Warum wegwerfen? Hier wird Kaputtes repariert

Ute Brettner (r.) und ihrem Team macht Reparieren Freude. Fotos: Backmann-Kaub
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Der elektrische Wasserkocher ist kaputt. Der schöne alte Stuhl wackelt. Der Videorecorder funktioniert nicht mehr richtig. Weg damit und ein neues Teil kaufen? Nein. Das muss nicht sein. Fast alles lässt sich reparieren. Und wer das selbst nicht schafft, findet Rat und Hilfe im Lüner Repair Café. Es ist das erste in der Region. Eine Anlaufstelle für alle, die Kaputtes nicht einfach in den Müll werfen wollen.

Einmal im Monat öffnet das Reparatur-Café, ein Angebot der Lüner Grünen, samstags im evangelischen Johanneshaus in Wethmar. So manches liebgewordene alte Schätzchen wird hier wieder flottgemacht. Am besten man meldet sich vorher telefonisch an, dann stehen sechs ehrenamtliche Helfer mit passendem Werkzeug bereit.

Diesmal reparieren sie u. a. eine Kaffeemaschine und einen Lautsprecher. Sie lassen einen guten alten Wecker wieder ticken. Susanne Faust hat sogar ihre defekte Kühlvitrine angeschleppt. Nach gründlicher Reinigung und etwas Kontaktspray kühlt der Ventilator die Vitrine wieder.

„Selbst aus Essen, Mülheim und Münster kommen Hilfesuchende mit ihren kaputten Sachen zu uns. In Lünen hat sich unser Angebot noch nicht so herumgesprochen“, sagt Ute Brettner. Sie führt Regie im Repair Café und ist ebenso begeistert im Einsatz wie u. a. Wolf-Dietrich Helms, Benjamin Stankewitz und Dennis Schweer.

Die Idee kommt aus Holland. „Ich habe von einem Repair Café in Aachen gelesen, fand das toll und bin dann in Lünen aktiv geworden“, erklärt Ute Brettner. Sie hat Elektrotechnik studiert und schon damals ihre kaputte Waschmaschine – mit Anleitung des Vaters – selbst repariert. „Es ärgert mich, dass heute alles weggeschmissen wird“, sagt die engagierte Lünerin. Fehler suchen, Tüfteln und Reparieren macht Spaß. Grundgedanke sei nicht nur das Reparieren-Lassen, sondern auch das gemeinsame Basteln, Ausprobieren und Miteinander. Bezahlen muss man nicht im Reparatur-Café, nur für Ersatzteile. Ein Teller steht für Spenden bereit. Und sogar Kaffee und Kuchen gibt es.

„Ein tolles Angebot“, fand ein Fernseh-Team des WDR, das beim letzten Repair Café filmte. Der Bericht wurde am 16. Oktober in der „Lokalzeit" gesendet.

Das nächste Repair Café findet am 16. November ab 14 Uhr im Johanneshaus an der Wilhelm-Löbbe-Allee statt. Anmeldungen unter Tel. 02306/1778 oder www.gruene-luenen.de.

Der "Prophet des Weniger" war da

Reparieren statt wegwerfen ist auch eine Devise von Prof. Dr. Niko Paech. Der Oldenburger Wirtschaftswissenschaftler hielt vor kurzem einen Vortrag in Lünen. „Immer mehr ist nicht genug – Wohlstand ohne Wachstum?“ war sein Thema in der Aula der Geschwister-Scholl-Gesamtschule. Die Lüner Initiative gegen globale Armut (LIGA) und die VHS hatten Paech eingeladen. Er ist einer der bekanntesten Wachstumskritiker in Deutschland, ein „Prophet des Weniger“ (so „Der Spiegel“).

Paech erklärte den vielen Zuhörern, dass unser System auf einer Ausbeutung von Natur und Bodenschätzen beruhe. Die zunehmende Verknappung der Ressourcen führe zwangsläufig an sein Ende.
„Immer Mehr von allem“ mache aber auch den Einzelnen nicht glücklich: „Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich die Menge der verschriebenen Antidepressiva in Deutschland verdoppelt. Burn-Out nimmt zu. Wir leiden unter Konsumverstopfung.“

Niko Paech lebt die neue Genügsamkeit selbst vor: Er fährt mit Fahrrad, Bus und Bahn, trägt sein Sakko 20 Jahre und die Jeans, bis sie vom Fahrradsattel durchgescheuert ist. Der Professor regte an, genügsamer zu werden, gemeinsam öffentlich zu gärtnern, Autos und Werkzeuge zu teilen, Sachen zu tauschen und zu reparieren. Das Lüner Repair Café würde ihm gefallen.

Autor:

Doro Backmann-Kaub aus Lünen

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