Blaue Flecken im Internat

Dominik - ein Schüler des Eifeler Internats, das nun geschlossen wurde. | Foto: privat
  • Dominik - ein Schüler des Eifeler Internats, das nun geschlossen wurde.
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Als am 12. Juli das Handy bei Janet Müller klingelt, sie die Nummer ihres Sohnes auf dem Display sieht, fängt ihr Herz an zu rasen. Dominik darf nämlich nie wochentags anrufen. Dann hört sie das Unfassbare von Dominik: „Das Internat ist von jetzt auf gleich geschlossen worden…“ Das Landesjugendamt machte das Internat in der Eifel dicht, weil Betreuer im Verdacht stehen, körperliche und psychische Gewalt auf ihre Schützlinge ausgeübt zu haben. Auch der 13-Jährige Frohnhauser wurde dort vermutlich schwer misshandelt…
Wieso kam überhaupt Dominik in das Eifeler Internat? Seine Geschichte beginnt im Kindesalter. Es war hyperaktiv. „Damals hieß es erst, er hat ADHS“, so Janet Müller. Schon bei der Einschulungsuntersuchung wies sie darauf hin, weil sie nicht sicher war, ob die Regelschule für ihn geeignet ist. Doch damals wurden ihre Sorgen nicht richtig wahrgenommen, also kam er zunächst erst in die Grundschule, wurde auffällig, wollte weglaufen, hatte Feuermelder gedrückt…
In der LVR Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie stellte man nach der Untersuchung bei Dominik die Diagnose: atypischer Autismus Richtung Asperger. So kam er wieder auf eine andere Schule, flog raus und so weiter. Fakt ist, dass dem Jungen dadurch drei Jahre Schule fehlen. Mit der LVR Klinik in Hamm wurden zahlreiche Versuche gestartet, um eine geeignete Schule für ihn zu finden.
Der Wendepunkt. September 2009 meldete sich das Jugendamt Essen-West: Wir haben ein Internat mit angeschlossener Schule in der Eifel für Dominik gefunden. „Für unseren Sohn war das die einzige Chance, wieder ins Schulleben zu kommen. Also entschieden wir uns dafür. Bereits beim Kennenlernen sagten die Betreuer, dass sie hier keine Kuschelpädagogik machen, sondern dass es etwas rauer zugeht…“
Die Leidenstour. Normal war, dass Dominik alle 14 Tage, von Freitagmittag bis Sonntag, nach Essen durfte. Nach Wochen „öffnete“ er sich daheim, erzählte, dass Betreuer die Kinder und ihn dort mobben, schlagen, treten, schubsen. Regelmäßig telefonierte, besuchte Janet ihr Kind, erkundigte sich bei der Erziehungsleitung, den Betreuern nach dem Gehörten. Doch immer das gleiche: „Stimmt nicht.“ Dominik ließ nicht locker, sprach von diversen Vorfällen. „Daraufhin ging ich zum Jugendamt Essen-West, bat um Überprüfung“, bestätigt Müller.
Juni 2010. Dominik kam am Wochenende mit einem blauen Auge sowie Abschürfungen am Hals. Wieso? „Dominik fühlte sich im Unterricht überfordert. Er wurde vom Betreuer aus dem Klassenraum in einen leeren Raum gezerrt; und dann fixierte er Dominiks Kopf mit den Händen, haute ihn mehrfach gegen die Wand. Ich sprach mit dem Erziehungsleiter, der wollte das klären. Daraufhin bekam Dominik noch größere Angst, wegen Repressalien, wieder ins Internat zu fahren. Kaum war Dominik im Internat angekommen, schrie der Erziehungsleiter ihn an, dass er sich das nur ausgedacht habe, er soll nicht solche Scheiße erzählen. Spontan informierte ich eine Mitarbeiterin beim Jugendamt Essen-West, über diese Vorfälle. Ihr Kommentar: Wo soll Dominik denn hin, den nimmt ja keine Schule. Dominik hatte ja auch eine Vorgeschichte…
Seitdem erzählte Dominik bei seinen Wochenendaufenthalten immer wieder, dass die Betreuer die Kinder anschreien, handgreiflich nicht nur ihm gegenüber werden. Bei meinen Besuchen wurde immer beteuert, dass sich mein Kind das ausdenkt. Wenn das so weiter geht, würden ihm auch die Wochenendbesuche gestrichen. Ich als besorgte Mutter würde ihm nicht helfen wenn er merkt, dass ich mir auf seine Aussagen hin Sorgen mache. Er müsse sich unbedingt von mir abnabeln. Das würde nur gehen, wenn ich dem ganzen keinerlei Beachtung schenke…Meine Bitte, ein psychiatrisches Gutachten von Dominik zu erstellen, wurde immer wieder weggewischt: Wir sind hier alle geschultes Personal mit Ausbildung. Der braucht keinen Psychiater.“
26. Mai 2011. Dominik hatte einen Disput mit einem Betreuer, weil er etwas nicht wegräumte. „Darauf stieß er meinen Sohn so heftig gegen den Türrahmen, dass er mit der Nase dagegen prallte, zu Boden fiel. Dann stieß er Dominik mit den Beinen ins Zimmer, haute Dominiks Kopf auf den Boden, verschloss die Tür.“ Der 13-Jährige bekam daraufhin Zahnschmerzen, die Nacht und am nächsten Morgen starkes Nasenbluten. In der Schule fiel der Lehrerin auf, dass Dominik ziemlich schlimm aussah. Sie veranlasste, dass er ins Krankenhaus kam. Seine Nase wurde geröntgt. Bis heute klagt er über Schmerzen am Nasenbein und über Kopfschmerzen…
12. Juli 2011. Das Landesjugendamt Köln führt eine nichtangemeldete Überprüfung im Internat durch nach Hinweisen. Sie sprachen mit einzelnen Kindern, beschlossen daraufhin, dem Tobias Corsten Internat sofort die Betriebserlaubnis zu entziehen, zu schließen.
„Eine Mitarbeiterin vom Landesjugendamt in Köln fragte mich am Telefon, ob Dominik nach Hause kann. Denn wir können die Kinder keine Stunde länger hier lassen. Sie wurden vom Personal massiv körperlich misshandelt!“ „Ja! Ja! Ja! Ich bin so froh, dass die Praktikantin (Name bekannt) so mutig war.“
Sofort erstattete Janet Müller bei der Polizei Anzeige wegen Misshandlung Schutzbefohlener durch die Betreuer des Corsten Internates in Hellenthal Reifferscheidt sowie eine Anzeige gegenüber dem Jugendamt Essen-West wegen unterlassener Hilfeleistung.
Der STADTSPIEGEL telefonierte mit dem Jugendamt Essen-West, fragte, warum nichts unternommen wurde, nachdem Janet Müller mit Sohn sie besuchten und schwere Vorwürfe von Misshandlungen im Internat äußerten? „Ich gebe jetzt keine Stellungnahme. Ich bin heute von dieser Geschichte überrannt worden. Erst muss das ganze geklärt werden. Das möchte ich mit Ihnen nicht besprechen.“

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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