Anlieger frei bis Autohaus

Foto: Gohl, Westanzeiger
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Verwirrende und fehlende Baustellenschilder an der Pferdebahn bedrohen Existenzen

Neue Winterreifen nötig? Auto defekt oder Lust auf ein Motorrad? Dann Pferdebahnstraße 70 ins Navi eingeben und los geht es zu Honda, dem Service Center rund um Auto und Motorrad in Essen. Der Geschäftsführer Ulrich Schroeder erwartet seine Kundschaft dort - umsonst.

Das Autohaus scheint schlicht nicht mehr zu existieren.
Von den Hauptstraßen aus können die Suchenden das Gebäude nicht sehen. Verlass auf Umleitungsschilder- Fehlanzeige.
Schroeder kennt seine Kundschaft gut. Sie kommen vor allem aus Altendorf und Borbeck über die Haus-Berge-Straße und Helenenstraße zum großen Firmengelände, wo blitzblanke Neuwagen neben schnittigen Motorrädern ausgestellt sind. Auch der Berthold-Beitz-Boulevard ist ein bekannter Zufahrtsweg.
Jetzt kommen sie nicht weit. An allen vier Zufahrtsstraßen zum Honda-Gelände fehlen verständliche Beschilderungen. Die Pferdebahnstraße weist nur mutige Einbieger vom Berthold-Beitz-Boulevard mit einem winzigen Schild darauf hin: Anlieger frei bis Autohaus.
Der Rest wurde von Hauptzufahrtsstraße zur Sackgasse degradiert.

Warum das alles?

Seit Oktober 2012 bauen die Stadtwerke Essen vor den Fenstern des Autohauses einen neuen Entwässerungskanal. Die Pferdebahnstraße soll laut Plan bis Sommer diesen Jahres in Höhe der Helenenstraße noch gesperrt sein.
„Wer sich hier nicht auskennt, findet uns nicht“, ärgert sich Schroeder. „Viele Kunden werden sich sagen, das ist mir zu kompliziert, da geh ich nicht hin.“
Seit dem Beginn der Bauarbeiten hat die Kundschaft immer mehr abgenommen. Unterdessen musste Schroeder bereits drei Mitarbeiter entlassen, die vierte Existenz wankt bereits.
„Ich bin nicht sicher, wie wir bis zum Sommer weitermachen können.“ Schroeder weiß, dass die Existenz seiner Firma vor allem von den Gewinnen in der Frühjahressaison und seinen Stammkunden abhängt. „Wir zahlen Geld für die Brückenbeschilderung. Dann wissen die Leute, aha, da geht’s zu Honda- und kommen am Ende in eine staubige Sackgasse.“ Der Geschäftsführer weiß jedoch, dass seine Kundschaft nicht die direkte Nachbarschaft ist. „Viele haben nur alle paar Jahre die Notwendigkeit vorbeizukommen. Sie kennen sich hier nicht aus und finden den Weg nicht her. Die Schilder können einfach nicht verstanden werden“, gestikuliert Schroeder aufgebracht.
Der einzige direkte Weg für Autofahrer führt über die Zollstraße, ein kleiner Seitenabzweig von der Helenenstraße. „Hier stand auch mal ein Schild mit der Aufschrift Autohaus“, erinnert sich Schroeder angespannt. „Dennoch mussten die Leute erst in die Zollstraße hineinfahren, die gar nicht unser bekannter Zufahrtsweg ist, und sich dann trauen, mitten in eine Baustellenumzäunung zu fahren.“ Das Schild ist unterdessen verschwunden. Jetzt sehen die Verkehrsteilnehmer an der Abbiegung zum Autohaus nur noch ein Sackgassenschild.

Was ist aber mit der ausgeschilderten Zufahrt Pferdebahnstraße?

Hier werden diejenigen Autofahrer, die Ihre Suche nach dem Autohaus noch nicht aufgegeben haben, ebenfalls in eine Sackgasse geleitet. In der Realität ist diese enge Straße, welche direkt am Schaufenster des Honda-Gebäudes, dessen Parkplatz und der Baustelle endet, ein LKW Parkstreifen. „Werktags sind hier oft so viele LKWs aufgereiht, dass sich kaum einer wagt in die Sackgasse zu fahren, weil nicht zu erkennen ist, ob man hier überhaupt wieder wenden kann“, beschreibt Schroeder die Situation. Ortsansässige hingegen nutzen den kleinen Schleichweg zwischen Helenenstraße und Pferdebahnstraße über den Firmenparkplatz als Abkürzung. „In der Rushhour ist das hier wie auf einer Autobahn“ ärgert er sich sichtlich.
Es sind also nicht ortsfremde Kunden, die den Weg zum Honda-Gelände finden, sondern Anwohner, die die Baustelle umfahren wollen. „Uns wurden dabei schon mehrmals Schäden an den Autos hinterlassen, inklusive Fahrerflucht.“

Aber wie kann diese Situation geändert werden, beziehungsweise, wie kam es überhaupt soweit?

Schroeder war nicht untätig. Lange vor Beginn der Bauphasen hatte er sich an die Stadt gewandt. „Wir hatten ein Gespräch mit dem Projektleiter Harald Ley, aber ohne Erfolg, wie man sieht.“ Umsatzeinbußen waren absehbar. Da die Stadt diese nicht auffangen könne, wurden Schroeder ausführliche Umgehungsbeschilderungen zugesagt, um den Kundenverkehr aufrecht zu erhalten. Konkrete Planungen gab es bereits im März 2012.

Dienst nach Vorschrift - reicht das aus?

Die Stadt wollte für die Bauarbeiten ein Stück des Parkplatzes öffnen, um Kabel zu verlegen. Doch aufgrund einer Einmischung der zweiten Geschäftsleitung von Honda in die Baustellenplanung und daraus resultierendem Mehraufwand für den Projektleiter, die Kabelverlegung anders umzusetzen, wurde die Beschilderung eingefroren, vermutet Schroeder.
„So wie es ausgeschildert wurde, ist es zulässig“, teilte man ihm mit. Ganz Dienst nach Vorschrift also. Den letzten Kontakt zum Projektleiter gab es im Januar 2013. Viel Frust konnte sich seit dem ansammeln.
Durch die Bauarbeiten wurden die Ausstellungswagen immer wieder Zementstaub ausgesetzt, was hohe Reinigungskosten mit sich brachte. Eine gerichtliche Verhandlung gegen das Bauunternehmen ist die Folge. Dieses hat unterdessen zur Verringerung des Zementstaubes ein Gebläse aufgestellt.

Einen Weg in die richtige Richtung scheint es nicht zu geben, im wahrsten Sinne des Wortes. „Wir können die schönen Lichtlein auch einfach auslassen“, resigniert Schroeder. „Die sieht man eh nicht, bevor man vor unserer Tür steht.“ Die Motivation ist getrübt. Ulrich Schroeder ist seit den 80er Jahren für dieses Familiengeschäft tätig und ist mit Herzblut dabei. Doch nagt die Situation sichtlich an ihm. „Ich habe schon Kunden aus Schonnebeck abgeholt und zu uns geleitet, weil sie den Weg nicht finden konnten“, gestikuliert der Autoexperte entrüstet. „Vor allem alte Leute, die kommen doch nicht mehr durch bei so einem Chaos.“

In einer solchen Situation ist es nicht abwegig, zu überlegen, einfach eigene Schilder zu gestalten und aufzustellen. Wer seine Existenz derart bedroht sieht dürfte das vielleicht längst gemacht haben. Nicht so Ulrich Schroeder. Er hält sich an die Gesetze. Und die lassen private Wegschilder nicht zu.

NACHGEFRAGT: Abwasserrohr oder Autobahn

Wie steht es um die Baustelle an der Pferdebahnstraße?

Eine riesige Baustelle erstreckt sich zwischen Helenenstraße und Pferdebahnstraße. Das ansässige Autohaus und die Anwohner haben so ihre Sorgen damit. Umgeleiteter Verkehr, Zementstaub und Baulärm sind nur einige Gründe steigender Ungunst.

„Wann hat das endlich ein Ende?“, fragen sich die Anwohner. Seit Herbst 2012 bauen die Stadtwerke Essen hier. Die gute Nachricht: ein Ende ist absehbar. „Die Baumaßnahmen kommen gut voran. Der Winter 2012 hat uns einige Zeit gekostet, die wir aber nun durch die tolle Teamarbeit und das Wetter wieder aufholen konnten“, beantwortet Hans- Georg Gottschol die große Frage nach dem Ende der Bauzeit. Der verantwortliche Bauleiter des Großraumprojektes ist hoch motiviert.
„Die neuen Wasserrohre gleichen einer unterirdischen Autobahn. Bis zu drei Meter Durchmesser haben die neuen Abwasserleitungen“ erklärt er und weist dabei auf riesige Betonringe und einen Schacht mit mehreren Metern Breite und Tiefe. „Da kann man glatt mit einem Auto durchfahren“, lacht Gottscholl. „Was hier passiert ist notwendig, um unser Abwassersystem an die aufkommende Abwassermenge anzupassen“, erklärt Dirk Pomplum, Pressesprecher der Stadtwerke Essen. „Diese Kanalbaumaßnahme findet an einem wichtigen Knotenpunkt statt. Die Abwässer vieler tausender Menschen, von den Fabriken und dem neuen Kruppgelände werden hier zum Klärwerk abgeleitet“, beschreibt Pomplum.
Die Probleme der Anlieger sind bekannt. Vor allem die Sorgen des unmittelbar betroffenen Autohauses wurden, so äußern sich Projekt- und Bauleitung, angehört und Lösungen gesucht. „Wir haben die Baustelle mit Fußgängerwegen versehen und Staubzäune gezogen“, sagt Gottschol. Die Umsetzung der Beschilderung lag beim Straßenverkehrsamt. „Dass diese nicht den Wünschen des Autohändlers entsprechen, können wir verstehen. Machen können wir da aber nichts. Die Leute vom Straßenverkehrsamt machen auch ihre Arbeit und haben ihre Vorgaben“, macht Pomplum deutlich und versucht zu beschwichtigen.
„Wir verstehen persönliche Probleme, die im Zusammenhang mit dieser Baustelle auftreten. Ich möchte aber betonen, dass es hier um das Allgemeinwohl geht und um die Abwasserentsorgung vieler tausender Menschen. Wir bemühen uns, die Sicherheit der Autofahrer und Fußgänger, die unsere Baustelle passieren, zu gewährleisten.“
Aber wann ist denn nun endlich wieder freie Bahn auf der Pferdebahn? „Ende März wollen wir mit dem Kanalbau fertig sein“, wagt Gottschol eine Annnahme. „Danach, und wenn das Wetter nicht einen späten Winter einläutet, folgen die Rücklegungsarbeiten von Strom und Telefon sowie die Wiederherstellung der Straße in ihren ursprünglichen Zustand.“
Der Projektleiter nimmt ein Bau-Ende Mitte August an und betont den bisherigen reibungslosen Ablauf der Baumaßnahmen. „Die Kooperation mit Telekom und RWE verlief Hand in Hand. Wir kamen sehr schnell voran, weil die Umlegung und Erneuerung der Strom und Telefonleitungen reibungslos mit unseren Maßnahmen passieren konnte.“

Autor:

Augustine Gueffroy aus Essen-West

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