Dank aus Pariser Rathaus und Verteidigungsministerium an Dortmunder
Botschafter der Erinnerung erleben Gänsehautmomente beim Gedenktag in Paris

Junge Dortmunder reisten als Botschafter zum Nationalen Gedenktag nach Frankreich, um das Gedenken und die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten.   | Foto: Jugendring
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  • Junge Dortmunder reisten als Botschafter zum Nationalen Gedenktag nach Frankreich, um das Gedenken und die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten.
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"Gemeinsam gegen den Hass! - Tous ensemble contre la haine!", das war die Botschaft der Dortmunder beim Gedenktag in Paris. Das Karfreitagsgedenken in der Bittermark verbindet Deutsche und Franzosen auf ganz besondere Weise. Gemeinsam mit dem Jugendring Dortmund haben die Botschafterinnen und Botschafter der Erinnerung die Grundlage für eine neue Tradition geschaffen. Ende April nahm eine Jugenddelegation an Gedenkveranstaltungen in Paris teil.
Der persönliche Dank von Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, bestärkt die Jugendlichen in ihrem Engagement und lässt erahnen, dass eine neue Tradition heranwächst.
Trommeln durchbrechen die morgendliche Stille auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise. Die Fahnenträger erheben ihre Fahnen, die sie umgebenden Menschen werden still. Es ist der letzte Sonntag im April, in Frankreich seit 1954 Nationaler Gedenktag für die Opfer der Deportation. Gemeinsam mit den französischen Teilnehmern blicken zwölf Jugendliche aus Dortmund auf eine scheinbar endlose Reihe an Gedenksteinen für die französischen Opfer des NS-Terrors.

"Ausmaße der Tyrannei"

„Dieser Augenblick führte mir wieder einmal vor Augen, welche Ausmaße die Tyrannei angenommen hat“, berichtet Melanie Burgdorf. „Ich fühlte mich aber auch bestärkt in meiner Arbeit als Botschafterin der Erinnerung, dafür Sorge zu tragen, dass so etwas nie wieder passiert.“ Gemeinsam mit den anderen Jugendlichen gestaltet Melanie seit vielen Jahren das Karfreitagsgedenken in der Bittermark.
Auf Einladung von Madame Nicole Godard, stellv. Vorsitzende des Verbandes der Zwangs- und Arbeitsdeportierten, und des französischen Verteidigungsministeriums nehmen sie nun zum ersten Mal an den Gedenkzeremonien in Paris teil. Ihr Weg führt sie an diesem Sonntag entlang der Gedenksteine. Zwanzig Stationen, jede für ein anderes Konzentrationslager, erwarten die Gruppe an diesem Morgen.
„An jeden einzelnen Gedenkstein fand eine kurze Gedenkzeremonie statt und jeder konnte für sich Steine zum Gedenken niederlegen" berichtet Lukas Spasovski. „Das hat mich am meisten beeindruckt.“ Ein Gedenkstein hat für die jungen Menschen aus Dortmund eine ganz besondere Bedeutung. Er erinnert an die französischen Opfer der Dortmunder Karfreitagsmorde in den letzten Kriegstagen. In einer Urne befinden sich Erde und ein Stück Stacheldraht aus der Bittermark.

Hier wird Verantwortung konkret

An dieser Stelle wird die gemeinsame Verantwortung für ein Europa ohne Hass und Gewalt konkret. Auf einem Banner der Botschafter der Erinnerung sind die 32 bekannten Namen, der in Dortmund ermordeten Franzosen, zu lesen. Für die Jugendlichen ist dies ein ganz wichtiges Element. „Keiner darf in Vergessenheit geraten. Solange wir der Opfer gedenken bleiben sie am Leben,“ erläutert Lina Koepke. Die eindeutige Botschaft auf dem Banner zum Karfreitagsgedenken 2018, formuliert von deutschen und französischen Jugendlichen, verstärkt dies: Gemeinsam gegen den Hass! - Tous ensemble contre la haine!

Näherkommen ist zu spüren

Gemeinsam gehen Franzosen und Deutsche zum Rathaus des 20. Arrondissement. Dort liegt ein Blumengebinde bereit. „Les ambassadeurs de la mémoire“ steht auf der schwarz-rot-goldenen Schleife. Andächtig schweigend legen die Jugendlichen es zu den anderen Gebinden unter der Gedenktafel nieder. Auf dieser ist zu lesen: „Mögen die Völker einander näherkommen und gemeinsam das Fest des Friedens feiern.“ In diesem Augenblick ist etwas davon zu spüren.
Nach einem kurzen Austausch mit Vertretern des 20. Arrondisement geht es weiter zum Mémorial de la Shoah. Trotz der offiziellen Einladungskarten des Verteidigungsministeriums erleichtert die Begleitung durch Madame Godard und Gabriele Herdemertens, Beauftragte der Stadt Dortmund für die Bittermark, den Zugang.
Immer wieder kommen Gäste der Gedenkveranstaltung und begrüßen Madame Godard. Sofort werden die Botschafter der Erinnerung vorgestellt. Frau Herdemertens übersetzt für die deutsche Gruppe und gibt hilfreiche Zusatzinformationen. Vertreter von Opferverbänden, Zeitzeugen, die französische Verteidigungsministerin und ihre Staatssekretärin begrüßen die Jugendlichen und danken für ihre Teilnahme.

Überlebende kommen zu Wort

Am Denkmal für die Märtyrer der Deportation erleben die Jugendlichen noch einmal einen ganz besonderen Augenblick. Hier kommen die Überlebenden zu Wort. „Es war für mich ein Gänsehautmoment, als ich einen Überlebenden in seiner Sträflingskleidung gesehen habe“, berichtet Lina Koepke. Wie selbstverständlich trug der alte Mann seine KZ-Kleidung, der rote Winkel des politischen Häftlings war unter Orden und Ehrenmedaillen kaum zu sehen. „Er hat mir gezeigt, dass man die Vergangenheit nicht vergessen kann.“
Überhaupt war dieser Teil geprägt vom Engagement der Überlebenden. „Ihre Reden haben mich nachhaltig beeindruckt“, erzählt Fabian Karstens.

Erinnerung an Opfer wachhalten

„Ihr Engagement bestärkt mich, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten.“ Hier am Mémorial des Martyrs de la Déportation sind auch mehr Jugendliche beteiligt. „Man hat dort gesehen das sich auch hier junge Menschen für das Erinnern engagieren. In Dortmund sind Jugendliche aber viel stärker beteiligt,“ erklärt Nina Koeta. Vielleicht bietet sich bald die Gelegenheit voneinander zu lernen. Mit Unterstützung von Madame Godard wollen die Botschafterinnen und Botschafter der Erinnerung eine Partnerschaft mit französischen Jugendlichen aufbauen.
Gemeinsam mit den Überlebenden und den Vertreterinnen und Vertretern der Opferverbände geht es im Reisebus weiter zum l´Arc de Triomphe. Gespräche begleiten die Fahrt und bestärken das Gefühl wie wichtig es ist, gemeinsam zu erinnern.

"Wir kommen wieder!"

Die Abschlusszeremonie am Grab des unbekannten Soldaten schließt den Tag ab. Die Ehrengäste um Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, bedanken sich per Handschlag bei den Jugendlichen aus Dortmund. Spätestens in diesem Moment steht der Entschluss, im nächsten Jahr wiederzukommen. Andreas Roshol vom Jugendring Dortmund wird die Gruppe dann wieder begleiten: „Heute ist es wichtiger denn je gemeinsam die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Diktatur wachzuhalten. Nur so können wir das großartige Friedensprojekt Europa bewahren.“ Gemeinsam mit seinen Partnerinnen und Partnern wird der Jugendring weiter daran arbeiten.

Autor:

Antje Geiß aus Dortmund-City

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