Vor der Stadtbibliothek gab es in Hattingen eine private Volksbücherei

Schülerpraktikant Vincent Polke aus Sprockhövel von der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule und Auszubildende Pia Fuchs haben viele Unterlagen zur Geschichte einer privaten Volksbücherei in Hattingen ausgewertet Foto: Pielorz
  • Schülerpraktikant Vincent Polke aus Sprockhövel von der Wilhelm-Kraft-Gesamtschule und Auszubildende Pia Fuchs haben viele Unterlagen zur Geschichte einer privaten Volksbücherei in Hattingen ausgewertet Foto: Pielorz
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Das Hattinger Stadtarchiv erhielt von Heimatforscher Harri Petras den Nachlass von Hugo Overbeck, der seinerzeit am Gelinde wohnte und ein Schreibwarengeschäft betrieb. In den Unterlagen befand sich auch ein Schriftstück über eine Anweisung für den Verwalter einer Bibliothek in Hattingen aus dem Jahr 1901. Doch die Hattinger Stadtbibliothek wurde erst 1920 gegründet.

„Da haben wir uns natürlich gefragt, wie das sein kann“, erklären Stadtarchivar Thomas Weiß und Bibliotheksleiter Bernd Jeucken.
Und es traf sich gut, dass die Bibliothek mit Pia Fuchs eine Auszubildende zur Verfügung stellen konnte, die Fach-angestellte für Medien und Informationsdienst, Fachrichtung Bibliothek, werden möchte und die nun eine umfangreiche Recherche-Aufgabe bekam. Ergänzt wurde dies durch Schülerpraktikant Vincent Polke. Was die beiden jungen Leute herausgefunden haben, ist für das Stadtarchiv und die Bibliothek gleichermaßen interessant.
„Schon im November 1900 wurde in Hattingen ein Volksbibliotheksverein gegründet. Den Vorsitz hatte ein Dr. Michels, Verwalter war Hugo Overbeck“, berichtet Pia Fuchs. „Beide Herren sowie die ersten Mitglieder gehörten zum Bildungsbürgertum und hatten selbst viele Bücher. Ziel dieser neuen privaten Bibliothek war es wohl, immer mehr Menschen mit Büchern vertraut zu machen und sie zum Lesen zu ermutigen. Dabei handelte es sich um eine Thekenbibliothek. Das bedeutet, die Menschen konnten nicht einfach in den Raum gehen und in den Büchern stöbern, sondern sie mussten sich in Katalogen ein Buch aussuchen und dies wurde ihnen dann übergeben.“
Ort des Geschehens war das Schreibwarengeschäft von Hugo Overbeck am Gelinde. Overbeck als Verwalter haftete auch für Schäden und musste über die Finanzen Rechenschaft ablegen. 1902 gab es 185 Mitglieder, 730 Bücher und 4200 Ausleihen.
Heute gibt es in der Stadtbibliothek rund 60.000 Medien, die etwa 300.000 mal ausgeliehen werden. Statistisch gesehen wird jedes Medium also fünfmal ausgeliehen – und das war auch schon 1902 so.
Hattingen hatte damals übrigens etwa 10.000 Einwohner.
Und schon zu dieser frühen Zeit waren die Leserwünsche eine Möglichkeit, die Mitgliederzahlen zu erhöhen. Das nämlich probierte man mit Erfolg 1908.
1912 beschloss der Magistratsausschuss den Umzug der Bibliothek in einen Raum im Rathaus. Zum ersten Mal tritt die Stadt in Erscheinung, die auch finanzielle Unterstützung anbietet. Bis dahin wurden neue Bücher in der Regel über Mitgliedsbeiträge und Eintritte von Veranstaltungen angeschafft. Zunächst gab es einmalige Beihilfen, ab 1918 jährliche Unterstützung von 150 Mark. Dafür konnte man damals etwa 150 Bücher anschaffen.
Die Bibliothek war nun als fester Kostenpunkt in den städtischen Haushalt aufgenommen. Offensichtlich auf Wunsch des Volksbibliothek-Vereines begannen Verhandlungen mit der Stadt, die Bibliothek zu übernehmen. Diese wurden am 12. April 1920 zu Ende gebracht und die Stadt war Eigentümer der Bibliothek.
Schon 1925 gab es erste Gespräche über Kosten und Steigerung der Nutzerfreundlichkeit.
1938 zog die Bibliothek um zum Untermarkt und wurde um einen Lesesaal erweitert. Hintergrund war die Propaganda des Nationalsozialismus, die nun auch tagesaktuelle Produkte für die Nutzer bereit hielt. Auch Ahnentafeln von Größen des Nationalsozialismus gab es zum Studieren.
1945 wurden durch Bombentreffer große Teile der Bibliothek zerstört. Neu aufgebaut wurde sie 1946 in der Bahnhofstraße, erst in Hausnummer 20, dann in Nummer 31, dem heutigen Haus der Jugend. 1978 zog sie um an die den Hattingern noch bekannte Adresse der Bredenscheider Straße. Vorläufiger Endpunkt ist der Umzug im Mai 2009 in das Reschop-Carré.
Für Thomas Weiß und Bernd Jeucken hat die Arbeit der jungen Leute viel Neues gebracht.
Die Bedeutung von bürgerschaftlichem Engagement damals und heute (in der Form vom Freundeskreis oder in der Betreuung der Bürgerbüchereien in Welper und Niederwenigern) ist nicht zu unterschätzen.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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