Mit Kindern zu spielen kostet kein Geld, nur Zeit

Beate Schiffer   Foto: Pielorz

Seit dem 1. September ist Beate Schiffer (55) offiziell „in Amt und Würden“ und Hattingens neue Dezernentin für Jugend, Schule, Kultur, Weiterbildung, Wohnen, Soziales und Job-Agentur. Ein großes Arbeitsfeld mit viel Arbeit.
Ihre Wurzeln hat Beate Schiffer in der Jugendhilfe. Die Essenerin ist seit 35 Jahren verheiratet, lebt mit ihrem Mann in Heiligenhaus. Das Paar hat zwei erwachsene Kinder, ein Enkelkind und kümmert sich um die zwei Kinder des verstorbenen Bruders von Beate Schiffer. „Wir sind eine große Familie und wenn ich zum Essen einlade, sind immer mindestens zehn Personen dabei“, lacht sie.
Nach einer Ausbildung zur Bankkauffrau studierte sie Sozialpädagogik, qualifizierte sich in ambulanten Erziehungshilfen und Familientherapie. Vor 23 Jahren kam sie zum Jugendamt der Stadt Heiligenhaus, 1994 übernahm sie die Leitung und 2004 wurde sie Fachbereichsleitung. 2008 wurde sie vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht in Heidelberg in den Vorstand gewählt.
Seit dem 1. September ist sie nun in Hattingen angekommen. Warum sie sich beworben hat, weiß sie genau: „Als Fachbereichsleitung haben sie in den sozialen Fragen unserer Zeit keine Chance auf Antworten. Gestalten können sie nur an zentralen Stellen, beispielsweise als Dezernentin. Das hat mich gereizt.“
Parteipolitisch gebunden ist Beate Schiffer nicht, ihre Sympathie gilt hingegen schon einer bestimmten Farbwahl, die sie aber nicht verraten will. Ihre Profession ist die Jugendhilfe sowie Schule und Kultur. In den anderen Bereichen lernt sie dazu.
Hattingen war ihr auch vor der Berufswahl vertraut. „Ich habe hier 1973 meinen Mann kennengelernt und wir haben hier auch unser Hochzeitsessen veranstaltet. Außerdem waren wir immer wieder auf kulturellen Veranstaltungen in Hattingen.“
Die Kultur ist ihr wichtig. Beruflich und privat. „Ich gehe gern ins Kabarett und ins Theater. Ich lese auch gern, ich mag Aphorismen. Ich mag die kulturelle Vielfalt in der Stadt, aber ich weiß auch, dass wir um Einsparungen nicht herumkommen.“ Das Altstadtfest 2011 steht wohl nicht mehr zur Debatte, obwohl die Sicherheitsaspekte noch eine (böse) Überraschung darstellen könnten. „Aber wir müssen dezentralisieren, Kräfte bündeln und bei einzelnen Veranstaltungen schauen, ob sich hier nicht Doppelungen ergeben, die wir in Zukunft vermeiden können“.
Mit der Zeit will Beate Schiffer alle Jugendeinrichtungen besuchen und auch in den Schulen vorbeischauen. In der Förderschule St. Georg war sie bereits, das Jugendparlament hat sie kennengelernt und bei der Eröffnung der Dirtbike-Anlage war sie natürlich auch. Gespräche mit allen Schulleitern sind terminiert. Kennenlernen steht auf dem Programm, denn die Sorgen sind groß.
„Die Probleme liegen heute in den Familien selbst. Wir haben viele Kinder, die ohne ein Frühstück aus dem Haus gehen. Wir erleben durch den Kontakt über die Begrüßungspakate, die es übrigens auch in Heiligenhaus gibt, junge Eltern, die gar nicht mehr wissen, wie man gemeinsam kocht und isst. Sie haben es selbst in ihrer Familie nicht mehr erlebt und können es auch nicht weitergeben. In vielen Schichten sehe ich das Ende der Lebensgemeinschaft Familie vor mir“.
Während man früher den Problem-Jugendlichen erst in der Pubertät begegnet sei, gehöre heute bei Kindergartenkindern oft schon die Ergo- und Psychotherapie zum Alltag. Ein Problem sieht sie im Medienkonsum. „Bis zur Einschulung darf ein Kind gar nicht wissen, dass es Fernsehen gibt. Selbstverständlich muss man Medienkompetenz lernen. Es ist aber die Frage, wann man damit beginnt.“
Auch das Argument, die elektronische Beschäftigung sei oft billiger als die Nutzung der kulturellen Angebote, lässt sie nicht gelten. „Es kostet kein Geld, mit Kindern zu spielen. Man kann auch heute noch matschen und Staudämme bauen. Mit Kindern zu spielen kostet kein Geld, aber Zeit. Und selbst berufstätige Eltern müssen sich diese Zeit eben nach der Arbeit oder zum Wochenende nehmen. Außerdem muss man Freundschaften der Kinder fördern. Dann kann das Kind eben auch mal bei der Freundin bleiben, wenn die Eltern selbst ein Zeitproblem haben. Und wir brauchen gute Kitas, gute Schulen und gute Jugendeinrichtungen, um möglichst alle Kinder mitnehmen zu können.“
Von den angedachten Chip-Karten im Bildungsbereich für Kinder hält die Dezernentin wenig. „Das führt letztendlich zu einer Zwei-Kinder-Gesellschaft. Und unter Umständen haben wir Angebote, die nur für Kinder ohne Chip nutzbar sind, quasi privat. Außerdem muss man die Frage beantworten, wie das letztendlich alles abgerechnet werde soll.“
Neben den Diskussionen um Einsparungen im Kulturbereich muss bis zum Jahresende auch über die Gemeinschaftsschule nachgedacht werden. „Am 9. November tagt der Schulausschuss. Wir werden beraten in Politik und Verwaltung, ob Hattingen dabei sein wird. Wir haben gerade erst die Eckdaten bekommen und brauchen noch ein paar Zahlen. Man kann über vieles reden, aber die personelle Ausstattung muss gegeben sein. Die Lösung darf nicht heißen, es muss billiger werden.“ Insgesamt fühle sie sich gut aufgenommen und die Zusammenarbeit mit Bürgermeisterin und Kämmerer wertet sie positiv. „Ich fühle mich in Hattingen sehr wohl. Vielleicht ziehen wir auch privat noch hierher.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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