Supermarkt gegen Turnhalle - Karnaper fühlen sich "überrumpelt"

Streitobjekt: Die Sporthalle am Sigambrerweg in Karnap. Foto: Michael Gohl
  • Streitobjekt: Die Sporthalle am Sigambrerweg in Karnap. Foto: Michael Gohl
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Die Hauptschule in Karnap ist längst geschlossen. Die Immobilienwirtschaft
sieht für die Turnhalle am Sigambrerweg ein gleiches Ende vor.
Von der Aufgabe der Halle wurden viele Karnaper überrumpelt. „Wir haben
nur davon erfahren, weil die Reinigungskräfte unserem Hausmeister
gegenüber erwähnten, dass sie die Halle ab dem 1. August nicht mehr
reinigen sollen“, moniert Marlis Bayer, Schulleiterin der
Maria-Kunigunda-Schule. Die Grundschule nutzt die Halle am Sigambrerweg
seit der Schließung der Hauptschule Karnap mit. Doch die Grundschüler
sind nicht nicht die einzigen Nutzer der Sporthalle. Der Turnverein
Karnap, der FC Karnap und der evangelische Kindergarten „Rasselbande“
stehen ebenfalls in der Belegungsliste.

Doch genau hier liegt der Knackpunkt: Es gibt derer zwei. Beide Listen,
die dem Nord Anzeiger vorliegen, gelten für 2011. Die Liste, die der
Immobilienwirtschaft vorlag, führt noch die Hauptschule als Hauptnutzerin
und kommt so auf 3.722 Stunden. Das kann natürlich nicht stimmen. Doch
nimmt man die Maria-Kunigunda-Schule mit auf, wie es die Sport- und
Bäderbetriebe getan haben, stehen immer noch 2.526 Belegungsstunden zu
Buche.

Solange die nirgendwo aufgefangen werden können, gebe es keine Alternative zum Erhalt, betont nicht nur Klaus Gutke, Vorstandsmitglied des FC Karnap.

Die nächstgelegenen Sporthallen an der Karnaper Straße und der Neuessener
Schule seien restlos belegt, ein Ausweichen in die Nachbarstädte Bottrop,
Gladbeck oder Gelsenkirchen nicht möglich. „Es gibt mit diesen Städten
keine interkommunale Zusammenarbeit im Sport“, so Gutke.

„Über 300“ Kinder und Jugendliche zählt der Karnaper Club, hinzu kommen
vier Seniorenmannschaften, die Maria-Kunigunda-Schule bringt ebenfalls
rund 300 Schüler mit. „Den Pflichtsportunterricht könnten wir in unserer
Halle zwar durchführen“, betont Schulleiterin Marlis Bayer, „das wäre aber
nur das Minimalprogramm. Wir bieten gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern an, haben professionelle Tanztherapeuten, die mit koordinationsschwachen Schülern zusammenarbeiten. Sollte das alles wegfallen, wäre das aus pädagogischer Sicht ein schwerer Schlag.“ Nicht zu vergessen sind die Mitglieder des Turnvereins, insbesondere die älteren unter ihnen, und die Kinder der „Rasselbande“. „Denen ist ein Umzug gar nicht zuzumuten“, findet Bezirksvertreter Michael Schwamborn vom Essener Bürger Bündnis (EBB).

Wie die SPD hat auch seine Fraktion einen Eilantrag in die vergangene
Sitzung des Stadtteilparlamentes am Dienstag eingebracht. Darin fordert
das EBB - kurz und knapp - den Sporthallenbetrieb bis auf weiteres zu
„gewährleisten“.

Der SPD-Antrag zielt in die gleiche Richtung, geht jedoch einen Schritt
weiter und fragt unter anderem nach möglichen Folgen für die betroffenen
Vereine. Nach eingehender Beratung wurden beide Anträge kombiniert. Die
Konsequenz des EBB-Papiers wurde mit den SPD-Forderungen nach
Berichterstattung und „zumutbaren“ Alternativen seitens der Verwaltung
verbunden. Detailfragen, welche die Zeit nach einer Schließung betreffen,
fielen aus dem gemeinsam getragenen Antrag.

Doch womöglich wenden sich die Vorortpolitiker an den falschen Adressaten.
„Die Hauptschule Karnap wurde auf Ratsbeschluss geschlossen. Zur
Hauptschule gehört auch die Halle am Sigambrerweg. Daran denkt keiner“,
entgegnet Karlheinz Schnare, Objektmanager für Schulimmobilien bei der
Immobilienwirtschaft. 14.000 Euro Gebrauchskosten (Gas, Wasser, Reinigung)
fielen jährlich am Sigambrerweg an - Kosten, die von der
Immobilienwirtschaft nicht getragen werden können. „Wenn die Halle
erhalten bleiben soll, müssen die Sport- und Bäderbetriebe oder der
Essener Sportbund aufkommen. Das allerdings ist eine politische
Entscheidung“, so Schnare weiter, der sich den Wirtschaftsvorgaben des
Stadtkämmerers verpflichtet fühlt.

Vor dem Hintergrund sei der Erhalt der Immobilie unverantwortlich. Rund
300.000 Euro würden für nötige Instandsetzungen, Brandschutztechnik und
andere Sicherheitsauflagen fällig, weitere 250.000 Euro kämen im Falle
einer energetischen Sanierung hinzu - man heize am Sigambrerweg derzeit
„durch die Fenster.“

Während Schnare versichert, diese Summen seien kein Ergebnis von
Planspielen, sondern einer konkreten Prüfung, ist CDU-Ratsherr Jörg
Uhlenbruch anderer Meinung. Während eines Ortstermins, der - sehr zum
Unmut einiger Bezirksvertreter - beinahe zeitgleich zur Sitzung der
Bezirksvertretung am Dienstag stattfand, konnte er sich selbst ein Bild
vom Zustand der Halle machen. Sein Fazit: „Die Halle ist in einem
ordentlichen Zustand.“ Aus diesem Grund sei die Einrichtung zu erhalten -
solange es keine geeigneten Alternativen gebe. Doch auch er weiß: Eine
derartige Entscheidung muss aus der Politik kommen.

Dabei zeichnet sich ab, dass diese Entscheidung keine leichte wird. Wie
Karlheinz Schnare berichtet, liegt der Stadt die Bauanfrage einer
Supermarktkette vor, die am Karnaper Markt eine Filiale errichten möchte.
Den Plänen nach müsste das alte Industriegebäude an der Karnaper Straße,
in dem früher mal ein Kino beherbergt war, weichen, auch der aufgegebene
Pavillon der Hauptschule und der Schulgarten der
Maria-Kunigunda-Grundschule wären betroffen. Und eben die Turnhalle am
Sigambrerweg, denn schließlich benötigt die Supermarkt-Filiale Stellplätze
für Kunden und Zulieferer.

Sollten die Neubaupläne konkret werden, wird sich zeigen, ob die Politik,
die sich schon lange eine Belebung des Marktes wünscht, eine sichere
Geldeinnahme zugunsten der Turnhalle verstreichen lässt.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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