Rastvogelmonitoring im Life-Projekt Wiesenvögel
Der Prüfende Blick

Konzentrierter Blick in die Ferne

Der Wind fegt über den Rheindeich. Womöglich hat er auch noch Regen im Gepäck. Mitten drin steht ein Mensch und versucht, Fernglas und Teleskop so trocken und still zu halten, dass erkennbar ist, ob der fünfhundert Meter entfernte braune Knubbel im Rheinvorland einen Schnabel hat oder nicht.

So etwas ist demnächst zwischen Rees und Rheinberg häufiger zu sehen. Das Teleskop heißt auf Fachlatein „Spektiv“ und der Mensch ist womöglich eine/r der OrnithologInnen der Biologischen Station im Kreis Wesel. Zwar zählt diese seit langem von Oktober bis März die Wasservögel im Rheinvorland (und z.T. auch abseits davon), doch durch das Ende 2020 begonnene Projekt „Life-Wiesenvögel NRW“ ist noch ein ganzer Batzen weiterer Zählungen hinzugekommen.

Im Schnitt zweimal im Monat von Februar bis Mai und von August bis September werden die Enten und Watvögel in einem Großteil des Rheinvorlandes untersucht. Warum das ganze? Was hat der Naturschutz davon?

Nun, wer eine Naturschutzmaßnahme umsetzt oder fördert, möchte wissen, was sie bringt. Und die Biologische Station im Kreis Wesel setzt im Rahmen des Projektes „Life-Wiesenvögel NRW“ Maßnahmen in insgesamt sechs Naturschutzgebieten in der Rheinaue um. Ziel ist dabei, die Bestände der Wat- und Wiesenvögel zu stabilisieren. Wat- und Wiesenvögel – dazu gehört nicht nur der häufig erwähnte Kiebitz, sondern auch die Uferschnepfe und der Rotschenkel, sowie weniger bekannte Arten wie Knäkente und Löffelente.

All diese Arten brüten im Kreis Wesel und sie alle sind bedroht und der Rhein ist dort ihr großer Verbreitungsschwerpunkt. Innerhalb des Life-Projektes schafft und verbessert die Biologische Station entlang des Flusses Lebensgrundlagen für diese Arten. Auch Watvögel, die hier gar nicht brüten, wie etwa der Bruchwasserläufer oder der Kampfläufer, sollen davon profitieren. Diese Vögel besuchen und kurzzeitig auf dem Zug zwischen Brut- und Überwinterungsgebiet und benötigen dabei Rastlebensräume, um sich auf der beschwerlichen Reise zu stärken. Teilweise gehören Arten in beide Kategorien. Alle Brutvogelzielarten sind bei uns zusätzlich auch Durchzügler, einige (z.B. die Löffelente) auch Wintergäste.

Land und Europäische Union, die das Projekt fördern, möchten über seine Wirkung Bescheid wissen und erwarten daher im Rahmen des Projektes ein sogenanntes „Monitoring“: Erfassung der Wiesen- und Watvogelbestände vor und nach den Maßnahmen. Anhand des Vergleichs sollen die Maßnahmen bewertet werden. Gretchenfrage: Hat die feuchte Senke im Grünland dem Kiebitz jetzt geholfen oder nicht?

So einige ornithologische Leckerbissen hat das Monitoring auch schon gezeitigt. Im vergangenen Herbst wurden beispielsweise an einem Tag im Rheinvorland bei Wallach mehrere Knutts und Sanderlinge und sogar ein Steinwälzer festgestellt – allesamt Küstenvögel, die nur selten im Binnenland auftauchen und dann meist nur wenige Tage verweilen. Das wird sicher die Ausnahme bleiben, doch die Hoffnung ist, dass zumindest Kiebitz, Bruchwasserläufer und Löffelente gegen 2027 häufiger zu sehen sind als jetzt. Dann hat sich das geduldige Frieren und Zittern auf dem Deich gelohnt.

Das Life-Projekt Wiesenvögel NRW wird vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) geleitet und gemeinsam mit insgesamt zehn Biostationen durchgeführt. Diese sind in NRW für die Betreuung der Naturschutzgebiete und somit auch die Vogelschutzgebiete zuständig. Ein weiterer Partner ist die niederländische vogelkundliche Organisation SOVON. Finanziert wird das LIFE-Projekt durch die Europäische Union und das Land NRW.

Autor:

Biologische Station im Kreis Wesel (Thomas Traill) aus Wesel

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