Hattinger wollte in der JVA erschossen werden – Justizvollzugsbeamtin kämpfte um ihr Leben

Der Angeklagte (li.) neben seinem Strafverteidiger, Rechtsanwalt Schulz
4Bilder
  • Der Angeklagte (li.) neben seinem Strafverteidiger, Rechtsanwalt Schulz
  • hochgeladen von Hans-Georg Höffken

Heute begann unter großem Medieninteresse beim Landgericht in Essen der Prozess gegen einen 29 Jahre alten Hattinger, der beschuldigt wird, Anfang Februar 2017 in der JVA Essen eine Justizvollzugsbeamtin vorübergehend in seine Gewalt gebracht und dabei verletzt zu haben. Die zweite große Strafkammer hat für das Verfahren zwei Verhandlungstage angesetzt.

Der Hattinger, der vor Gericht keinen Dolmetscher benötigte, befand sich zum Tatzeitpunkt Anfang Februar 2017 noch in Untersuchungshaft in der JVA Essen. Er war im Jahre 2011 bereits wegen Vergewaltigung zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Während eines mehrtägigen Hafturlaubes, kurz vor seiner Entlassung, vergewaltigte er 2015 eine Bekannte in Welper. Im August 2016 erhielt er dafür neun Jahre Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung. Dieses Urteil wurde erst später rechtskräftig.

Zu Beginn des ersten Verhandlungstages verlas der Hattinger eine persönliche Erklärung, in der er sich bei der betroffenen und bei der Tat verletzten Justizbediensteten entschuldigte und seine Tat bereute. Ansonsten machte er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Zustände in der JVA Essen erstaunen das Gericht
Die 27 Jahre alte Justizvollzugsbeamtin, die gleichzeitig als Nebenklägerin auftrat, schilderte dann den Tathergang. In der JVA war sie am Tattag, Anfang Februar 2017, alleine im Spätdienst auf ihrer Etage tätig und für über 50 Gefangene zuständig. Der Hattinger war im Oktober 2016 von einer JVA-Kommission überprüft und für geeignet befunden worden, als „Hausarbeiter“ mit entsprechenden priviligierten Freiheiten auf der JVA-Etage tätig zu werden.

Den Vorsitzenden Richter Schmitt erstaunte die Entscheidung, den Angeklagten „zu einem JVA-Hausarbeiter zu befördern“ und er fragte mehrmals nach, ob die JVA-Mitarbeiter denn nicht das Strafmaß und die verhängte Sicherungsverwahrung sowie den Grund der Verurteilung des Hattingers gekannt hätten. Die Justizvollzugsbeamtin erklärte daraufhin, dass es vorher nie Probleme mit dem Angeklagten gegeben habe und dieser immer freundlich gewesen sei. Sie habe vor der Tat nicht gewusst, weswegen der Häftling verurteilt wurde.

Hausarbeiter in der JVA unterstützen den Abteilungsdienst, haben entsprechende Freiheiten, üben gewisse Tätigkeiten bei der Zellen- und Wäschepflege für die Gefangenen aus und übernehmen auch deren bedarfsgerechte Versorgung mit Hygieneartikeln und Einmalrasierern.

Junge JVA-Mitarbeiterin abends alleine auf der Etage
Nachdem die JVA-Insassen am Tattag abends in ihre Zellen wieder eingeschlossen waren, meldete der Angeklagte als Hausarbeiter der allein anwesenden Justizbediensteten eine Störung an der Etagen-Waschmaschine und an dem Wäschetrockner.

Als diese dann in dem Hauswirtschaftsraum das Flusensieb des Wäschetrockners gereinigt und die Schläuche der Waschmaschine kontrolliert hatte, drückte der Angeklagte die Beamtin plötzlich an die Wand, hielt ihr den Mund zu, bedrohte sie mit einer in einer Zahnbürste eingebauten Rasierklinge und kündigte an, ihr die Kehle aufzuschlitzen, wenn sie nicht ruhig wäre. Er drückte sie zu Boden und es kam zu einer Rangelei.

Um ihr Leben gekämpft
„Ich habe um mein Leben geschrien und alles gegeben, getreten und geboxt, um aus der Lage herauszukommen“, sagte die Geschädigte immer noch sichtlich bewegt vor der Strafkammer aus.

Als es ihr dann gelang, einen Hilferuf über ihr Funkgerät abzusetzen, wurde Hausalarm in der JVA ausgelöst. Zahlreiche Justizvollzugsbeamte kamen ihrer verletzten Kollegin, die kurze Zeit später zusammenbrach, zu Hilfe. Sie wurde nach einer Erstversorgung in der JVA dann in die Uniklinik Essen transportiert, wo ihre Schnittverletzungen genäht und ihre Abschürfungen behandelt wurden. Drei Wochen lang war sie danach dienstunfähig.

Den eintreffenden Justizvollzugsbeamten soll der Angeklagte, der sich eine Zahnbürste mit Rasierklinge an den Hals hielt, erklärt haben, er habe nichts mehr zu verlieren, man solle das Sondereinsatzkommando rufen, damit er erschossen werde, anders käme er aus „diesem Loch“ nicht mehr raus.

Nach erfolgreich deeskalierenden Gesprächen einiger Justizvollzugsbeamter ließ der Hattinger dann das gegen sich selbst gerichtete gefährliche Werkzeug fallen und ihm konnten Handfesseln angelegt werden. Am nächsten Tag wurde er in eine andere Haftanstalt verlegt.

Am kommenden Montag, 08. Oktober 2018, findet der zweite Verhandlungstag statt. Er soll mit einem Urteil enden. Der STADTSPIEGEL berichtet weiterhin.

Erklärung : Gefährliche Körperverletzung
Für den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung, auch mittels Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, sieht der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor ( § 224 STGB).

Autor:

Hans-Georg Höffken aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

18 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.