Entspannte Lage, aber potentiell gefährdet
Wie steht es um den Hochwasserschutz an der Issel?

Die Issel ist aktuell gut gefüllt, aber nicht überflutungsgefährdet. Hier: Stauanlage am Römerrast vor der Kläranlage Hamminkeln. | Foto: Zweckverband Hochwasserschutz Issel
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  • Die Issel ist aktuell gut gefüllt, aber nicht überflutungsgefährdet. Hier: Stauanlage am Römerrast vor der Kläranlage Hamminkeln.
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Die Nachrichten aus Ahrweiler und den anderen vom Hochwasser betroffenen Regionen machen fassungslos, die Bilder schockieren. Erinnerungen kommen hoch. So schwer hatte es Hamminkeln nicht getroffen. Aber als die Issel 2016 über die Ufer trat, rief der Kreis für Hamminkeln den Katastrophenfall aus und die Menschen erlebten, wie gewaltig sich Wasser seinen Weg suchen kann.

Was ist seitdem in Sachen Deichsicherung passiert? Was wurde zur Prävention konkret unternommen? Bernd Romanski gibt Antworten – zum einen als amtierender und der Bürgermeister, der damals verantwortlich zeichnete und andererseits in seiner Funktion als stellvertretender Verbandsvorsteher des Zweckverband Hochwasserschutz Issel, der nach dem Hochwasserereignis gegründet wurde. Auch Pia Scholten, Geschäftsführerin des Verbands resümiert.

Redaktion: Herr Romanski, Ende 2016, ein halbes Jahr nachdem das Isselhochwasser Hamminkeln, aber auch andere an der Issel liegende Kommunen getroffen hat, wurde der Entwurf eines Hochwasserschutzkonzeptes vorgestellt. Ein weiteres Jahr später lag der Abschlussbericht vor, der erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Ortslagen entlang der Issel formuliert, schwerpunktmäßig in Hamminkeln und Isselburg, da 2016 am meisten betroffen. Kurz zusammengefasst: Was ist grundsätzlich zu tun? Wo liegen die Gefahrenstellen?

Bernd Romanski: Zunächst erlaube ich mir den Hinweis, dass es sich bei der Issel nur bedingt um ein „Flüsschen“ handelt. Jeder, der schon einmal im Sommer an der Quelle in Raesfeld war, weiß, was ich meine. Allerdings, und das mussten wir 2016 mit Schrecken erkennen, erreicht die Issel bei Hochwasser eine ordentliche Geschwindigkeit, da sie stark begradigt wurde und die angebrachten Verwallungen ein mäandern der Issel unterbinden. Dies führt dann, wie in 2016 leidvoll erfahren, zu „unkontrollierten“ Überschwemmungen neben der Issel. Dies ist auch ein Grund, warum wir mit sogenannten Poldern das Hochwasser „parken“ wollen. Gefahrenstellen gibt es mehrere, sehr wichtig für uns sind in erster Linie bedrohte Ortslagen wie Ringenberg und Marienthal.

Redaktion: Um den Hochwasserschutz voranzubringen, wurde Ende 2019 der Zweckverband Hochwasserschutz Issel gegründet, dem Sie aktuell als Stellvertreter, ab dem nächsten Jahr für drei Jahre vorsitzen. Ziel ist es, innerhalb von 20 Jahren den Schutz für die Anlieger an der Issel sicherzustellen. Das ist langfristig gedacht. Aber die Gefahr ist nah: Was konnte bisher umgesetzt werden?

Bernd Romanski: Zunächst hat schon die Gründung des Hochwasserzweckverbandes einige Zeit in Anspruch genommen. Aus meiner Sicht ist es ein großer Erfolg, dass nach Jahren der Diskussion darüber jetzt endlich Fakten geschaffen sind. Aber es war mühsam und für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger vor Ort nicht sichtbar. Mit dem Ingenieurbüro, das das Hochwasserschutzkonzept erstellt hat, haben wir eine Priorisierung der Maßnahmen durchgeführt, die unter anderem nach den Gesichtspunkten Umsetzbarkeit, Verfügbarkeit von Grundstücken und Wirksamkeit sortiert wurden. Diesen Katalog arbeiten wir nunmehr ab. Allerdings ist es uns leider nicht gelungen, mit den zuständigen Bezirksregierungen einen Weg zu finden, um das Konzept als Ganzes zu betrachten und daher erarbeiten wir jede Maßnahme mit Planfeststellung und Förderung einzeln.

Redaktion: Heißt das, dass Sie sich noch in der Planungsphase befinden? Frau Scholten, wie ist der Stand?

Pia Scholten: Ja, in Isselburg arbeitet der Verband gemeinsam mit einem Ingenieurbüro aktuell an der Planung der ersten zwei durchzuführenden Maßnahmen. In Hamminkeln befinden wir uns in der Ausschreibung der Genehmigungsplanung der ersten Maßnahme, die in diesem Jahr vergeben werden soll.

Redaktion: Und um welche Maßnahme handelt es sich dabei konkret?

Pia Scholten: Hierbei geht es um die Schaffung von zusätzlich 730.000 Kubikmeter Retentionsraum, also Fläche, die bei Hochwasser überflutet und so ein zu starkes Ansteigen des Wassers verhindert werden kann. Es handelt sich dabei um eine Flutrinne zur Entlastung der Issel in den Brüner Mühlenbach und die Schaffung von drei Polderflächen am Brüner Mühlenbach, kurz bevor dieser der Issel oberhalb von Hamminkeln zuläuft. Über Überlaufschwellen soll der Bereich im Hochwasserfall geflutet werden. Nach Abklingen der Gefahrenlage ist eine rasche Ableitung über Grundablässe geplant.

Fertiggestellt ist ein eigenes Pegelinformationssystem für die Issel, um eine bessere Informationslage bei einer Hochwasserlage zu haben. Dieses wird im Herbst veröffentlicht.


Redaktion: Blicken wir nach Wesel, musste beispielsweise Grav Insel aufgrund der Hochwasserlage des Rheins geräumt werden. Wie sicher ist die Issel Stand heute, Herr Romanski?

Bernd Romanski: Die aktuelle Situation an der Issel ist eher entspannt. In der letzten Woche war sie zu gut einem Drittel gefüllt. Die gute Nachricht ist, dass wir in diesem Jahr keine Fische retten mussten, wie es in den letzten drei Jahren der Fall war, da jetzt genug Wasser da ist. Ein Starkregenereignis in der Dimension von 2016 würde uns aber in ähnlicher Härte treffen wie damals.

Redaktion: Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt. Aber: Aufgrund der Erfahrungen 2016 haben Sie als Bürgermeister sicher den Krisenfallplan in der Schublade. Wie gut sind Sie auf eine erneute Notsituation vorbereitet?

Bernd Romanski: Die Verwaltung war schon vor meiner Zeit gut aufgestellt. Die Erfahrungen aus 2016 und aus der Pandemie haben gezeigt, dass man Teile verbessern konnte und auch musste, aber im Grundsatz waren und sind wir gut vorbereitet. Neben allen Krisenplänen ist es aber auch wichtig, dass man bereit ist, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen, auch wenn man nur wenig Informationen hat. Das ist in manchen Verwaltungen vielleicht schwierig.


Redaktion: Stichwort Umsetzung: Wie geht es weiter, um die Lage zu entspannen?

Bernd Romanski: Es geht für den Verband und die beteiligten Kommunen jetzt darum, dass wir strukturiert und zielgerichtet die einzelnen Maßnahmen anpacken und abarbeiten. Dabei ist die Priorität auf Umsetzbarkeit und Wirksamkeit zu legen.

Wirksam anpacken. Vielen Dank Frau Scholten und Herr Romanski für das Gespräch. Auf dass das Hochwasserschutzkonzept geradlinig von der Planung in die Umsetzung kommt.

Autor:

Denise Brücker aus Hamminkeln

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