Weitere 65 Mio. Euro bei Bochumer Stadtwerken vernichtet

Wieder mal müssen die Bochumer Stadtwerke rund 65 Mio. für eine Fehlinvestition abschreiben. Wieder wurden 65 Mio. verbrannt, die die Stadt an anderer Stelle eigentlich dringend hätte gebrauchen könnte.

Doch statt die 65 Mio. in die Stadt zu investieren, beschlossen die Stadtoberen 2008 dick in den Kraftwerksbau einzusteigen, u.a. in den Bau des Kohlekraftwerks Hamm-Uentrop. Mit den daraus erhofften Millionengewinnen sollten die maroden Stadtfinanzen saniert werden.

Die sich abzeichnende Energiewende wurde bei der damaligen Investitionsentscheidung großzügig ignoriert. Die Ewiggestrigen in der SPD erklärten, dass die Kohle auch zukünftig für Deutschland und das Ruhrgebiet unverzichtbar sei. Für den Kampf gegen den Strukturwandel und die Beharrung auf den gewohnten Säulen des Ruhrgebietes Kohle und Stahl sollte der weitere Einstieg der Kommunen in die Kohleverstromung ein deutliches Zeichen sein.

Die Ruhrgebiets-Grünen machten Augen und Ohren zu und verrieten damit zugleich ihre vorgeblichen Umwelt- und Klimaschutzziele. 2 Jahre später sollten sie diese mit ihrer Zustimmung zum Kauf des Kohleverstromers STEAG dann endgültig aufgeben.

Diejenigen, die sich bei Rot-Grün für einen nachhaltigen Strukturwandel, Klimaschutz und eine Sanierung der Stadtfinanzen stark machten, fanden in den eigenen Parteien kein Gehör.

Und wieder stellten sich die vollmundigen Versprechen nur als heiße Luft heraus. Denn jetzt steht fest, das Kraftwerk Hamm-Uentrop wird für alle Beteiligten zu einem Finanzdesaster.

Die versprochenen Gewinne wird es nicht geben. Das Kraftwerk ist nicht mal fertig. Eigentlich sollte es bereits 2012 an Netz gehen. Tatsächlich befindet sich Block D immer noch im Bau, nur Block E wurde 2014 in Betrieb genommen. Die Kosten explodierten von geplanten 2,4 Mrd. auf nunmehr geschätzte 3 Mrd.

Die RWE hatte das Projekt geschickt eingefädelt und sich 23% des Budgets für den Bau von den Stadtwerken der Not leidenden Ruhrgebietskommunen zuschießen lassen. Jetzt bietet die RWE den Ruhrgebietskommunen an, ihren Anteil für einen symbolischen Euro zu übernehmen, um den Städten die zukünftig zu erwartenden Verluste zu ersparen. So stehen die Kommunen jetzt für ihre Fehlinvestition gerade und müssen die von ihnen in das Kraftwerk investierten 690 Mio. bis auf einen Euro vollständig abschreiben (<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.handelsblatt.com/my/unternehmen/industrie/rwe-projekt-mit-stadtwerken-in-hamm-kraftwerk-fuer-einen-euro/12041344.html?ticket=ST-1516826-qpjFWuaDfq29xkhIGBYz-s02lcgiacc02.vhb.de">Handelsblatt vom 10.07.15</a>).

Das Projekt ist beispielhaft für das Missmanagement in den Ruhgebietskommunen. Die öffentlichen Unternehmen und Stadträte können die Risiken nicht einschätzen. Den Ratsmitgliedern fehlt zu einem wesentlichen Teil jegliche Kompetenz die Risiken entsprechender Milliarden-Geschäfte beurteilen zu können, geschweige denn die Möglichkeit kontrollieren zu können, was für Geschäfte ihre Stadtwerke da eingehen. So war es für die Privatkonzerne ein Leichtes die Risken ihrer Geschäfte zum Teil auf die finanziell ohnehin ruinierten Städte abzuwälzen.

Unternehmen wie RWE drücken den Kommunen ihre Entscheidungen auf, denn die Verfilzung der Entscheidungsträger z.B. bei der RWE und den Ruhrgebietskommen ist eklatant. Greenpeace stellt 2013 in ihrem Schwarzbuch anschaulich dar wie einflussreiche Politiker ihr politisches Mandat mit Tätigkeiten für die Kohlewirtschaft vermischen. Viele wechseln nach ihrer politischen Laufbahn auf einträgliche Posten in der Kohlewirtschaft. Jeder zweite hat ein SPD-Parteibuch (<a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20130409-schwarzbuch-kohle.pdf">Schwarzbuch der Kohlewirtschaft</a>).

Die Ruhrgebietskommunen verhalten sich eher wie die viel gescholtenen Hedgefonds als wie Städte, die eigentlich die Daseinsvorsorge der Bürger im Blick haben sollten.

Entsprechend halten die Ruhrgebietskommunen auch noch 16% der RWE-Aktien. Deren Wert und Dividende seit Jahren unaufhaltsam verfällt (<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://ruhrblogxpublik.de/2013/09/20/spd-vernichtet-tafelsilber-rwe-aktien-wertlos/">SPD vernichtet Tafelsilber – RWE-Aktien wertlos</a>).

Die Fehlinvestition Hamm-Uentrop reiht sich ein in eine erschreckend lange Reihe von ähnlichen finanziellen Fehlschlägen der Stadtwerke Bochum. So musste der kommunalen Energieversorger bereits für die Kraftwerksblöcke in Lünen, die Beteiligung am Gasspeicher in Gronau-Epe, den Offshore-Windpark Borkum West und ein Wasserwerk in Algerien, Rückstellungen und Abschreibungen in zweistelliger Millionenhöhe bilden bzw. tätigen.

Trotz der eklatanten Fehlinvestitionen werden die Bochumer Stadtwerke dadurch nicht in eine gefährliche finanzielle Schieflage geraten. Jedoch könnten sie ohne die verlustreichen Geschäfte jedes Jahr hohe Millionenbeträge mehr an die Stadtkasse abführen. Geld, das die finanzschwache Stadt dringend gebrauchen könnte.

Zudem zeigt das Beispiel Hamm-Uentrop, statt Millionen in den Strukturwandel zu investieren, haben die Ruhrgebietskommunen hunderte Millionen in der Energiewirtschaft, insbesondere im Kraftwerksneubau versenkt. Wie sollte so der Strukturwandel gelingen?

Statt in zukunftsfähige Branchen zu investieren und sich darauf zu konzentrieren entsprechende Unternehmen anzusiedeln, hat man sich an den Geschäften von Energieriesen wie RWE oder EON beteiligt, auf einem Markt, der aufgrund der absehbaren Energiewende hohe Risiken birgt.

Dass der Strukturwandel nicht gelingt, haben sich die Kommunen, also auch Bochum, somit zu einem großen Teil selbst zuzuschreiben. Die Bewältigung des Strukturwandels hätte eigentlich das vordringliche Ziel in der Stadt sein sollen. Sich als Stadt stattdessen mit 3-stelligen Millionenbeträgen im Kraftwerksbau zu engagieren zeigt, dass die Politik in Bochum völlig die Orientierung verloren hat. Eine zielgerichtete strategische Politik, die strukturellen Probleme der Stadt anzugehen, ist auch weiterhin nicht zu erkennen.

Die Politik muss dafür sorgen, dass Stadt und Stadtwerke sich so schnell wie möglich aus dem Kraftwerksbau zurückziehen. Der STEAG-Ausstieg muss angegangen werden. Die RWE-Aktien hätten schon lange verkauft werden müssen. Die Politik muss endlich auf den Strukturwandel fokussiert werden. Weil einige Stadtpolitiker unbedingt Energiemanager spielen wollten, sind Stadt und Stadtwerken mindestens 8 wertvolle Jahre und Millionen verloren gegangen, die Probleme haben sich währenddessen weiter verschärft. Sie müssen endlich systematisch angegangen werden.

Volker Steude
<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.die-stadtgestalter.de/">Die STADTGESTALTER</a> - politisch aber parteilos

<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://baeh-buerger.de/">BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz</a>

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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