Bundesweites Theaterprojekt zu NSU-Morden – Dortmunder Keuninghaus mit 14 Veranstaltungen beteiligt
„Kein Schlussstrich!“

  Kassel 2006.  | Foto: Ayse Guelec

„Kein Schlussstrich!“, heißt es in diesem Herbst auch in Dortmund: Das Keuninghaus beteiligt sich am gleichnamigen bundesweiten Theaterprojekt. Ziel ist es, die Taten und Hintergründe des so genannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) künstlerisch zu thematisieren. Damit ist das Keuninghaus Teil einer Kooperation von Theatern und Institutionen aus 13 Städten, die zwischen dem 21. Oktober und 7. November 2021 auf die Taten von damals und den Rassismus bis heute aufmerksam machen.

Im Herbst jährt sich die Selbstenttarnung des NSU zum zehnten Mal. In Dortmund war im April 2006 Mehmet Kubaşik ermordet worden. „Die Spur der Nazi-Morde führte quer durch Deutschland. Die bisher einmalige Zusammenarbeit zwischen den betroffenen Städten für dieses bundesweite Kunst- und Theaterprojekt ist eine menschlich-solidarische Antwort auf das grausam Unmenschliche. Für uns als Teil der Veranstaltenden und als einzige Soziokultureinrichtung ist es eine berührende Herausforderung, die wir im Bewusstsein der besonderen Verantwortung gern angenommen haben“, sagt Levent Arslan, Direktor des Keuninghauses.

Alle Veranstaltungen finden im Keuning-Haus statt und sind kostenlos. Anmeldung unter veranstaltungsorganisation@stadtdo.de. Für das Programm kooperieren das Schauspiel des Theater Dortmund und das Dietrich-Keuning-Haus. Zum Dortmunder Programm gehört eine szenische Lesung in Kooperation mit dem Dortmunder Schauspiel, die die Liebesgeschichte von Mehmet Kubasık und seiner Frau Elif thematisiert. Während der gesamten Projektlaufzeit gibt es ein Rahmenprogramm aus Ausstellungen, Musikveranstaltungen und Gesprächen.
Bundesweit beteiligt sind Akteure in den Städten, in denen Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kılıc, Mehmet Turgut, İsmail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter von Rassisten ermordet wurden. Auch jene Städte sind beteiligt, in denen die Täter des NSU aufwuchsen, Aufenthalt oder Unterstützung fanden. Das Projekt will die Perspektiven der Familien der Opfer und der migrantischen Communities in den Fokus stellen – mit allen künstlerischen Mitteln, Diskussionen und Workshops.

Ausstellung

 „Offener Prozess“

21. Oktober bis 7. November

In Dortmund startet das Programm mit der Ausstellung „Offener Prozess“, die vom 21. Oktober bis 7. November jeweils dienstags bis samstags von 10 bis 22 Uhr im Keuninghaus zu sehen ist. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung nimmt die ostdeutsche Realität, insbesondere in Sachsen, zum Ausgangspunkt, um eine Geschichte des NSU-Komplexes zu erzählen, die von den Migrationsgeschichten und den Kontinuitäten rechter und rassistischer Gewalt und des Widerstandes dagegen ausgeht. Die Beiträge widmen sich den Lebensrealitäten von Gastarbeiter*innen, Migrationsgeschichten, dem Alltag in Deutschland und der rechtsterroristischen Gewalt wie dem Alltagsrassismus. Aktivistische Initiativen erinnern an Opfer dieser Gewalt und geben dem Widerstand eine Stimme. Die Ausstellung fordert zum Handeln auf.

Konzert (mit Voranmeldung):

Ebow 

21. Oktober, 19.30 Uhr
Im Spiel mit unseren Erwartungen rappt die Münchenerin Ebow gegen Sexismus, Rassismus, Homophobie und für eine offene und solidarische Gemeinschaft und verweigert sich dabei jeder Kategorisierung.

Vernissage
„Correctiv:

Im Fadenkreuz des rechten Terrors“

25. Oktober, 19.30 Uhr
Rechter Terror richtet sich oft gegen Einzelne – aber er soll alle treffen. Nichts zeigt das besser als die 57 Porträts in dieser Ausstellung und im Begleitband. Die abgebildeten Menschen wurden von Rechtsextremen als Gegner markiert und auf sogenannte „Feindeslisten“ gesetzt. Die Ausstellung macht sie sichtbar.

Lesung:

Weiße Wölfe

27. Oktober, 19.30 Uhr
„Weiße Wölfe“ ist eine grafische Reportage über rechten Terror: Autor David Schraven und Grafiker Jan Feindt enthüllen darin die Ideologie der Neonazis und zeigen: Es sind regionale Gruppierungen wie jene in Dortmund, die Anschläge nach Art des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) erst möglich machen. Die Zuschauer hören zu, sehen zu – und lernen die Einflüsse und Aktivitäten der rechten Szene in der Stadt Dortmund kennen. Es lesen David Schraven und Sascha Bisley, dazu gibt es eine Bildershow.

Konzert / HipHop:

Microphone Mafia

28. Oktober, 19.30 Uhr
Microphone Mafia aus Köln sind eine der ältesten aktiven Hiphop-Acts in Deutschland.

Themenabend (mit Voranmeldung):

60 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei

29. Oktober, ab 18 Uhr
Deutschland und seine türkischen „Gastarbeiter“: Ist es eine arrangierte Zweckbeziehung oder eine Liebe auf den zweiten Blick? Ist die Aubergine tatsächlich mit den Türken nach Deutschland gekommen? Entstand die Dönertasche in Deutschland? Waschen sich die Deutschen tatsächlich nur einmal in der Woche? Gastarbeiter*innen aus der ersten und zweiten Generation sowie Zeitzeug*innen kommen zu diesen und anderen Themen zu Wort. Dazu gibt es Musik, Comedy, Tanz und Party sowie hausgemachte türkische Köstlichkeiten.
Mit dabei sind Lale Akgün (Politikerin), Günter Wallraff (Autor), Ferda Ataman (Journalistin), Ozan Ata Canani (Musiker), Özcan Cosar (Kabarettist, Moderator und Schauspieler), Serap Güler (Staatssekretärin in der Landesregierung NRW), Kübra Gümüsay (Journalistin und Autorin), Tayfun Keltek (Landesintegrationsrat NRW), das Ehepaar Sarıkaya (Bergmann und Sozialarbeiterin aus Dortmund), Jörg Stüdemann (Stadtdirektor der Stadt Dortmund) und Nesrin Tanc (Kulturwissenschaftlerin). Es moderiert Aslı Sevindim, Abteilungsleiterin im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen.

Polittalk

Dialog von und mit Jugendlichen

30. Oktober, 19.30 Uhr
Ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Jugendlichen aus der Dortmunder Nordstadt und Politiker*innen, u.a. mit der Bezirksbürgermeisterin Innenstadt-Nord, Hannah Rosenbaum. Die Jugendlichen bekommen die Möglichkeit, ihre Meinung zu (Alltags-)Rassismus, Rechtsextremismus und Diskriminierung in Dortmund zu formulieren und in den Diskurs mit Vertreter*Innen aus Politik zu treten. Die Jugendlichen gestalten die Form und „Spielregeln“ der Polittalks in Eigenregie und setzen sie als Moderator*innen auf der Bühne um.

Oratorium

„Manifest(o)“: Der Chor der Vergebung / Affetme Korosu

31. Oktober, 19 Uhr
Eine musikalische Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex unter Einbeziehung verschiedener Laienchöre.

Gesprächskreis:

Kein Schlussstrich! Wie erinnert Dortmund?

2. November, 19.30 Uhr
Ein Talk über den Umgang mit Erinnerungskultur, u.a. mit Ali Sirin (Bündnis Tag der Solidarität - Kein Schlussstrich Dortmund), Roxanna Lorraine-Witt (Safe Space e.V.) und Duygu Soeyler (Migrantifa NRW).

Film & Diskussion (mit Voranmeldung):

Aussteiger

3. November, 19.30 Uhr
In Interviews und Erzählungen berichten Aussteiger aus der rechten Szene aus Dortmund und Umgebung. Im Anschluss findet eine Gesprächsrunde mit Aussteigerbegleiter*innen statt.
Musikalischer Abend mit poetischer Begleitung: Diversität (l)eben!4. November, 20 Uhr
Let’s sing! Let’s rock! Let’s spread some love! Ein musikalischer Abend, an dem die Künstler*innen auf ihre Art sagen, was Frieden, Gerechtigkeit, Zusammenhalt und Gemeinschaft für sie bedeuten und wonach sie sich sehnen. Ein Abend, der einer Phantasiereise gleich kommt. Dabei sind Joyce Nuhill, & Wolfgang Brust, Rejoice & Rapha, El Festus, Mister Kibs & Jojo und Aylin Celik.

Szenische Lesung (mit Voranmeldung)

Aus „NSU-Monologe“

5. November, 19.30 Uhr
Unter der Regie von Emel Aydogdu werden Teile des Theaterstücks „NSU-Monologe“, die Familie Kubasik betreffend, neu aufbereitet. Die Regisseurin schafft den Brückenschlag von der Geschichte der Familie Kubasik hin zu ihrer eigenen Biografie und lässt keinen Zweifel daran: Es hätte meinen Vater oder meinen Opa ebenso treffen können. Es hätte jeden treffen können. Zu jeder Zeit. Eine Kooperation zwischen Theater Dortmund, Schauspiel und dem Keuninghaus.

Oratorium

„Manifest(o)“: Gleißendes Licht / Parlayan Nur

7. November, 19 Uhr
Genozide und Morde von Staaten oder Einzelpersonen – die Geschichte ist voll von Menschen, die auf Gerechtigkeit warten. Wann werden diese Menschen sagen dürfen, dass Gerechtigkeit geschehen ist? Der Pianist Emre Elivar setzt mit seiner Performance ein Zeichen und erinnert durch die Komposition von Marc Sinan zugleich an die Schönheit wie die dunklen Abgründe menschlichen Handelns. Musikalisch ist das Programm ein Treffen der Gegensätze, eine wahnwitzige Überschreibung von Beethovens 5. Klavierkonzert, gerahmt von Kompositionen Mahir Cetiz‘, Olivier Messiaens und Franz Schuberts.

Hintergrund
Träger von „Kein Schlussstrich!“ ist der Verein „Licht ins Dunkel e.V.“. Mitwirkende Institutionen sind neben dem Keuninghaus der ASA FF e.V. in Chemnitz, Theater Chemnitz, Kampnagel Internationale Kulturfabrik Hamburg, Theater Heilbronn, JenaKultur, Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena, Theaterhaus Jena, Staatstheater Kassel, Schauspiel Köln, Staatstheater Nürnberg, Theater Plauen-Zwickau, Volkstheater Rostock, Theater Rudolstadt-Eisenach, Deutsches Nationaltheater Weimar. Kein Schlussstrich! wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes. Weitere bisher feststehende Förderungen erhält das Projekt durch die Stadt Nürnberg/N2025, die Bundeszentrale für politische Bildung, die Innovationsförderung der Stadt Jena, die Staatskanzlei Thüringen, die Initiative „The Power oft he Arts“ der Philipp Morris GmbH, die Rudolf-Augstein-Stiftung sowie die Mitglieder des „Licht ins Dunkel e.V.“.

Autor:

Lokalkompass Dortmund-City aus Dortmund-City

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