Fazit: Kostenfreier ÖPNV ist möglich

Die Jusos Lünen diskutieren mit Andreas Feld von der VKU (hinten, 3.v.l.) über den kostenfreien ÖPNV.
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  • hochgeladen von Nina Kotissek (SPD)

Im Februar forderten die Lüner Jungsozialistinnen und Jungsozialisten die Stadt auf, ihren öffentlichen Personennahverkehr kostenfrei zu gestalten. Die Idee entstand, nachdem die Bundesregierung mehrere deutsche Städte ebenfalls dazu aufgefordert hatte, um die erhöhten Schadstoffwerte in den Innenstädten zu reduzieren.

Nun diskutierten die Jusos dieses wichtige Thema im Rahmen ihrer öffentlichen Diskussionsveranstaltung „Juso-LokalpoliTISCH“ mit vielen Gästen und kompetenten Expertinnen und Experten:
Andreas Feld, Leiter Verkehrsmanagement der Verkehrsgesellschaft Kreis Unna; die SPD-Abgeordneten aus Rat und Kreistag Jens Hebebrand, Klaus Lamczick und Daniel Wolski, die Mitglieder in den entscheidenden Ausschüssen für Mobilität, Stadtentwicklung und Umwelt sowie Sicherheit und Ordnung sind; und Vera Kestermann-Kuschke, Vorsitzende des Lüner Seniorenbeirats und damit Vertreterin einer wichtigen Klientel des ÖPNV.

„Wir schlagen vor, dass sich die Stadt Lünen bei der Bundesregierung als Modellkommune für den kostenfreien ÖPNV zur Verfügung stellt und der Bund die Kosten übernimmt“, leitet Juso-Vorsitzende Nina Kotissek in die Diskussion ein und fügt hinzu: „Doch die Kosten sollen heute Abend nicht im Vordergrund stehen. Wir möchten diskutieren: Welche Vorteile bringt das Modell und wollen wir es grundsätzlich gerne umsetzen? Wenn wir diese Frage bejahen, geht es im nächsten Schritt in den politischen Gremien um die Möglichkeiten der Umsetzung.“

In der anschließenden konstruktiven und auch kontroversen Diskussion bezweifelt Andreas Feld von der VKU, dass die Kostenfreiheit des ÖPNV allein viele Menschen überzeugen wird, auf ihren Privat-PKW zu verzichten und die ökologischere Alternative zu nutzen. Das ist einer der Kerngedanken der Jusos, um die Luftqualität in den Städten zu verbessern. Die Wahl des Verkehrsmittels sei oft eine emotionale Entscheidung, begründet Feld, und keine rationale am Kosten-Nutzen-Verhältnis ausgerichtete. Würden die Menschen rein rational entscheiden, so würden mehr Menschen innerhalb Lünens Bus fahren — und Feld rechnet vor, dass es in einer Gesamtkostenrechnung, die alle Kosten des Autofahrens und des Parkens miteinbezieht, immer günstiger sei, mit dem Bus z.B. von Brambauer in die Lüner Innenstadt zu fahren.

Dann müssen wir den ÖPNV nicht nur kostenfrei, sondern auch attraktiver gestalten“, lautet die Antwort eines Juso. Ein Linienausbau auf besonders stark frequentierten Strecken, mehr Busse in kürzeren Abständen, auch frühmorgens und spätabends in allen Lüner Stadtteilen — die Jusos haben viele Ideen für eine höhere Attraktivität des ÖPNV.

Jens Hebebrand, Verkehrsexperte im Kreistag und stellvertretender Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, begrüßt den Vorstoß der Jusos. Er entwickelt eine Vision, in der der ÖPNV inklusive Bahnfahren in ganz Deutschland kostenfrei ist — aktuell noch eine Utopie. Hebebrand rechnet mit Kosten von rund 20 Mrd. € im Jahr, das mache bei einer Umlagefinanzierung rechnerisch rund 250 € pro Person aus.

Für die Jusos überwiegen die Vorteile des Umweltschutzes, der Staureduzierung und der Teilhabe an Mobilität und gesellschaftlichem Leben für alle.

So argumentiert auch Vera Kestermann-Kuschke, die Vorsitzende des Seniorenbeirats. Die Frage sei nicht, was der kostenfreie ÖPNV koste, sondern was er uns wert sei. Mobilität sei Teil der Daseinsvorsorge, für die der Staat und die Kommune sorgen müssten. Eine Juso fügt hinzu, dass viele Menschen, die kein Recht auf das vergünstigte Sozialticket haben, trotzdem nicht genug Geld verdienen, um sich ein relativ teures Einzelticket zu kaufen: „Kostenfreier ÖPNV würde auch bedeuten, dass Benachteiligte bspw. umsonst zum Brunnenfest oder zum Drachenfest fahren und am städtischen Leben und an der Kultur teilhaben könnten.“

Auch ein ehemaliger VKU-Busfahrer nahm am Juso-LokalpoliTISCH teil und fürchtet um die Löhne der Busfahrerinnen und Busfahrer. Jens Hebebrand, der auch VKU-Aufsichtsratsmitglied ist, widerspricht entschlossen: „Die SPD steht hinter den Beschäftigten“, verspricht er.

Schließlich sieht VKU-Verkehrsmanagementsleiter Andreas Feld den kostenfreien ÖPNV in Lünen aktuell nicht als realistisch an. Doch die Idee, die vielen Privat-PKW auf Lünens Straßen durch Alternativen zu ersetzen, um die Schadstoffe in der Luft zu reduzieren, unterstütze die VKU: In der Zukunft will sie sowohl auf Carsharing, als auch auf Fahrradverleihsysteme setzen. Außerdem schlägt Feld das sogenannte „Kombi-Ticket“ vor: Wer z.B. ins Theater oder ins Schwimmbad geht, zahlt einen geringen Aufpreis und darf dafür den ÖPNV zum Theater oder Schwimmbad kostenfrei nutzen. In anderen Städten funktioniere dieses Modell ausgezeichnet.

Diese Idee werden die Lüner Jungsozialistinnen und Jungsozialisten weiterverfolgen, ebenso wie ihre Vision des kostenfreien ÖPNV. „Wir bitten unseren Bundestagsabgeordneten Michael Thews, der stellvertretender Vorsitzender des zuständigen Umweltausschusses ist, Fördergelder für unser Vorhaben zu akquirieren“, erklärt Juso-Vorsitzende Nina Kotissek das weitere Vorgehen der Jusos, „und fordern gleichzeitig den Lüner Rat und die Stadtverwaltung auf, die Kosten des stadtweiten kostenfreien ÖPNV zu eruieren und Vorschläge zur möglichen Gegenfinanzierung auszuarbeiten.“

Das Fazit der Jusos nach der rund zweistündigen munteren Diskussion lautet: Der kostenfreie ÖPNV in Lünen ist möglich, wenn er politisch gewollt ist.

Autor:

Nina Kotissek (SPD) aus Lünen

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