"Es ist fünf vor Zwölf!"
Kinder- und Jugendarbeit in Gefahr: Fortschreibung des Förderplans verzögert sich

"Es ist fünf vor Zwölf!": Denn die Fortschreibung des Förderplans verzögern sich, es wird aktueller den je ein höherer Aufwand betrieben und gleichzeitig steigen die Personal- und Betriebskosten bei sinkenden Einnahmen. Foto: Ev. Jugend Frömern
  • "Es ist fünf vor Zwölf!": Denn die Fortschreibung des Förderplans verzögern sich, es wird aktueller den je ein höherer Aufwand betrieben und gleichzeitig steigen die Personal- und Betriebskosten bei sinkenden Einnahmen. Foto: Ev. Jugend Frömern
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In vier Jugendeinrichtungen betreiben die Evangelischen Kirchen im Fröndenberger und Holzwickeder Stadtgebiet seit Jahrzehnten verlässlich ihre Kinder- und Jugendarbeit. Öffentliche Zuschüsse gibt es dabei vor allem vom gemeinsamen Jugendamt beim Kreis Unna. Der Zuschuss liegt seit über zehn Jahren bei rund 42.000 Euro - was längst nicht mehr reicht, um die Arbeit aufrecht zu erhalten.

Fröndenberg/Holzwickede. Es sah zunächst gut aus: Der Jugendhilfeausschuss beschloss bereits am 6. Juni 2018, den Kinder- und Jugendförderplan fortzuschreiben und in 2019 zu verabschieden. Der Förderplan regelt die Finanzierung der Jugendarbeit und gilt für fünf Jahre. Zusätzlich entschied man sich im Jahr 2019 für das renommierte Beratungsunternehmen „Squirrel and Nuts“. Eine Präsentation substantieller Ergebnisse folgte im Jahr 2020 - ein neuer Förderplan wurde indes bis heute nicht beschlossen.
“Das Vorgehen entspricht grundsätzlich modernen Planungsprozessen”, findet Steffen Schuldt, Jugendpresbyter in Frömern und Sprecher desInitiativkreises “Zukunft Jugendarbeit”. Leider ziehe sich die Fortschreibung nun aber schon recht lange hin. “Damit haben wir nicht kalkuliert. Und nun hat Corona die finanzielle Lage der Kirchengemeinden noch komplizierter gemacht.”

Tatsächlich gibt es schon eine Verwaltungsvorlage, die eine moderne, sich an den Personalkosten orientierende Finanzierung vorsieht und den Kirchengemeinden zusagt. “Wir machen uns aber jetzt einfach Sorgen, dass wir - vor lauter Corona und steigenden Kosten in der Jugendhilfe - aus dem Blickfeld geraten. Wir können das finanziell nicht mehr lange durchhalten und brauchen ein Zeichen, am besten einen Beschluss. Denn eine verlässliche Kinder- und Jugendarbeit bedarf auch eine verlässlichen, auskömmlichen Finanzierung", so Schuldt weiter.
Als schwierig lässt sich auch die Situation der hauptamtlichen Jugendpädagogen bezeichnen. Durch Corona sind in diesem Jahr viele Veranstaltungen und auch die Sommerfreizeiten ausgefallen. Einen normalen Alltag haben sie nicht. Und in den vier Einrichtungen sind sie auch ohne Corona allein auf weiter Flur, denn in jeder Jugendeinrichtung ist nur eine Fachkraft angestellt und damit grundsätzlich “viel zu wenige Ansprechpartner für die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen", findet Jugendreferent Hendrik Lemke aus Holzwickede. "Die Ansprüche an die Angebote haben sich verändert, denn “die Veranstaltungen sind größer geworden und es kommen erfreulicherweise auch mehr Leute - damit wird aber auch die Arbeit drumherum mehr.” Er nennt z.B. den Dokumentations- und Verwaltungsaufwand, der immens gestiegen ist. “Ganz zu Schweigen von Beratungsgesprächen", so Lemke weiter. Damit wird deutlich: Wenn man dann mal krank wird oder Urlaub hat, bleibt sehr viel liegen oder die Einrichtung gleich geschlossen - denn eine Vertretung gibt es nicht. “Das ist nervlich enorm herausfordernd und führt zu einem großen Berg an Überstunden. Ich fühle mich oft wie ein verzweifelter Einzelkämpfer.” Daher fordern die Kirchengemeinden seit Jahren auch den Stellenschlüssel anzuheben: “1 1/2 Stellen je Einrichtung - damit könnte man gut arbeiten!” so Lemke.
“Höherer Aufwand. Gestiegene Personal- und Betriebskosten bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen. Es ist 5 vor 12”, bringt Steffen Schuldt das Problem auf den Punkt. In Frömern zum Beispiel sind die Kirchensteuereinnahmen seit 2005 um über 50.000 Euro gesunken. “Wir haben gespart.
Wir haben umgeschichtet und nach alternativen Einnahmen gesucht. Doch jetzt geht es nicht mehr.” ergänzt Jochen Müller, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Dellwig, zum Thema Finanzen. “In den nächsten Jahren können wir die Arbeit mit der aktuellen Finanzierung nicht mehr auf dem hohen Niveau fortführen.” Da sind sich beide einig. Dass die Kirchengemeinden nicht wissen, wie sie die Arbeit ohne eine auskömmliche Finanzierung auf Dauer aufrechterhalten sollen, hat sich auch schon herumgesprochen. “Wenn das SPIRIT, unser Jugendzentrum in Frömern schließt, dann fehlt uns unsere zweite Heimat!” findet Gloria Kittel.
Die Frömernerin ist seit Jahren “Stammgast” bei vielen Aktionen der Ev. Jugend Frömern, fährt jedes Jahr mit auf die Sommerfreizeiten, arbeitetbei Kinderbibelwochen mit und ist - wenn nicht gerade Corona ist - mehrmals in der Woche in “ihrem” Spirit. Sie trifft dort Freunde, besucht
Konzerte oder bereitet als Ehrenamtliche Projekte und Aktionen vor.

Aktuell sehen einige Politiker und naturgemäß die Kämmerer der drei Kommunen die Kosten des Gesamtetats der Kinder- und Jugendhilfe kritisch, wollen die Zuschüsse für die Förderung der Einrichtungen nicht erhöhen. Die Kirchengemeinden, die gern weitermachen möchten, halten
dagegen und bekommen Unterstützung vom Superintendenten Dr. Karsten Schneider: "Die Angebote sind für die zukünftige Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen von unschätzbarer Bedeutung. Die Kirchengemeinden brauchen aber auch eine verlässliche Grundlage, mit der sie ihre Kinder- und Jugendarbeit in die Zukunft hinein planen können. Es ist sinnvoll, hier im Vorfeld etwas mehr zu investieren. Auf das Ganze gesehen zahlt sich das sicherlich aus." Tatsächlich kommt ein Großteil der Zahlungen der Kinder- und Jugendhilfe - nicht nur im Kreis Unna - dadurch zustande, dass Fehlentwicklungen im Nachhinein korrigiert werden müssen, zum Beispiel durch die sog. Hilfen zur Erziehung.
“Die Mittel für die Jugendarbeit müssen also auch zur Vorbeugung maßvoll gesteigert werden. Die Entlastung der Träger und insgesamt zwei zusätzliche Fachkraftstellen führen zu Mehrausgaben von ca. 0,58 % in der Haushaltsposition der Kinder- und Jugendarbeit oder ca. 183.000 €. Gemessen am Gesamtetat der Kinder- und Jugendhilfe in Höhe von 31 Mio € eine grotesk kleine Summe, für die aber enorm viel bewegt werden kann. “Damit das klar ist: wir wollen hier nicht anprangern oder jemandem etwas vorwerfen! Es geht uns nur darum, dass das Thema nicht aus dem Blick gerät. Dafür ist die Arbeit in den Einrichtungen zu wichtig. Und dazu wäre es hilfreich, wenn der Jugendhilfeausschuss so bald als möglich - am liebsten in der nächsten Sitzung am 13. Januar 2021 - einen auskömmlichen Förderplan beschließt. Wir sind bereit!” so Schuldt.

Autor:

Lokalkompass Unna/Holzwickede aus Unna

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