Eine schöne Tradition - Wochenmarkt in Bochum
So war es damals / Erinnerungen an den Wochenmarkt

Die Bochumer Marketing informiert. Auch außerhalb der Markttage sollen Marktplätze in Bochum zukünftig ein belebter Ort sein.

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Ich blicke derweil zurück und werfe einen Blick in die Vergangenheit, als der Wochenmarkt in Bochum-Gerthe sehr belebt und ebenso beliebt war.

Wochenmarktbegeistert

Nahezu an Kult grenzte der Samstagseinkauf auf dem Wochenmarkt. Es verging fürwahr kein Wochenende, wo ich nicht hätte meine Eltern zum Einkaufen begleiten müssen. Gleich nach dem gepflegten Frühstück setzten wir uns, zu Fuß natürlich, Richtung Marktplatz in Bewegung. Meine Schwester hielt sich freiwillig fürs Aufräumen der Küche zuständig, während ich brav an Mutters Seite ihre Hand hielt, sie den Einkaufskorb und Vater die große braune Einkauftasche. Innerlich jubelte ich vor Begeisterung, was ich mir aber auf keinen Fall anmerken lassen wollte. Welch ein Segen, wenn Vater den Rückweg über Gasthaus Borgmann einschlug, wodurch mir zwei Eisbällchen oder ein Dunkelbier sicher waren. Beim Eintritt der Gaststätte stellte sich auch für Haushündin Lassie Freude ein. Schwanzwedelnd begleitete sie uns stracks zu meinem Lieblingsplatz am Aquarium, treuherzig in der Hoffnung vom Erdbeereis schlecken zu dürfen. Und wie sie durfte, zum Schrecken meiner Mutter vom gleichen Löffel.
Der Markt hielt jede Woche, so empfand ich es jedenfalls als Kind, eine Überraschung bereit. Infolgedessen kam ich aus dem Staunen nicht heraus, welch Vielfalt an essbare Pilze der deutsche Wald zu bieten hatte. In einer Papiertüte, bestimmt nicht grammgenau auf der schon leicht rostigen, betont klapprigen Waage abgewogen, wurde mir die Ehre zuteil, sie nach Hause tragen zu dürfen. Ihr würzig kräftiger Duft ist mir noch genauso in Erinnerung, wie der köstliche Geschmack von Schillerlocken. Durch Zugabe eines solchen Leckerbissens, zeigte sich die Fischfrau stets freundlich beim Verkauf von angepriesenem fangfrischem Fisch. Bücklinge, Spuck-Sprotten, wie ich sie nannte, Stinte und Miesmuscheln standen ebenso saisonbedingt wie die Misch-Pilze auf Mutters Einkaufszettel. Damit hatte Vater die Wahl, sich zwischen Muscheln oder Kochfisch zu entscheiden, die ihm Mutter am Abend nach Großmutters Rezept zubereitete. Wie er jenes kleine wabbelige Stückchen Muschelfleisch aus der Schale schlürfte fand ich dermaßen interessant, dass es den Anschein erwecken musste, ihm das Essen aus dem Mund zu schauen. Dabei wäre es mir nicht einmal annähend in den Sinn gekommen davon zu kosten. Hinter den Fiesmuscheln verbarg sich gleichermaßen Kümmerliches, wie bei den von mir verachteten Stinkfischen. Nach Ostpreußer Art gekocht, aalte sich Vater förmlich in Stinte und meines Erachtens auch in dem zum Himmel aufsteigenden Gestank vom Kochsud.
Angenehme Gerüche schickte „Ligensa“ mit seiner echten Krakauer und den geräucherten Mettwürsten geschäftstüchtig über den Markplatz. Ausgekocht wagte sich so mancher Wurstring fürs Grünkohl- oder Sauerkrautgericht neben anderen Schlesischen Spezialitäten ein Loch in die Haushaltskasse zu reißen. Für Mutter nur ein Rechenexempel, mit frischer Suppe die Zahlen im Haushaltsbuch wieder ins rechte Licht oder auf die Rechte Seite zu rücken. Mit frischem Suppengrün verfeinerte sie das Viertel vom Huhn, wovon wir uns zwei Tage nacheinander überzeugen durften.
Beim Holländer griff Vater in die Börse, gelegentlich. Ein bunter Strauß, wenn auch nur ein kleiner und ohne Nelken, überreichte er ihr noch am Blumenstand. Gerührt über die anbandelnde Zuwendung leistete sie sich zur Feier des Tages, vielleicht aber auch des bevorstehenden Abends ein Paar Nylons. Am Stand der Strumpffrau legte sie sich auf Nahtstrümpfe fest, passend zu ihrem blau-weiß gepunktetem Sonntagskleid. Natürlich nur für den Notfall, falls am Abend doch noch die Veranstaltung im „Weißen Haus“ besucht werden konnte.
Um die Mittagszeit, nachdem sich auch der cleverste Marktschreier beruhigt hatte, gehörte der Platz uns Kindern. Praktisch in Ablösung an das Gebrülle sorgten etliche Eisenräder von Rollschuhen für erhebliche Ruhestörung. Ganz klar, dass wir besonders von den älteren Anwohnern wegen unzumutbarer Lärmbelästigung ausgeschimpft wurden. Weshalb sie uns aber im Zusammenhang mit der Lautstärke Geistervertreibung vorwarfen, wollte mir nicht so richtig einleuchten. Als recht ängstliches Kind, spukte mir tagelang die Bedeutung der Aussage durch den Kopf.

Möglicherweise beruhte diese unter Berücksichtigung der im Jahre 1895 erbauten Katholischen Kirche, die seinerzeit bis zum Abriss nach dem Zweiten Weltkrieg genau da stand, wo sich der Gerther Markplatz befindet. Und wer weiß, vielleicht wollten sie einfach nur die letzten umhergeisternden Erinnerungen schützen.
(c) Hildegard Grygierek

Autor:

Hildegard Grygierek aus Bochum

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