Sozialleistungsbetrug – oder doch nicht?

Unter Vorsitz von Richter Giesecke von Bergh wurde am 06.11.2015 ein Strafverfahren gegen eine junge Frau eröffnet. Die Anklage lautete auf Betrug in sieben Fällen (§ 263 StGB)

Der Angeschuldigten wurde durch Staatsanwalt Martin Klose zur Last gelegt, in den Jahren 2011 bis 2013 Leistungen vom Jobcenter Märkischer Kreis durch Verschweigen leistungsrelevanter Angaben erschlichen zu haben. Staatsanwalt Klose zählte in seiner Klageverlesung sieben Bewilligungsbescheide samt Ausfertigungsdatum auf und verband diese mit nicht näher bestimmten Geldsummen, insgesamt mehrere Tausend Euro. Zu der Verhandlung waren sechs Zeugen geladen worden.

Der Verteidiger RA Lars Schulte-Bräucker trug gleich zu Beginn vor, dass er bereits bei der Bestimmung der behaupteten Schadenshöhe erhebliche Bedenken habe. Er teilte dem Gericht mit, dass in der Angelegenheit ein sozialrechtliches Verfahren anhängig sei und stellte Antrag auf Aussetzung dieses Verfahrens.

Er erläuterte, dass die Anschuldigungen auf dem Ausgangsgedanken aufgebaut seien, dass die Angeschuldigte in dem steitgegenständlichen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Erwerbstätigen gelebt habe, und dies dem Amt nicht mitgeteilt hätte.
Rechtsanwalt Schulte-Bräucker hob hervor, dass bisher das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft nicht nachgewiesen wurde und die Angeschuldigte dies auch stets bestritten hatte. Eine „Bedarfsgemeinschaft“ ist ein Fachbegriff aus dem Sozialrecht, dem eine ganz eigene Definition zugrunde liegt.

Als weiteren Einwand trug der Verteidiger vor, dass bei der Aktendurchsicht auffällig geworden sei, dass die Stadt Iserlohn hier eigene Ermittlungen betrieben habe, obwohl der Vorwurf nicht auf „Schwarzarbeit“ aufgebaut sei. Zuständig wäre wohl die Ordnungswidrigkeiten-Abteilung des Jobcenter Märkischer Kreis.

Richter Giesecke von Bergh räumte ein, dass Ihm die gravierenden Abweichungen der Auszahlungsbeträge auch auffällig gewesen seien. Erfrischend ehrlich gestand er ein: „Ich werde aus den Zahlen so auch nicht schlau.“

Nach kurzer Rücksprache mit dem Staatsanwalt wurde die Aussetzung des Verfahrens bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund beschlossen.
Die Zeugen wurden entlassen ohne zur Sache auszusagen.

Autor:

Ulrich Wockelmann aus Iserlohn

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