Dr. Stephan Tschirdewahn, Universitätsklinikum Essen, im Interview
Über ein dringendes Bedürfnis

Dr. Stephan Tschirdewahn, Leitender Oberarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Uroonkologie am Universitätsklinikum Essen. | Foto: Universitätsmedizin Essen
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Jeder vierte Mann in Deutschland über 50 Jahre hat teils große Probleme beim Wasserlassen. Zum Thema Prostatavergrößerung sprachen der Stadtspiegel Essen und seine Nachrichten-Community Lokalkompass.de mit Dr. Stephan Tschirdewahn, Leitender Oberarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Uroonkologie am Universitätsklinikum Essen.

Wie weit verbreitet ist die Prostatavergrößerung bei Männern?
Jeder vierte Mann in Deutschland über 50 Jahre hat wegen seiner vergrößerten Prostata teils große Probleme beim Wasserlassen. Sie entstehen meistens schleichend über Jahre hinweg. Aber nicht alle Patienten müssen behandelt werden.

Welche Symptome deuten auf eine Prostatavergrößerung hin?
Ein typisches erstes Anzeichen für eine vergrößerte Prostata ist der häufige Harndrang. Dieser kann so stark werden, dass die Betroffenen ihn nur noch kurz aushalten können. Oder der Harnstrahl schwächt sich so ab, dass mehr Zeit benötigt wird, um die Blase zu entleeren. Es entstehen Schlafstörungen und der Tagesablauf wird teilweise nach der Erreichbarkeit einer Toilette ausgelegt. Mit der Zeit wird der Harnstrahl zunehmend schwächer und die Blase kann nicht mehr vollständig entleert werden. Es entsteht Restharn in der Blase, welcher sich bis in die Nieren aufstauen und zum Nierenversagen führen kann.

Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die gutartig vergrößerte Prostata beschreibt lediglich die Vermehrung der Prostatazellen. Die hierdurch entstehenden Symptome werden von den Ärzten als „Benignes Prostatasyndrom“ zusammengefasst. Ursache ist der sich im Alter verändernde Hormonhaushalt, insbesondere der Androgene und Östrogene. Die auch Vorsteherdrüse genannte Geschlechtsdrüse, die einen Teil des Spermas produziert, reagiert auf den veränderten Hormonstoffwechsel und fängt an zu wachsen.
Erst wenn es dadurch zu Einschränkungen der Lebensqualität kommt, gehen die meisten Männer zum Arzt. Manche entwickeln bereits bei leichtgradiger Prostatavergrößerung enorme Beschwerden. Demgegenüber gibt es Männer, die bei einer Prostata so groß wie eine Orange keinerlei Symptome zeigen. Insgesamt zählt das benigne Prostatasyndrom zu einer normalen Veränderung, welche in vielen Fällen auch im hohen Alter keiner Therapie bedarf. Wird die Lebensqualität nur wenig beeinträchtigt, empfehlen wir am Universitätsklinikum Essen zunächst das weitere Beobachten.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Schon einige Alltagstipps helfen oftmals weiter: So sollten Betroffene die Trinkmenge über den gesamten Tag und nicht auf die Abendstunden verteilen, um nächtlichem Harndrang vorzubeugen. Beim Wasserlassen genügend Zeit lassen, damit die Blase vollständig entleert wird. Hilfreich sind auch Bewegung, Entspannungsübungen und eine gesunde Lebensführung.
Es stehen eine Reihe an Medikamenten zur Verfügung, die den Harnstrahl verbessern oder den Harndrang verringern sollen. Ein operativer Eingriff kann notwendig werden, wenn Medikamente alleine nicht ausreichen. In Deutschland werden jährlich rund 75.000 Operationen - in der Regel durch die Harnröhre - vorgenommen, um die Prostata zu verkleinern. Insbesondere bei der Einnahme mehrerer blutverdünnender Medikamente und dem damit verbundenen Risiko für Nachblutungen empfehlen wir am Universitätsklinikum Essen die Anwendung der Prostata-Arterien-Embolisation (PAE). Dabei verschließt ein Radiologe über die Leiste mit kleinen Körnchen die Blutversorgung der Prostata, Durch die so verminderte Blutzufuhr schrumpft diese schon nach kurzer Zeit. Hierdurch wird die Harnröhre entlastet und der Harnstrahl schon nach wenigen Wochen verbessert.

Wir groß ist die Gefahr für die betroffenen Männer, an Prostata-Krebs zu erkranken?
Hinter dem komplexen Beschwerdebild verbirgt sich nur sehr selten ein Prostatakarzinom. Ab dem 45. Lebensjahr ist eine Prostatakrebs-Früherkennungsuntersuchung sinnvoll. Besonders bei familiärer Vorbelastung steigt das Risiko gegenüber der Normalbevölkerung an Prostatakrebs zu erkranken. Hierbei wird eine Tastuntersuchung der Prostata und nach Erläuterung der Vor- und Nachteile eine Bestimmung des Tumormarkers PSA (Prostata-spezifisches Antigen) empfohlen.

Dr. Stephan Tschirdewahn, Leitender Oberarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Uroonkologie am Universitätsklinikum Essen. | Foto: Universitätsmedizin Essen
Dr. Stephan Tschirdewahn, Leitender Oberarzt der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Uroonkologie am Universitätsklinikum Essen. | Foto: Universitätsmedizin Essen
Autor:

Frank Blum aus Essen-Süd

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