SPD-Basis in Altenessen: "Ja" mit Bauchweh

Dirk Heidenblut warb in Altenessen um Last-Minute-Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Foto: Privat
  • Dirk Heidenblut warb in Altenessen um Last-Minute-Zustimmung zum Koalitionsvertrag. Foto: Privat
  • hochgeladen von Patrick Torma

Finden CDU und SPD in der Regierungsbildung zusammen? Der Koalitionsvertrag ist ausgearbeitet - jetzt kommt‘s auf die Basis an: Die Sozialdemokraten lassen ihre Mitglieder entscheiden. Am Wochenende warb Dirk Heidenblut um die Zustimmung der Genossen in Altenessen.

Der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Essen Nord/Ost hatte sich vorab im Berliner Willy-Brandt-Haus umgehört: 250.000 der rund 475.000 SPD-Mitglieder haben ihr Votum schon abgegeben. Donnerstag ist Stichtag. Ob‘s am nahenden Toresschluss lag, dass die sonntägliche Veranstaltung des größten Essener Ortsvereins nur knapp 25 Interessierte – darunter einige Mitglieder aus dem benachbarten Karnap – ins Restaurant Hahnenkorb lockte?

Dem Altenessener Ortsvereinvorsitzenden Theo Jansen war die Enttäuschung über die maue Teilnahme anzumerken. Dirk Heidenblut hingegen freute sich am gleichen Tag noch via Facebook über die „engagierte Debatte zum Koalitionsvertrag – mit sehr viel Zustimmung.“ Der Eindruck des Neu-Abgeordneten täuschte nicht: Letztendlich bekannten sich viele Mitglieder zu einem „Ja“. Wenn auch oft unter Bauchschmerzen.

Denn der Inhalt des Koalitionspapiers bekommt nicht jedem Genossen. Ob Mindestlohn, abschlagsfreie Rente ab 63 oder Mütterrente: Die sozialdemokratische Färbung des Vertragswerks nehmen die Diskutanten grundsätzlich zur Kenntnis. „Man muss sich vor Augen halten, wie viele Menschen uns gewählt haben“, argumentiert Jung-Bezirksvertreter Martin Schlauch beispielsweise.

Auf der anderen Seite habe die SPD „schlimme Kröten schlucken“ müssen. „Vieles wird am Finanzministerium scheitern“, befürchtet Ratsherr Karlheinz Endruschat. Dirk Heidenblut gibt zu, dass er um seine eigene Zustimmung gerungen habe. Der Mindestlohn („ein echtes Pfund“) und die ohne Finanzierungsvorbehalte zugesicherten Milliarden für Kommunen, Schulen und Kitas haben den sozialpolitischen Experten überzeugt: „Wir schaffen mit diesem Vertrag zwar nicht das gerechte Deutschland. Aber ein gerechteres!“

Die Losung ist schnell ausgegeben: Die SPD tut gut daran, in der Regierung mitzuwirken als weitere vier Jahre tatenlos zuzusehen. „Was sind die Alternativen?“, fragt Heindenblut. Und schiebt die Antworten gleich nach: Seiner Einschätzung nach sei weder die Zeit für Schwarz-Grün noch für Rot-Rot-Grün angebrochen. Auch eine schwarze Minderheitsregierung hält der Holsterhausener für unwahrscheinlich. „Merkel sagt, sie macht es nicht.“ Bliebe das Szenario „Neuwahlen im Februar“. „Sechs Wochen Zeit, um die SPD neu aufzustellen. Nur, um am Ende wieder über eine große Koalition zu verhandeln. Das kann nicht gutgehen“, glaubt Dirk Heidenblut. Und hat damit einen Punkt.
Denn Koalitionsskeptiker Karlheinz Endruschat hatte kurz zuvor noch die Sorglosigkeit der SPD-Führung angeprangert – und eigentlich Argumente für ein „Nein“ zum Vertrag geliefert: „Es gab keine Aufarbeitung der Wahl. Nun gehen wir unverändert in die nächsten Auseinandersetzungen“.

„Da muss ich zwangsläufig mit ‚Ja‘ stimmen“, gibt Bezirksbürgermeister Hans-Willi Zwiehoff leicht zerknirscht zu Protokoll. Redner wie der ehemalige Landtagsabgeordnete Gerd-Peter Wolf sehen hingegen in der Regierungsbeteiligung die Chance, das zuletzt konturlose Profil der Partei neu zu schärfen.

So endet die knapp zweistündige Runde in einer Stimmungslage, die zwischen Ausweglosigkeit und Aufbruch anzusiedeln ist. Bloß nicht Schiffbruch erleiden wie der bisherige Juniorpartner FDP. Wenn die Sozialdemokraten mitmachen, dann aber richtig.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.