Schauspiel kippt Inszenierung mit Essener Bürgern

Proben mit Bürgerchor: Da war die Welt noch in Ordnung.  Foto: Hügens
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  • Proben mit Bürgerchor: Da war die Welt noch in Ordnung. Foto: Hügens
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In Anlehnung an den Liederzyklus von Franz Schubert sollte eine „Winterreise“ entstehen, mit einem Essener Bürgerchor und persönlichen Interviews. Kurz vor der Premiere Ende November wurde nun das Aus der Inszenierung verkündet. Die Gründe weiß Intendant Christian Tombeil.

Der STADTSPIEGEL fragte nach. Was waren die genauen Gründe für die Absage der „Winterreise“?

Tombeil: Im Mittelpunkt dieses Projektes, das wir unter Beteiligung von Essener Bürgern realisieren wollten, standen Interviews, die wir im Frühjahr geführt haben. Uns wurden bei diesen Gesprächen Geschichten anvertraut, die uns sehr bewegt haben und die erwarten ließen, dass ein spannender und anrührender Abend zum Thema ‚Heimat‘ entstehen würde. Leider ist die dann entstandene Inszenierung unserer Meinung nach nicht so sensibel und umsichtig mit dem „Material“ umgegangen, wie wir uns das gewünscht haben. Wir mussten jetzt feststellen, dass sich die Inszenierung zu weit vom ursprünglichen Konzept entfernt hat. Zum Schutz der Menschen, die mit uns zusammengearbeitet haben, und meiner Mitarbeiter habe ich keine andere Möglichkeit gesehen, als diese Inszenierung vom Spielplan zu nehmen.

Sie haben Aufwand betrieben, Kosten investiert. Die Inszenierung wird vorher konzipiert. Wieso fehlt es im Nachhinein an einem gemeinsamen Nenner und warum kann auf professioneller Ebene keine Alternative gefunden werden?

Tombeil: Das Wesen eines Projektes ist es, dass es sich entwickelt. Wir waren uns in unseren konzeptionellen Vorgesprächen einig, was wir haben wollten. Die Entwicklung während der Inszenierungsphase war für mich als Verantwortlichem so nicht vorherzusehen und auch nicht gewollt. Wir haben uns intensiv mit dem Regie-Team ausgetauscht und versucht, den Fortschritt dieses Projektes zu beeinflussen. Leider konnten wir schlussendlich mit der Regisseurin Bernarda Horres, die ich im Übrigen nach wie vor sehr schätze, keinen Konsens finden. Die Kosten, die für „Winterreise“ entstanden sind, müssen wir natürlich tragen. Aber es werden - gerade wenn wir jetzt über eine Alternative nachdenken - keine zusätzlichen Kosten auf uns zukommen.

Wie begegnen Sie nun den Essener Bürgern, die involviert waren?

Tombeil: Meine Chefdramaturgin Vera Ring und ich haben persönlich mit allen Beteiligten gesprochen und ihnen unsere Beweggründe dargelegt. Dass die Enttäuschung nach einem so langen und intensiven Arbeitsprozess groß ist, können wir nachvollziehen, aber wir hatten auch den Eindruck, dass unsere Argumente verstanden wurden. Außerdem haben wir uns darüber unterhalten, wie wir dem Bürgerchor eine Perspektive geben könnten. Unser Wünsch wäre es, auch weiterhin zusammenzuarbeiten.

Nach der Absage des Projektes „Winterreise“ sind auch einige, für diese Inszenierung vorgesehene Vorstellungstermine frei geworden. Um diese Lücken im Programm zu schließen, wird kurioserweise unter dem Titel „Abgesagt! – Eine musikalische Leerstellenkompensation“ eine namenlich passende Ersatzinszenierung gezeigt, erstmals am Sonntag, 28. November, 19 Uhr, im Grillo-Theater gezeigt.

Ort der Handlung ist eine Bar. Hier geht zwischen Wodka und Warten eine kleine zarte Notgemeinschaft bestehend aus einem Pianisten, einem Kellner und fünf Gästen den Fragen nach, die uns alle beschäftigen: Findet mich das Glück? Gibt es ein richtiges Leben im Falschen? Und was machen wir jetzt? Dabei wagen sie musikalisch auch den einen oder anderen Blick in die Zukunft. Denn: „Auch wenn der Wind uns das Segel zerreißt, wir müssen weiter, immer weiter …!“

Weitere Vorstellungstermine: 3./11./28. Dezember 2010, jeweils 19.30 Uhr;
15. Januar 2011, 19.30 Uhr; 23. Januar 2011, 16 Uhr
Karten kosten zwischen 11 und 26 Euro und sind im TicketCenter der TUP, Telefon: 0201/8122-200 erhältlich. Die Karten und Abos, die für die an diesen Tagen ursprünglich angesetzten „Winterreise“-Vorstellungen bereits erworben wurden, behalten ihre Gültigkeit.

Proben mit Bürgerchor: Da war die Welt noch in Ordnung.  Foto: Hügens
Intendant Christian Tombeil bezieht Stellung. Foto: Ralph Lueger
Autor:

Michael Hoch aus Düsseldorf

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