Kolumne „Blick ins Leben“ von Heidi Prochaska

Überwindung pur!


Die zierliche Frau schaut mich mit weitaufgerissenen Augen an. „Was wollen Sie von mir?“ Ihr bleibt fast die Stimme weg. „Ich möchte, dass Sie verbal eine Grenze setzen und mich anschreien – und zwar jetzt.“ Ich schaue sie ernst und auffordernd an. „Ich habe noch nie jemanden angeschrien“, entgegnet sie mir, „ich mache das auch nicht in diesem Sicherheits- und Deeskalationstraining. Das kann ich nicht und will ich nicht.“ „Haben sie Kinder?“, frage ich unvermittelt. Die anderen Seminarteilnehmer grinsen. „Ja, ein Kind. Sie glauben ja wohl nicht im Ernst, dass ich mein Kind anschreie!“ Wenn Blicke töten könnten, würde ich jetzt blutend auf dem grauen Linoleumboden liegen.

Ich spüre ihre Aggressivität und das innere Wehren, gegen etwas, was sie noch nie gemacht hat. Wir stehen uns Augen in Auge gegenüber. Ich nehme den Druck raus und sage, dass ich ihre Entscheidung akzeptiere. Ich gehe auf jeden meiner anderen Seminarteilnehmer zu und beschimpfe sie lauthals. Als Reaktion möchte ich, dass sie mich stoppen. Mit einer entsprechenden Handbewegung und dem geschrienen Wort STOPP. So laut, dass die Wände wackeln.

Die Teilnehmer sind angespannt. Schreien auf Kommando ist gar nicht so einfach. Fast jeder braucht zwei bis drei Versuche, bis die Stimme laut genug ist und auch die Ernsthaftigkeit stimmt. Zum Schluss frage ich die Dame noch einmal, ob sie das Stopp-Schreien vielleicht doch ausprobieren möchte? Eine freundliche Hartnäckigkeit gehört zum Geschäft. Der innere Kampf gegen Dinge, die sie ablehnt, die sie nicht gut findet, und die sie noch nie gemacht hat ist hart. Der Glaubenssatz ‚das tut man nicht‘ festverankert. Sie funkelt mich an und zischt: „Na los, kommen sie schon.“

In ihrem Schrei entlädt sich die ganze Anspannung. Ihre Stopp-Hand berührt fast mein Gesicht. Erst in der letzten Sekunde hat sie reagiert. Sie zittert leicht und ist froh, als sie wieder sicher auf ihrem Stuhl sitzt. Am Ende des Seminars schaut sie mich lange an. „Manche Übungen können ganz schön anstrengend sein, nicht wahr“, sage ich in einem ruhigen, neutralen Tonfall. Sie nickt. Ein ganz kleines bisschen lächelt sie. Ihr Gang ist aufrecht, als sie die Tür des Seminarraumes hinter sich schließt.

Wer mehr wissen möchte zum Thema Sicherheit kann mich gerne kontaktieren. Infos zu meinem Sicherheits- und Deeskalationstraining finden Sie hier:
http://www.aendere-dich.de/sicherheit/seminar-sicherheits-und-deeskalationstraining/

Autor:

Heidi Prochaska aus Essen-Borbeck

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