Kult-Kartoffel-Kenner jubelt: "60! 40! 100!"

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Wolfgang Dotten treibt es heftig mit seinen in Schale geworfenen Verführerinnen!
An Annabelle, Allians, Belana oder Berber hat der Essener Wolfgang Dotten sein Herz verloren. Täglich streichelt er sie. Nimmt sie in die Hand. Doch wenn andere ein Auge auf seine mal kleinen oder dickeren Lieblinge werfen, nimmt er sie kurzerhand auf die Schüppe. Trennt sich von ihnen. Ab in den Sack! Tja, der „Knollen-Kerl“ Dotten ist mittlerweile Kult-Figur auf dem Frohnhauser Markt. Und wiederum dieser Mega-Markt, größter – ältester von Essen, feiert am 8. September 100-Jähriges…

Wie wird man so verwachsen mit der Kartoffel? Schmunzeln macht sich breit auf dem Drei-Tage-Bart-Gesicht von Wolfgang Dotten. Denn just 2012 steht die Generation „Dotten“ sechs Jahrzehnte auf dem Frohnhauser Markt.

Vor 60 Jahren - 1952. Johannes Dotten und seine Maria zählen zu ihrem Glück die Kinder Leonore, Theo, Wolfgang. Alle quirlig, mit viel Kohldampf im Bauch. Der Vater, Bademeister bei Krupp, ist beliebt. Doch seine Sehbehinderung verschlimmert sich. Was tun? Neue Arbeitsstelle – ohne Führerschein? Not macht erfinderisch. Die Idee schlägt wie der Blitz bei Vater Johannes ein…
Familie Dotten wohnt in der Meppener Straße. Im Blick der Pracht-Markt. Da wimmelt es von Ständen, Händlern, Käufern. Flugs besorgt sich Johannes einen Leiterwagen. Er hat Augen auf Kartoffeln geworfen.

Fortan ziehen der drei-fach Papa mit Frau am Griff samt Bollerwaren zum Großmarkt Güterbahnhof Essen-West. Fünf Zentner Kartoffeln werden ins Gefährt geächzt. Sodann ziehen die Eltern lehmige Knollen – Knirpse im Gespäck - zum Frohnhauser Markt.

Auf dem Platz herrschte buntes Gewimmel. Kleingärtner, Händler, Kunden. „Wir mussten mithelfen. Immer. In den Ferien. Samstags.“ Auch der sechs-jährige Knirps Wolfgang. „Kartoffeln! Zwiebeln!“ priesen die Kinder. „Wir wogen, kassierten. Das kriegten wir schnell beigebracht.“ Eine schwere Kindheit? „I wo, eine wunderbare.“ Pause: „Obwohl wir im Winter oft erbärmlich froren. Wir besaßen nur Halbschuhe. Keine warme Winterkleidung.“

Erbarmen mit dem Vater und dem Leiterwagen zeigte ein Kollege. Er nahm ihn in seinem Auto samt Kartöffelkes mit. Später übernahmen die „Chauffeur“-Position seine beiden Söhne.

Vor 40 Jahren – 1972. Die Schwerstarbeit, das Säcke-Schleppen, hatten die Eltern ausgelaugt. Der gelernte Kaufmann Wolfgang Dotten rückblickend: „Jetzt stand ich allein an unserem Kartoffelstand; machte fortan Markt- und Straßenhandel. Dienstags, donnerstags, samstags Frohnhauser Markt. Mittwochs, freitags tuckerte ich mit meinem 2-Tonner Hanomag Hentschel durch Frohnhausen, Holsterhausen, Haarzopf.“ Die Glocke schrillte: „Kartoffeln“ schrie Dotten. „Pünktlich wie der Wecker. Die Leute konnten sich immer auf mich verlassen. Heute noch! Alle 14 Tage, freitags, wie vor 40 Jahren, fahre ich durch die Straßen. Hole vom Großmarkt Duisburg die Kartoffel-Säcke; früher vom Niederrhein.“

Auch seine Familie wurde mächtiger mit drei Kindern. Sie halfen, wenn sie Zeit hatten, auf dem Markt mit. Auch jetzt noch, wenn Not am Mann ist, sind alle an Bord. Aber den Betrieb wollen sie nicht übernehmen. Winken ab: Der Schlosser, die gelernte Arzthelferin, der Chemiefacharbeiter. 4.30 Uhr Aufstehen, ab 6 Uhr Markt, bei Wind und Wetter, kein Samstag frei, das möchten sie nicht…
Und – die „Nachtschattengewächse“ ziehen an. Erst kam Ursula-Barbara als Kartoffel-Kundin zum Händler Dotten. Dann …Tja, Die Liebe ging durch den Magen. Seit acht Jahren trägt die jetzt 58-Jährige strahlend den Nachnamen Dotten. Eine Koch-Einschränkung musste sie allerdings sofort schlucken: „Nudeln und Reis dürfen bei uns nicht auf den Tisch. Nur Kartoffeln – die halbfeste Belana- in allen Variationen, liebt Wolfgang.“

Besonders im Winter – zuletzt 2012 bei minus 14 Grad, zeigt der 66-Jährige seine Leidenschaft zu der lustvollen Knolle. Die werfen sich zwar immer für ihn und Kunden in Schale; sind aber dünnhäutig. Würden zu süüüß durch Frost. Also legt der Kartoffelverliebte seinen Stand mit warmen Decken aus. Packt die nie roh Rein-Beißer, da giftig, mit wiederum dicken Decken zu. Ja, Kartoffel müsste man sein!

2012 – 100 Jahre Frohnhauser Markt! Ein geschichtsträchtiger Tag: 8. September, Markttag erstmalig bis 16 Uhr! Mit Mega-Markt-Fest. Ein mächtiger Markt-Arbeitskreis hat sich gegründet, Mitmischer Marktobmann Dotten. Mitmachen wollen Verbände, Vereine, Chöre. Da wird getrommelt, gewirbelt, gejubelt, lobpreiset. Abwarten! Kinder stehen im Markt-Mittelpunkt…

Kartoffel kundig…
Beliebteste deutsche Kulturpflanze? Die Kartoffel. 13000 Jahre alt, stammt aus Südamerika. Über zehn Millionen Tonnen werden jährlich in Deutschland geerntet. Jeder isst im Schnitt 50 Kilo pro Jahr. Zu 77 % besteht sie aus Wasser. Plus Stärke, die sie so nahrhaft macht. Reich an Vitamin C, B1, B2. Magnesium, Kalium und Kalzium enthält sie. 100 Gramm Kartoffeln haben 70 Kalorien.

Fotos: Michael Gohl / West Anzeiger Essen

Autor:

Ingrid Schattberg aus Essen-West

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