Scharfe Kritik aus der Kulturszene am Voting des neuen Sponsoringkonzeptes der Stadtwerke

Was hinter der Fassade der Stadtwerke erdacht wurde, stößt in der Kulturszene auf harte Kritik. | Foto: Stadtwerke
  • Was hinter der Fassade der Stadtwerke erdacht wurde, stößt in der Kulturszene auf harte Kritik.
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Die Reaktionen aus der Bochumer Kulturszene zum neu aufgestellten Sponsoring der Stadtwerke Bochum fällt sehr heftig aus. Nach der Affäre rund um den Atrium-Talk und dem Steiger-Award haben Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Stadtwerke Bochum das Sponsoring neu organisiert und die Bochumerinnen und Bochumer aufgefordert, online über die eingereichten Bewerbungen zu entscheiden. Doch mit dem Ergebnis sind viele Kulturschaffende in Bochum nicht zufrieden. Sie stellen fest: „Eine lebendige Kulturszene ist überlebensnotwendig für die Entwicklung einer wirtschaftlich gebeutelten Stadt, einer ganzen Region. Kultur ist auch ein knallharter Wirtschafts- und Standortfaktor.“

„Das erste Voting des neuen Sponsoringkonzeptes der Stadtwerke Bochum ist vorbei - und endete in einem kulturpolitischen Fiasko. Es hat sich gezeigt, dass eine populistische Abstimmung kein Instrument einer gezielten Förderung der Bochumer Kunst- und Kulturszene sein kann“, so das Fazit aus Sicht der Unterzeichner, zu denen auch Frank Goosen, Oli Hilbring, der Kulturbahnhof Langendreer, das prinz regent theater, Ben Redelings und auch die ROTTSTR5 galerie / ROTTSTR5 H.O.F.gehören.

„Wegen ihrer über Jahre schwierigen Haushaltslage hat die Stadt die Kulturinstitutionen immer wieder an ihre Tochtergesellschaften Sparkasse und Stadtwerke verwiesen, da ihr selbst weitgehend die Hände gebunden seien. Nachdem im Zuge der Affäre um den Medienunternehmer Hellen die Praxis der Verschwendung öffentlicher Gelder zu Recht kritisch überprüft wurde, zogen die Stadtwerke, die über Jahrzehnte in lobenswerter Weise Projekte in den Bereichen Kultur, Bildung, Soziales und Sport gefördert haben, eine Internet-Abstimmung aus dem Hut, die mit der vorgenannten Affäre angeblich nichts zu tun haben sollte. Das aber ist ein Etikettenschwindel. Bei diesem Voting geht es vor allem um die größtmögliche Demutsgeste gegenüber der Öffentlichkeit. Langjährig geförderte Institutionen, mit deren überregionalen Erfolgen sich die Stadtoberen gern schmücken, fallen dabei plötzlich durchs Raster“, so die Unterzeichner der Stellungnahme.

„Abgesehen davon, dass eine Internetabstimmung über Kultur prinzipiell abzulehnen ist, krankte das Verfahren auch noch an einer fehlerhaften Umsetzung. Da wurden Anträge falschen Kategorien zugeordnet, es zeigte sich, dass ein solches Voting immer technisch manipulierbar ist und am Ende brach auch noch der Stadtwerke-Server zusammen“, so der Vorwurf. Und die Aktiven der Bochumer Kulturszene fragen: „Jeder, der sich daran beteiligt hat, muss sich fragen: Möchte ich wirklich, dass öffentliche Gelder auf diese Art verteilt werden? Sollen sich die Bürger dieser Stadt tatsächlich halbjährlich mit ihren förderungswürdigen Ideen in allen Bereichen des städtischen Lebens einem unwürdigen Rattenrennen aussetzen? Akzeptieren wir alle einfach so das faktische Ende von Politik zu Gunsten scheindemokratischer Abstimmungs-Events, weil sich die eigentlich Verantwortlichen aus der Verantwortung stehlen?“

„Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Stadtwerke einem Dialog mit den Kulturschaffenden nicht aus dem Weg gehen. Einem Gespräch vor dem Start des Votings wird nun eines folgen, welches das Ergebnis und seine Folgen behandeln wird. Diese Gesprächsbereitschaft begrüßen wir ausdrücklich“, sind sich die Unterzeichner einig.

„Anders sieht es bei der Stadt Bochum aus“, so die Vorhaltung. „Bisher hat sich niemand aus Politik oder Verwaltung zu diesem Voting verhalten. Der Kulturdezernent verweigert ein Gespräch mit der Freien Szene mit der Begründung, sich in Angelegenheiten eines städtischen Tochterunternehmens nicht einmischen zu dürfen. Es wäre aber sein Job, als Sachwalter der Kultur, als Vermittler zwischen Kunstszene, Politik und Verwaltung zu agieren. Dieser Aufgabe kommt er nicht nach. Das ist enttäuschend und ärgerlich. Wohl aber hat er angekündigt, „auf entstehende Notlagen“ zu reagieren. Es ist nun an ihm, konkret zu sagen, wie das aussehen soll.“

„Nicht zuletzt im Hinblick auf die Kommunalwahlen im kommenden Jahr fordern wir die Stadt Bochum auf, darzustellen, wie sie sich die Förderung der Bochumer Kultur abseits von Schauspielhaus und Symphoniker in Zukunft vorstellt. Wir wünschen uns ein kulturpolitisches Konzept, das die handelnden Personen mit ins Boot nimmt. Wir fordern Dialog und Transparenz“, so die Unterzeichner. „Transparenz natürlich auch, was die Verteilung von Fördergeldern durch die Stadtwerke angeht. Die Freie Szene in Bochum hat kein Problem damit, ihre Projektanträge von einer Fachjury beurteilen und die Ergebnisse in einem Rechenschaftsbericht veröffentlichen zu lassen. Diesen Vorschlag werden wir in dem Mitte November terminierten Auswertungsgespräch mit den Stadtwerken erneut einbringen.“

Eine lebendige Kulturszene ist überlebensnotwendig für die Entwicklung einer wirtschaftlich gebeutelten Stadt, einer ganzen Region. Kultur ist auch ein knallharter Wirtschafts- und Standortfaktor.

Die Unterzeichner

Atelier 2neun2
blicke, Filmfestival des Ruhrgebietes
Bochumer Kulturrat
Festival Figurentheater der Nationen (Fidena)
Figurentheaterkolleg
Freies Kunst Territorium
Frank Goosen
Oli Hilbring
Kinder- und Jugendtheater Traumbaum - KiJuKuMa
Kulturbahnhof Langendreer
Macondo Literaturfestival
Ostwest, Verein für kulturellen Transfer
prinz regent theater
Ben Redelings
ROTTSTR5 galerie / ROTTSTR5 H.O.F.
Silvia Szlapka
Sundown Gallery
Theater Wilde Hummel
Theater Zeitmaul
Thomas Zehnter

Autor:

Ernst-Ulrich Roth aus Bochum

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