Paris, Chicago, Wesel
Das bewegte Leben von Pierre Theunissen

Die Skulptur de Hand heute. Vor über dreißig Jahren wurde damit begonnen, das Umfeld zu verändern. In den darauffolgenden Jahren sind weitere Maßnahmen im Rathaus-Innenhof umgesetzt worden. Unter anderem wurde ein Spielgerät für Kinder installiert. | Foto: Stadt Wesel
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  • Die Skulptur de Hand heute. Vor über dreißig Jahren wurde damit begonnen, das Umfeld zu verändern. In den darauffolgenden Jahren sind weitere Maßnahmen im Rathaus-Innenhof umgesetzt worden. Unter anderem wurde ein Spielgerät für Kinder installiert.
  • Foto: Stadt Wesel
  • hochgeladen von Petra Zellhofer-Trausch

Kunst im öffentlichen Raum ist manchmal kontrovers und mitunter auch umstritten. Oft sehen Menschen ein solches Kunstwerk bei ihren täglichen Routinen, zum Beispiel beim Gang zur Arbeit. Doch allzu häufig werden die Kunstwerke in ihrer Gesamtheit und künstlerischen Intention kaum wahrgenommen. So ähnlich geht es auch der stilisierten Hand aus Bronze im Innenhof des Weseler Rathauses. Die Skulptur wurde vor vierzig Jahren am 28. Oktober 1981 der Öffentlichkeit feierlich übergeben. Geschaffen wurde es von einem der bekanntesten niederrheinischen Künstler, Pierre Theunissen. Nur wenige können etwas mit seinem Namen anfangen. Wer war der Mensch und Künstler Pierre Theunissen?

Geboren wurde Pierre Theunissen 1931 in der Gemeinde Keeken, die 1969 nach Kleve eingemeindet wurde. Bereits als Jugendlicher wollte er unbedingt Bildhauer werden. So begann er nach seinem Abitur 1947 eine Lehre als Bildhauer. Diese brach er jedoch 1950 ab. Nach einer Schreinerlehre
(1950–1952) begann er 1952 erneut eine Ausbildung zum Bildhauer. Unter der Aufsicht des Lehrmeisters Alfred Sabisch beendete er diese 1954 erfolgreich. Um besser zu werden, Finessen zu lernen, begann er ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf. Dort studierte er bis 1956 freie Kunst und Bildhauerei, unter anderem bei dem renommierten Professor Zoltan Székessy.
Später zog es ihn nach Berlin an die Hochschule für bildende Künste. Dort beendet er 1958 sein Studium bei Professor Karl Hartung.

Von den Wurzeln bis nach Frankreich
Zurück in seiner Heimat, traf der junge Künstler Theunissen auf eine bunte Bohème (Künstlermilieu) um den weltbekannten Joseph Beuys. Dennoch entschied er sich 1958 nach Frankreich auszuwandern. In Paris lernte er unter anderem Picasso und Chagall kennen. Ihn zog es weiter in den Süden.
Sein Ziel war ursprünglich Afrika. Doch zunächst „strandete“ er in Les Veyans, einem Örtchen zwischen Nizza und Marseille. Dort lernte er die Malerin Jeanine Einaudi kennen, die er 1963 heiratete. 1965 nahm er die französische Staatsbürgerschaft an. Bis zu seinem Tod in diesem Jahr, am 25. Februar 2021, lebte er als anerkannter, gefragter Künstler in Le Tignet im Süden Frankreichs.

Paris, Chicago, Niederrhein
1962 präsentierte Pierre Theunissen erstmals einige seiner Werke in Gruppenausstellungen am Niederrhein (in Kleve). Die Vielfalt seiner Kunst war aber vor allem in Frankreich zu bestaunen. Erst 1967 organisierte er erste Einzelausstellungen. Die Ersten dieser Art fanden am Niederrhein in Wesel und Kleve 1978 statt. 1985 folgte eine weitere Einzelausstellung in Hamminkeln. Vier Jahre später, 1989, waren seine Werke erneut in Wesel und Kleve zu sehen. Neben dem Niederrhein gehörten zu den Stationen seiner Ausstellungen unter anderem Paris (1969), Chicago (1970), Cannes (1983) und Eschborn bei Frankfurt (1997).

Erste Ausstellung in Wesel
Die erste Ausstellung in Wesel trug seinen Namen, „Pierre Theunissen“. Sie fand vom 9. April bis zum 28. Mai 1978 in der Galerie im Centrum des Städtischen Museums Wesel statt. Dort ragte besonders ein Objekt heraus: Eine 1972 aus Palmenholz gefertigte, etwa zwei Meter hohe und sechzig Zentimeter breite und tiefe Holzskulptur namens „Hand“. Das weiche und formbare Palmenholz war bis zum Anfang der 1980er Jahre das bevorzugte Material des Künstlers Theunissen. Er verband damit die Möglichkeit, zwar formal streng zu sein, jedoch organisch anmutende Werke voller Dynamik und Bewegung schaffen zu können. Zu dieser Zeit leitete Werner Arand das damalige Kulturamt der Stadt Wesel. Er war ein Lebensfreund des Künstlers. Gemeinsam wollten beide über eine Ausstellung hinaus ein langfristiges und bleibendes Werk in Wesel schaffen.

Die „Hand“ sollte, so die Idee der beiden, in eine öffentlich sichtbare Bronzefigur transformiert werden. Zudem sollte die Holzvorlage in den Bestand des Städtischen Museums übergehen – gesagt, getan. Für diese Ideen investierte die Stadt Wesel fast 50.000 Mark. Der Großteil der Summe floss an die renommierte Düsseldorfer Gießerei Kittel, die das „neue“ Kunstwerk gegossen hat. Theunissen selbst erhielt für seine Arbeit 5.000 Mark in bar.

Erzählungen zufolge soll er das Geld, kurze Zeit nachdem er es erhalten hat, verloren haben.
In einem Interview mit dem Stadtarchivar Heiko Suhr beschreibt Werner Arand seinen Freund Pierre Theunissen als einen Menschen, der durch seine „explosive“ Art und sein Selbstbewusstsein andere begeistern konnte. Besonders geprägt habe ihn seine Freundschaft zu dem weltbekannten Künstler Max Ernst, so Arand. Auch Max Ernst hatte in Frankreich gelebt, musste jedoch in die USA emigrieren, da er von den Nationalsozialisten verfolgt wurde.

Eine „de Hand“ für die Ewigkeit …und Wesel
Das ungewöhnliche Duo Werner Arand und Pierre Theunissen sorgte schließlich zusammen dafür, dass die fast zwei Meter hohe Bronzeplastik (auf einem niedrigen Sockel stehend) am 28. Oktober 1981 im Rahmen einer kleinen Feier vor dem Weseler Rathaus der Öffentlichkeit übergeben werden konnte. In der lokalen Berichterstattung war zu lesen, dass dadurch endlich „Leben in den bisher eher nüchternen Rathaushof“ gebracht worden sei. Die Enthüllung nahmen der Erste Beigeordnete Werner Schepers sowie der Technische Beigeordnete Hansjörg Dimel vor. Werner Schepers bemerkte in humorvoller Manier, dass die Hand in Richtung der Landeshauptstadt Düsseldorf weise, dem Sitz der Landesregierung, und daher auch als die öffentliche Hand interpretiert werden müsse.
Der Intention des Künstlers hat diese Interpretation aber nicht entsprochen. Ein unveröffentlichter Brief des Künstlers an seinen „Kulturfritzen“ Arand (der Stadt Wesel zur Verfügung gestellt von der Biografin des Künstlers, Marion Tauchwitz) enthüllt einen viel größeren Kontext als die Kommunalpolitik. Theunissen schreibt mit religiösem Pathos, dass mit der Aufstellung von „de Hand“ ein „gemeinsamer Kreuzweg“ zu Ende gegangen sei. Er wünschte seinem Kunstwerk die Kraft, „Kriege abzuweisen“ und der menschlichen „Maßlosigkeit“ Grenzen zu setzen. Die Intention von Theunissen war damit eine Mahnung auch an die Weseler Politik, für eine bessere Welt einzutreten, der anonymen „Massenpolitik“ keinen Raum zu bieten und vor allem die „persönliche Verantwortung“ für das politische Handeln zu tragen.

Die Bronzeplastik „de Hand“ im Weseler Rathausinnenhof ist demnach nicht nach Düsseldorf ausgerichtet. Stattdessen „strahlt“ die Skulptur „in die Welt und den Weltraum“ hinein.

Die Skulptur de Hand heute. Vor über dreißig Jahren wurde damit begonnen, das Umfeld zu verändern. In den darauffolgenden Jahren sind weitere Maßnahmen im Rathaus-Innenhof umgesetzt worden. Unter anderem wurde ein Spielgerät für Kinder installiert. | Foto: Stadt Wesel
Feierliche Übergabe der Skulptur "de Hand" am 28. Oktober 1981. Das Kunstwerk steht öffentlich zugänglich im Rathaus-Innenhof der Stadt Wesel. | Foto: Stadt Wesel
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Lokalkompass Wesel aus Wesel

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