"Bomben auf Duisburg" - Harald Molder von der Zeitzeugenbörse im Interview über Krieg, Bomben und Blindgänger

Damals und heute: Harald Molder und sein neues Buch. An dieser Stelle muss auch das Foto vom Titelcover zu Kriegsende entstanden sein. Foto: Kirchner
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Wie erfuhren Sie von dem Bombenfund am Dienstag, dem 27. November?

Es war wie Realsatire: Ich war gerade im Rathaus, um das neue Buch der Zeitzeugenbörse „Bomben auf Duis­burg“ vorzustellen, da kam ein Rathausmitarbeiter hinzu und sagte: ,Wir müssen das Rathaus räumen. Es wurde eine Bombe gefunden.‘ Dann bekam das Gespräch eine ganz eigene Qualität.

Wie entwickelte sich der Tag dann weiter?

Danach bin ich sofort vor Ort gewesen und habe noch Fotos gemacht. Da wurde ich gewarnt: ,Sind Sie verrückt? Die Bombe ist schon scharf.‘ Danach haben wir uns erstmal 400 Meter entfernt. Bis zur Sprengung um 22.18 Uhr hat mich das Thema dann nicht mehr losgelassen.

Was zeichnete den Blindgänger aus?

Eine Splitterbombe! Extrem gefährlich. Wenn die los geht, fliegen die Splitter einen Kilometer weit und gehen auch durch Beton. Der Druck war unter allen Beteiligten irgendwie auch zu spüren. Es war anders als sonst. Keiner wusste, wann die Bombe hochgeht, weil der Zünder schon aktiv war.

Duisburg und seine Bomben. Warum ist diese Stadt so gebeutelt?

Das ist ein Thema, das uns in 20 Jahren noch beschäftigen wird. Es sind ja Unmengen Bomben abgeworfen worden, weil Duisburg als Tor zum Ruhrgebiet mit Industrie und Hafen als strategisch wichtiges Angriffsziel interessant war. 2010 wurden auf einer Baustelle in Neudorf gleich vier gefunden. Das zeigt eigentlich noch deutlicher, wie groß das Problem ist.

Immerhin hatten wir noch Glück im Unglück, oder?

Ja, in den letzten Jahren ist ja noch alles gut gegangen bei den Entschärfungen. Außerdem lagen die Blindgänger weit außerhalb. Kaum auszudenken, wenn eine solche Bombe mit Säurezünder unter dem Sonnenwall gefunden würde, dann wäre das Risiko schon größer.

Wie werden solche Bomben denn entdeckt? Wenn der Bagger draufstößt, kann es doch schon zu spät sein?

Dabei helfen Luftbildauswertungen – eine wichtige Angelegenheit. Zunächst bekommt der Kampfmittelräumdienst die Luftaufnahmen von den Bombenangriffen und prüft, ob Verdachtsmomente bestehen. Dann wird sondiert und erst dann erfolgt quasi die Freigabe eines Bauvorhabens.

Wurde denn jeder Bombenabwurf fotografiert?

Das ist eben der Unsicherheitsfaktor, der ins Spiel kommt. Vor allem, wenn ganze Bombenteppiche gelegt worden sind, da weiß man nicht genau, ob nicht doch noch ein Blindgänger darunter war. Der Blindgänger vom Dienstag war ein solcher Fall. Die Bombe war wohl vorher nicht entdeckt worden.

Gibt es ungefähre Zahlenangaben zum Bombardement, das auf Duisburg niederprasselte?

In fünf Jahren Luftkrieg gab es eine ganz heftige Nacht, vom 14. auf den 15. Oktober 1944. In der Nacht gingen in 18 Stunden zwischen 9 000 und 10 000 Tonnen Sprengstoff auf Duisburg nieder, etwa 250 000 Brandbomben, mehrere tausend Sprengbomben und mehrere hundert Luftminen sind abgeworfen worden. Aufgrund dieser Menge ist wohl noch einiges an Funden zu erwarten. Im gesamten Kriegsverlauf war die Zahl der Brandbomben sicherlich siebenstellig. Vermutlich lag die der Sprengbomben bei circa 20 000 bis 25 000 und gut 300 bis 500 Luftminen – nach Auswertung der Ladelisten im britischen National Archiv, früher Public Record Office!

Welche Bereiche Duisburgs sind da besonders betroffen?

Vermutlich im Bereich nördlich der Stadtmitte. Der Hafen, Ruhrort, ein bisschen Hochfeld. Der Industriehafen war besonders interessant. Am meisten sind die industrienahen Stadtteile betroffen. Die Abwürfe erfolgten allerdings aus 5 000 bis 6 000 Meter Höhe auf eine dunkle Stadt. Da kann man dieses auch nicht präzise festlegen!


Die offizielle Vorstellung des Buchs „Bomben auf Duis­burg“ erfolgt im Januar. Der Termin wird noch bekannt gegeben. Für 18,95 Euro ist es im Buchhandel erhältlich.

Mehr zur Bombensprengung hier.

Autor:

Harald Landgraf aus Dinslaken

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