologischer Abfallverwertung

Schnelle Müllentsorgung ist nicht alles, ein modernes Abfallwirtschaftskonzept, das wertvolle Stoffe wieder aus dem Müll herauslöst um es neu zu verwerten, wäre schon erheblich mehr - erst recht in in einer ehemaligen grünen Hauptstadt. | Foto: Walter Wandtke
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  • Schnelle Müllentsorgung ist nicht alles, ein modernes Abfallwirtschaftskonzept, das wertvolle Stoffe wieder aus dem Müll herauslöst um es neu zu verwerten, wäre schon erheblich mehr - erst recht in in einer ehemaligen grünen Hauptstadt.
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In der Ratssitzung am 25. September beantragt die Ratsfraktion der Grünen, das Abfallwirtschaftskonzept der Stadt Essen aus dem Jahr 2014 fortzuschreiben und die Ziele aus der Grüne Hauptstadt-Bewerbung umzusetzen. Diese sehen eine Steigerung der Recyclingquote von 40% (2012) auf 65% (2020), eine Reduzierung des Abfallaufkommens pro Einwohnerin bzw. Einwohner und eine Erhöhung des Sammelaufkommens bei Elektroschrott (Urban Mining) vor.
Dazu erklärt Rolf Fliß, umweltpolitischer Sprecher der Ratsfraktion der Grünen:
„Die Stadt Essen hat einen großen Nachholbedarf bei Abfallvermeidung und ökologischer Abfallverwertung. Daher sollte das inzwischen fünf Jahre alte Abfallwirtschaftskonzept fortgeschrieben werden. Dabei sollten die Ziele der Grünen Hauptstadt Europas Essen 2017 nach Reduzierung des Abfallaufkommens pro Einwohner und höheren Recyclingquoten umgesetzt werden.

Bioabfälle vergären - Biogas Nutzung starten

Statt der bisherigen Kompostierung sollte künftig eine klimaverträglichere Vergärung der Bioabfälle mit Biogas-Nutzung erfolgen. Dazu sollte die Biotonne flächendeckend eingeführt werden. Die Anzahl an Recyclinghöfen und Recyclingstationen sollte erhöht werden. Die bestehenden Erfassungs- und Entsorgungsstrukturen von Elektro- und Elektronikgeräten müssen deutlich verbessert werden. Außerdem sollte eine bessere Vorsortierung von gemischten Abfällen vor einer Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage erfolgen.
In den letzten Jahren wurden die gesetzlichen Anforderungen zur Schließung von Stoffkreisläufen und zur besseren Wertstofferfassung erhöht. Auch das gerade von der Bundesregierung vorgelegte Klimaschutzprogramm verlangt eine bessere Erfassung von Bioabfällen und die Gewinnung von Bioenergie aus diesen Abfällen.

Essener Bioabfall-Sammelwerte deutlich unter Durchschnitt

Die Essener Erfassungsquoten für Bioabfall, Papier, Altglas und Leichtverpackungen liegen deutlich unterhalb des NRW-Durchschnitts wie auch vergleichbarer NRW-Städte.
Mit ca. 58 kg je Einwohner liegt die in Essen erfasste Menge an Bio- und Grünabfällen deutlich unter dem Mittelwert der NRW-Großstädte von 66 kg je Einwohner. In Essen werden ca. 60 kg Papier gesammelt, im Durchschnitt des Landes NRW waren es hingegen 69 kg je Einwohner. In Essen werden je Einwohner 14 kg Altglas gesammelt, im Landesdurchschnitt hingegen 20 kg je Einwohner.“

Der Ratsantrag der Ratsfraktion der Grünen hat folgenden Wortlaut:

TOP 14: Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes der Stadt Essen

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt, der Rat der Stadt Essen beschließt:
Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, den städtischen Gremien den Entwurf einer Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes der Stadt Essen aus dem Jahr 2014 zur Beratung und Entscheidung vorzulegen.
In der Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes sind Maßnahmen darzustellen,
1. wie die folgenden Ziele der Grünen Hauptstadt Europas Essen 2017 verwirklicht werden können:
· Steigerung der Recyclingquote von 40% (2012) auf 65% (2020),
· Reduzierung des Abfallaufkommens pro Einwohner,
· Urban Mining – Erhöhung des Sammelaufkommens bei Elektroschrott.
2. wie die erfassten Mengen an Bio- und Grünabfällen gesteigert werden können und wie statt der derzeitigen Kompostierung eine klimaverträglichere Vergärung der Bioabfälle mit Biogas-Nutzung erfolgen kann.
3. wie sich die Anzahl an Recyclinghöfen und Recyclingstationen zur Abgabe von Sperrmüll, Metallen, Holz, sonstigen Wertstoffen, schadstoffhaltigen Stoffen, Elektroaltgeräten und Grünabfälle erhöhen lässt.
4. wie eine bessere Vorsortierung von gemischten Abfällen vor einer Verbrennung in der Müllverbrennungsanlage erfolgen kann.
5. Die Erstellung des neuen Abfallwirtschaftskonzepts soll unter breiter öffentlicher Beteiligung erfolgen.

Begründung:
Nach den Bestimmungen des Landesabfallgesetzes NRW (§ 5a) sind die Kreise und kreisfreien Städte als entsorgungspflichtige Körperschaften zur Erstellung eines kommunalen Abfallwirtschaftskonzeptes (AWK) verpflichtet. Das Abfallwirtschaftskonzept soll eine praxisnahe Planungsgrundlage für die nächsten fünf Jahre darstellen. Laut § 5a Absatz 2 Landesabfallgesetz NRW ist das Abfallwirtschaftskonzept fortzuschreiben und der zuständigen Behörde im Abstand von fünf Jahren und bei wesentlichen Änderungen erneut vorzulegen.
Das derzeit gültige „Abfallwirtschaftskonzept Stadt Essen 2015 – 2019“ wurde am 26.11.2014 vom Rat der Stadt Essen beschlossen. Dieses Abfallwirtschaftskonzept basiert auf den Mengendaten von 2013 und beschreibt die Ist-Situation bei der abfallwirtschaftlichen Infrastruktur (Anlagen und Logistik) mit Stand Oktober 2014.
Das Abfallwirtschaftskonzept ist überholt. So sind der Abfallwirtschaftsplan des Landes Nordrhein-Westfalen (Teilplan Siedlungsabfälle) vom November 2015 sowie wesentliche abfallrechtliche Änderungen der letzten Jahre nicht berücksichtigt. Seit Verabschiedung des derzeit gültigen Abfallwirtschaftskonzeptes sind folgende gesetzlichen Anforderungen hinzugekommen:

Das Elektrogesetz (Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten vom 20.10.2015) verfolgt das Ziel, die Effizienz der bestehenden Erfassungs- und Entsorgungsstrukturen von Elektro- und Elektronikgeräten weiter zu steigern. Die Stadt Essen ist gemäß Elektrogesetz für die Errichtung und den Betrieb von Sammel- und Übergabestellen für Elektro(nik)altgeräte zuständig. Ab 2019 müssen 65 Prozent der in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte gesammelt werden, so dass die Sammelmenge insgesamt deutlich gesteigert werden muss. Aktuell werden bundesweit nur rund 45 Prozent aller Elektro- und Elektronikgeräte gesammelt.
Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) des Bundes schreibt in § 11 KrWG vor, dass Bioabfälle ab dem 01.01.2015 getrennt zu sammeln sind. Ein sehr großer Anteil der in Essen entstehenden Bioabfälle wird jedoch im Müllheizkraftwerk Karnap verbrannt. Grund dafür ist der fehlende Anschluss- und Benutzungszwang für eine Biotonne in Essen. Laut dem Sachstandsbericht zur Bioabfallsammlung in NRW des NRW-Umweltministeriums vom 6.4.2018 werden in Essen deutlich weniger Mengen an Bio- und Grünabfällen erfasst als in anderen Großstädten in NRW. Mit ca. 58 kg je Einwohner liegt die in Essen erfasste Menge an Bio- und Grünabfällen deutlich unter dem Mittelwert der NRW-Großstädte von 66 kg je Einwohner (Stand: 2016). Die in Essen erfassten Mengen an Bio- und Grünabfällen sind auch weit vom Leitwert des NRW-Umweltministeriums für das Jahr 2016 von 70 kg je Einwohner und vom Zielwert des Umweltministeriums für das Jahr 2021 von 90 kg je Einwohner entfernt.
Die Bundesregierung hat sich in ihren am 20.9.2019 vorgestellten Eckpunkten eines Klimaschutzprogrammes 2030 zur Erreichung der Pariser Klimaziele für eine stärkere energetische Nutzung von Bioabfällen stark gemacht. Es heißt dort: „Die Entwicklung von flüssigen und gasförmigen regenerativen Kraftstoffen aus Biomasse und deren großtechnische Erzeugung in Biogas- und Syntheseanlagen werden unterstützt, um sie mittel- und langfristig in bestimmten Segmenten des Verkehrssektors nutzen zu können. Dabei soll die Erzeugung von Bioenergie künftig stärker auf Abfall- und Reststoffen basieren. Deshalb ist es wichtig, alle Abfall- und Reststoffe tatsächlich zu erfassen.“
Die im Jahr 2018 novellierte Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union definiert erweiterte Anforderungen zur Förderung der Vermeidung von Abfällen sowie legt erweiterte Ziele für das Recycling und die Vorbereitung zur Wiederverwendung von Siedlungsabfällen fest. Diese Ziele müssen teilweise noch in nationales Recht umgesetzt werden.
Bereits heute definiert das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) des Bundes folgende Recyclingquoten zur Förderung des Recyclings und der sonstigen stofflichen Verwertung, die spätestens ab 2020 einzuhalten sind:
· Die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling von Siedlungsabfällen sollen spätestens ab dem 1. Januar 2020 mindestens 65 Gewichtsprozent insgesamt betragen (§ 14 Abs. 2).
· Die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und die sonstige stoffliche Verwertung von nicht gefährlichen Bau- und Abbruchabfällen mit Ausnahme von in der Natur vorkommenden Materialien, die in der Anlage zur Abfallverzeichnisverordnung mit dem Abfallschlüssel 17 05 04 gekennzeichnet sind, sollen spätestens ab dem 1. Januar 2020 mindestens 70 Gewichtsprozent betragen (§ 14 Abs. 3).

Abfallbilanz Nordrhein-Westfalen

Die vom NRW-Umweltministerium herausgegebene „Abfallbilanz Nordrhein-Westfalen für Siedlungsabfälle 2016“ zeigt, dass die Getrenntsammlung werthaltiger Abfälle in der Stadt Essen deutlich schlechter funktioniert als im Landesdurchschnitt und im Vergleich mit anderen NRW-Großstädten.
So wurden in Essen im Jahr 2016 pro Einwohner/in 60 kg Papier, Pappen und Kartonagen gesammelt. Im Regierungsbezirk Düsseldorf betrug die Erfassungsmenge dagegen 65 kg Papier, Pappen und Kartonagen je Einwohner/in. Im Durchschnitt des Landes NRW wurden sogar 69 kg/je Einwohner/in erfasst. Die Erfassungsmengen für Papier, Pappen und Kartonagen lagen in Dortmund sogar bei 76 kg/je Einwohner/in, in Bonn bei 74 kg/je Einwohner/in und in Bochum bei 71 kg/je Einwohner/in.
In Essen wurden im Jahr 2016 je Einwohner/in 14 kg Altglas gesammelt. Der Durchschnitt im Regierungsbezirk Düsseldorf betrug 19 kg je Einwohner/in und der Landesdurchschnitt 20 kg je Einwohner/in. In Bonn wurden sogar 26 kg Altglas je Einwohner/in gesammelt, in Düsseldorf 22 kg je Einwohner/in und in Mülheim/Ruhr 20 kg je Einwohner/in.
Auch bei der Erfassung von Leichtverpackungen lag Essen im Jahr 2016 mit 23 kg je Einwohner/in unter dem Durchschnitt des Regierungsbezirks Düsseldorf (33 kg je Einwohner/in) und des Landes NRW (32 kg je Einwohner/in). In Bonn wurden hingegen 34 kg Leichtverpackungen je Einwohner/in gesammelt, in Bochum 29 kg je Einwohner/in und in Oberhausen 27 kg je Einwohner/in.

Grüne Dekade bis 2027

Auch der Bericht der Stadtverwaltung „ - Maßnahmen zur Zielerreichung der 12 Themenfelder der Grünen Hauptstadt Europas - Essen 2017“ (Vorlage 1610/2018/6A, vom 31.10.2018) kommt zu dem Ergebnis, dass das Abfallwirtschaftskonzept fortgeschrieben werden muss, um folgende Ziele der Grünen Hauptstadt im Themenfeld „Abfallproduktion und -management“ zu verwirklichen:
Steigerung der Recyclingquote von 40% (2012) auf 65% (2020),
Reduzierung des Abfallaufkommens pro Einwohner/in,
· Urban Mining – Erhöhung des Sammelaufkommens bei Elektroschrott.

In der Bewerbung zur Grünen Hauptstadt heißt es im Hinblick auf die Zukunftspläne der Stadt Essen:
„Das Abfallwirtschaftskonzept kann als Vorstufe zu einem Ressourcenmanagement-Konzept angesehen werden, das in der Perspektive neben der herkömmlichen Abfallentsorgung den Schwerpunkt auf den ökologischen Umgang mit Ressourcen setzt, die nach Ende der Nutzungsdauer zum Abfall werden. Dabei ist insbesondere das ökologische Bewusstsein des Bürgers zu fördern und für nicht vermeidbare Abfälle ein bürgerfreundliches Verwertungs- und Entsorgungsangebot auszubauen.

Abfallvermeidung in Essen

Zentrale Herausforderung ist es, die bestehenden Ansätze und Instrumente der Abfallvermeidung in Essen fortzuentwickeln. In dem mit der EU-Abfallrahmenrichtlinie im Einklang stehenden, im Juli 2013 veröffentlichten Abfallvermeidungsprogramm des Bundes wurden Abfallvermeidungsziele formuliert, bestehende Abfallvermeidungsmaßnahmen zusammengestellt und evaluiert sowie darauf aufbauend neue Maßnahmen konzipiert.
Die konkreten Maßnahmen zur Abfallvermeidung fließen in das Abfallwirtschaftskonzept der Stadt Essen ein. Die bestehenden Initiativen zur Abfallvermeidung sollen fortgeführt und ergänzt werden.
In den nächsten Jahren wird durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit vor allem auf das Konsumverhalten der Bürger eingewirkt werden, um den Trend zu Wegwerfartikeln zu stoppen und Lebensmittelabfälle zu verringern.
Im Sinne des Urban Mining sollen die im Elektroschrott enthaltenen seltenen Erden und dringend benötigten Metalle verstärkt dem Recycling zugeführt werden. Bei Elektro- und Elektronikaltgeräten wird deshalb eine deutliche Erhöhung der Erfassungsrate angestrebt.
Vor allem vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung (ältere Menschen mit zunehmender Mobilitätseinschränkung), wird die Entsorgung im eigenen Stadtteil in Zukunft immer wichtiger. Da hier noch großes Potenzial zur Entfrachtung des Hausmülls von Wert- und Schadstoffen (als besondere Form der Abfallvermeidung) besteht, ist hier ein umfassenderes Sammelsystem geplant.
Es wird eine deutliche Überschreitung der in der WEEE-Richtlinie vorgegebenen Sammelquoten angestrebt. Die dafür erforderlichen Maßnahmen werden im neuen Abfallwirtschaftskonzept festgeschrieben.
Zur Optimierung der getrennten Erfassung von Abfällen im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, insbesondere von Kunststoffen und Metallen, wird die Stadt Essen die bestehenden Sammelsysteme ergänzen. Darüber wird im Rahmen der Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes beraten.
Durch Informationskampagnen soll der Verbraucher im Sinne des 7. EU-Umweltaktionsprogramms für eine ressourcenschonende Abfallpolitik begeistert werden.“
Um diese Ziele und Maßnahmenvorschläge aus der Grünen Hauptstadt-Bewerbung zu realisieren, bedarf es dringend einer ökologisch anspruchsvollen Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes.

Schnelle Müllentsorgung ist nicht alles, ein modernes Abfallwirtschaftskonzept, das wertvolle Stoffe wieder aus dem Müll herauslöst um es neu zu verwerten, wäre schon erheblich mehr - erst recht in in einer ehemaligen grünen Hauptstadt. | Foto: Walter Wandtke
Nur robuste, langgediente Abfallcontainer zur Verfügung stellen, die dann rationell zur Müllverbrennung in Karnap befördert werden können, ist im 21. Jahrhundert kein effektives Abfallwirtschaftskonzwept mehr - eigentlich müsste es um maximales Recycling gehen. Da können wir in Essen von anderen Großstädten allerdings noch viel lernen. | Foto: Walter Wandtke
Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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