Krisen: Krankenhäuser hoffen heute auf Finanzhilfe
"Was passiert, wenn Kliniken schließen?"

Massiv gestiegene Energiekosten belasten die Krankenhäuser schwer. Einsparungen sind aber nur begrenzt möglich, weil wichtige medizinische Geräte immer laufen müssen, obwohl sie viel Strom verbrauchen. Foto: Universitätsklinikum Essen
  • Massiv gestiegene Energiekosten belasten die Krankenhäuser schwer. Einsparungen sind aber nur begrenzt möglich, weil wichtige medizinische Geräte immer laufen müssen, obwohl sie viel Strom verbrauchen. Foto: Universitätsklinikum Essen
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Energiekrise, Inflation und Corona belasten die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen schwer. Etliche Millionen Mehrkosten pro Jahr bringen den Großteil der Häuser in finanzielle Schieflage. Konkrete Hilfen erwarten sie vom Bund-Länder-Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz am heutigen Mittwochnachmittag. Sonst, warnen Klinikvertreter, drohen erste Schließungen.

Nils Krog wählt seine Worte mit Bedacht, will nicht dramatisieren. Dennoch lässt der Vorstandsvorsitzende der Ategris, der unter anderem die evangelischen Krankenhäuser in Mülheim und Oberhausen gehören, keine Zweifel aufkommen: "Die Lage ist sehr ernst." Höchstpreise für Gas und Strom und auch inflationsbedingt stark gestiegene Kosten für Waren und Materialien führen laut Krog alleine in Mülheim zu Mehrkosten von zirka 3,5 Millionen Euro in diesem Jahr.

Sparen nur bedingt möglich

Zwar versuche man da, wo möglich, Energie zu sparen, das sei aber nur bedingt machbar. Krog: "In den Verwaltungsbereichen haben wir die Temperaturen auf 19 Grad gesenkt und überall Energiesparlampen installiert. Wir tun, was wir können. Aber in vielen Bereichen geht das nicht: In den Operationssälen muss der Strom weiterlaufen und die Patienten müssen weiter gut versorgt werden." Rund 21.000 Patienten werden Ategris zufolge in Mülheim jährlich stationär behandelt, weitere 60.000 ambulant. Mehreinnahmen? Fehlanzeige. Fallpauschalen und Basisfallwerte setzen enge Grenzen.

Etwa zehn Millionen Euro Mehrkosten im Jahr

Auch das Universitätsklinikum Essen, mit 1.300 Betten und über 8.500 Mitarbeitern eines der größten Häuser des Ruhrgebiets, ächzt unter der aktuellen Belastung. "Wir haben eine 365 Tage-24 Stunden-Verfügbarkeit. Wir verbrauchen im Jahr etwa 50.000 Megawattstunden Strom, das entspricht 10.000 Einfamilienhäusern", zeigt Thorsten Schabelon auf. Die krisenbedingten Mehrkosten beziffert der Leiter der Stabsstelle Marketing und Kommunikation aktuell auf etwa zehn Millionen Euro im Jahr. In Sachen Einsparpotenzial sieht auch er nur überschaubare Möglichkeiten: "Wir haben zum Beispiel 130 Nachhaltigkeitsbeauftragte, die ganz viele Maßnahmen eingebracht und umgesetzt haben. Unter vielem anderen haben wir die Temperaturen im Verwaltungsbereich auf 19 Grad gesenkt. Ein Medizingerät, wie ein MRT, kann nicht einfach abgeschaltet werden, da es technisch hoch komplex ist und das Magnetfeld kollabiert, wenn bei der Abschaltung die Kühlung mit Helium aufhört. Da wo es geht, versuchen wir aber natürlich auch Medizingeräte – wenn nicht im Gebrauch – in Standby-Modus zu versetzen.“

Versorgung nur geringfügig eingeschränkt

Die Patientenversorgung ist den Sprechern zufolge durch die Kostensituation nicht gefährdet. Probleme würden in dieser Hinsicht eher die coronabedingten Ausfälle von Personal und der Fachkräftemangel bereiten. Im Evangelischen Krankenhaus Mülheim, sagt Nils Krog, seien "immer wieder mal Bereiche betroffen", hätte zum Beispiel eine Station für eine Woche geschlossen werden müssen oder müssten "in Einzelfällen Behandlungen und Operationen um ein paar Tage verschoben werden". In der Regel spüre "der Patient das aber nicht".

"Wir haben aktuell jeden Tag 60 bis 100 Mitarbeiter in Quarantäne, die fehlen natürlich im Alltagsbetrieb", zeigt Thorsten Schabelon die Situation im Universitätsklinikum auf. Deshalb gäbe es ein "etwas reduziertes OP-Programm", würde nicht Dringendes verschoben.

"Können Einbußen nicht bewältigen"

Einig sind sich Krog und Schabelon auch mit Blick auf das Treffen des Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch, 2. November. Thorsten Schabelon: "Mit Blick auf die steigenden Kosten benötigen Krankenhäuser Unterstützung.“ Nils Krog sieht das Thema zwar "angekommen und erkannt", geht aber noch einen Schritt weiter: "Wir können die Umsatzeinbußen nicht bewältigen. Die Politiker müssen sich fragen was passiert, wenn die ersten Krankenhäuser schließen."

Autor:

Martin Dubois aus Essen-Süd

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