Solidarität in der Krise
Die einsame Corona-Masse

Husch Josten, eine amerikanische Journalistin, schildert in der SZ, wie sie 2011 als Passagier mit einer Propellermaschine in einen Tornado geriet: „Der Lärm eines Tornados ist ohrenbetäubend, lähmend; niemand kann gegen ihn anschreien, es will auch niemand. Paare halten sich an den Händen. Mütter und Väter umklammern ihre Kinder. Alle, ausnahmslos alle in diesem Flugzeug denken zweieinhalb Stunden lang dasselbe: Das ist nicht zu überleben. Diese kleine Maschine wird dem nicht standhalten. … Die Passagiere des Tornado-Flugs wünschten keinem ihrer Mitfliegenden den Tod, aber einmal unversehens in seiner Gefahr, waren sie dankbar, um sich blicken und sehen zu können, dass sie nicht allein, sondern eine Gruppe von zufällig zur falschen Zeit in die falsche Richtung Reisenden waren. Wenn es etwas gibt, das den vergangenen anderthalb Jahren folgen könnte, dann vielleicht dies: Neue Achtung für uns alle - als Gemeinschaft.“

Von dieser Solidarität, liebe Husch Josten, so meine ich, ist außerhalb der Familie recht wenig zu spüren: Man streitet stattdessen über Lockerungen, schimpft über alle ernannten und selbsternannten „Piloten“, diskutiert über Menge und Qualität von Impfstoffen, über die Impf-Reihenfolge, und ganz Kluge über die Versäumnisse der Vergangenheit. Nein, man hat keinen Trost daran, dass andere in der selben Gefahr schweben.
Nun ist das vielleicht schlecht miteinander vergleichbar: Tornado und Corona. In der Pandemie sind die anderen gleichzeitig mögliche Betroffene als auch mögliche Überträger der Gefahr.
Vergleichbar ist aber, dass man mit allen zusammen einer Obrigkeitslenkung vertrauen muss.
Und da treten immer mehr als Individuum mit dem Grundgesetz unter dem Arm auf, andere haben offenbar nur Friseur, Einkaufen und Außengastronomie im Kopf, andere haben angeblich noch nie von Corona gehört.
Ja, liebe Frau Josten, nicht wenige sehen andere Gefährdete als Konkurrenten an, regional, national, international…
Ich bin deshalb skeptisch in Bezug auf einen individuellen Lerneffekt, eine Erkenntnis, eine Lehre, eine Verhaltensänderung nach der Pandemie. Nein, es hat die Gesellschaft nicht zusammengeschweißt. Meine ich.
In Anlehnung an David Riesman könnte man eher von einer einsamen Corona-Masse reden.

Andererseits möchte ich schon etwas Optimismus wagen : Am Ende wird alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, ist es auch noch nicht das Ende.

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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