Glückliche Scharnhorster Künstlerin und Autorin Bruni Braun schreibt über ihren Termin im Impfzentrum
"Impfen macht nicht nur immun"

Nein, dieser Herr in Bronze steht nicht in einer der Warteschlangen... [P.S.: Die Skulptur "Hüttenmann", Symbol für die Industriekultur in Hörde,  war 1953 von der Dortmunder Künstlerin Friedel Dornberg (1910-1989) geschaffen worden. Früher stand das Denkmal auf dem Hörder Neumarkt.  Seit 2009 "bewacht" der "Hüttenmann", ungefähr 300 Meter Luftlinie vom ehemaligen Standort entfernt, nun das Areal Phoenix-West.] | Foto: Erich Braun
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  • Nein, dieser Herr in Bronze steht nicht in einer der Warteschlangen... [P.S.: Die Skulptur "Hüttenmann", Symbol für die Industriekultur in Hörde, war 1953 von der Dortmunder Künstlerin Friedel Dornberg (1910-1989) geschaffen worden. Früher stand das Denkmal auf dem Hörder Neumarkt. Seit 2009 "bewacht" der "Hüttenmann", ungefähr 300 Meter Luftlinie vom ehemaligen Standort entfernt, nun das Areal Phoenix-West.]
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 "Impfen macht nicht nur immun, sondern manchmal auch glücklich!" - Das ist jedenfalls die Essenz für Bruni Braun nach ihrem Termin im Impfzentrum. Die Scharnhorster Künstlerin und Autorin beschreibt ihn ausführlich, aber auch überaus erheiternd...

Von Bruni Braun

In einem halben Jahr werde ich 80 Jahre alt. Das ist der Grund, weshalb ich die offizielle Einladung zur ersten Impfung gegen Corona erhielt. Da ich trotz aller Kunst auch ein Büromensch bin, wollte ich dem Impfgeschehen zuarbeiten. Ich zog mir alle benötigten Formulare aus dem Internet und füllte sie aus. Auch Erich, mein Mann, obwohl jünger, sollte als Partner davon profitieren und so bereitete ich auch für ihn das Impf-Büropaket mit ausgefüllten Formularen, Impf-, Personal- und Krankenversicherungsausweis vor. 

Flippig? Mit ihrem blau gefärbten Haar und ihrer "starken" Brille kam Bruni Braun bei einem jungen Herrn am Check-out richtig gut an!  | Foto: Erich Braun
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Er wiederum machte eine Probefahrt zum Impf-Ort, um herauszufinden, wie man am besten vorginge, damit speziell für mich die dort zu bewältigenden Anforderungen möglichst stressfrei abgewickelt werden könnten, denn eine 1990 erlittene inkomplette Querschnittlähmung hat sich zwar auf gewisse Weise zurückgebildet, aber dennoch genügend Schrott hinterlassen, der mit zunehmend normalem Altersverschleiß unschöne Formen angenommen hat, die zum Beispiel Schlange stehen, Treppen steigen und Ähnliches nicht mehr wirklich zulassen.

Erich fand heraus, dass vom Parkplatz zum Impfzentrum hin ein Shuttle-Verkehr eingerichtet ist und dort, wo man ausgeladen wird, Rollstühle zu leihen seien. Dieses Problem schien also schon mal gelöst. Ich fragte später den Shuttle-Bus-Fahrer, wie ich denn nun an den Rollstuhl käme.

Er meinte: „Da oben kann man sie leihen, falls gerade welche da sind, denn die alten Leute nehmen sie immer alle weg.“ Ich hatt’s erst gar nicht begriffen, musste dann aber innerlich doch amüsiert grinsen über dieses aus Ahnungslosigkeit ungewollt entstandene Kompliment und dachte: „He!! Ich bin nicht mehr so jung, wie du netterweise vielleicht denkst, ich bin auch so ein „Alter Leut“!

Impfaspiranten trotzen dem eisigen Wind

Wir kamen an, ich erhielt meinen Rollstuhl und wir stellten uns am Ende der riesigen Warteschlange an, die bis zum festgesetzten Termin um 15.45 Uhr wahrscheinlich nicht abgearbeitet sein würde. Einen rechten Winkel bildend, jeweils zwei Personen nebeneinander, so standen in zwei mindestens je circa 30 Meter langen Schlangen die Impfaspiranten im eisigen Wind. Corona würden wir wohl nicht bekommen, aber vielleicht eine saftige Erkältung! Darüber tauschte ich mich mit einer, im vorgeschriebenen Abstand vor mir stehenden weiteren Impfwilligen aus, was mich überrascht staunen ließ, denn normalerweise ist Rollstuhlpräsens, wie ich sie jedenfalls wahrnehme, offensichtlich eher eine transparente Erscheinung , denn man wird nicht mehr wahrgenommen, geschweige denn angesprochen, obwohl man doch heutzutage eigentlich durch den konstanten Handy-Einsatz etc. daran gewöhnt sein sollte, auch bei gesenktem Kopf noch etwas registrieren zu können.

Mein Mann, der mich kennt, hatte wohl bemerkt, dass ich begonnen hatte, die Anzahl der vertretenen Rollstuhlfahrer*innen zu ermitteln. Er beugte sich von hinten zu mir runter und sagte leise: „Das muss dir nicht peinlich sein. Da sind noch mehr!“

Fast eine dreiviertel Stunde warten wir bei großer Kälte vor der Halle des Impfzentrums. Wenigstens regnet es nicht wie gestern bei Erichs Probelauf! Dennoch, ein eisiger Wind bläst über den erhöht liegenden Platz und lässt uns die Tränen in die Augen schießen. Das zu korrigieren ist wegen der Maske unangenehm und schwierig. Mittlereile ist durch die Kälte schon jegliches Gefühl aus meinem linken Daumen gewichen.

Ganz langsam, Schritt für Schritt geht es voran. Etwa zehn Meter vor dem Eingang der Impfhalle hatte wohl jemand endlich die zündende Idee, die Wartenden aufzuteilen in „AstraZenaca“ rechte Seite und „BionTech“ linke Seite. Das brachte Bewegung, und kurz darauf sind wir tatsächlich in der Halle. Drinnen gibt es noch eine kurze Diskussion um zwei Paare, die sich bei AstraZeneca falsch eingeordnet und nun in unsere BionTech-Schlange rein geschlichen und sich dort doch tatsächlich nicht an den Schluss gestellt haben…

Eine Innenansicht des Dortmunder Impfzentrums in der Warsteiner Music Hall auf Phoenix-West - vor der Inbetriebnahme (Archivfoto).  | Foto: Antje Geiß
  • Eine Innenansicht des Dortmunder Impfzentrums in der Warsteiner Music Hall auf Phoenix-West - vor der Inbetriebnahme (Archivfoto).
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Dann geht’s voran. Die mitgebrachten Papiere werden gescannt, Temperatur wird an der Stirn gemessen und weiter geht’s an einen Schalter, wo Personalausweis und Versicherungskarte gecheckt und Papiere zum Ausfüllen vorbereitet werden.

Formulare gleich zweimal ausgefüllt

„Genau dieselben Formblätter habe ich bereits fix und fertig zuhause ausgefüllt und mitgebracht“, sage ich zu der Dame im Schalter. Sie aber meint, sie bräuchten ihre eigenen Formulare, was ich kopfschüttend zur Kenntnis nehme, aber nicht verstehen kann, denn die Papiere sind in der Tat identisch, und ich hatte mir zu Hause eine Menge Zeit damit um die Ohren geschlagen.

Ich will an keiner Verzögerung schuld sein und nehme die von ihr vorbereiteten Mappen entgegen. Wir begeben uns an einen der vielen kleinen Tische und legen die Papiere ab. Ich mache mir noch etwas Luft über diese merkwürdige doppelte Art der Handhabung, was von einer umher stehenden Mitarbeiterin beobachtet wird und sie initiiert, an unseren Tisch zu kommen. Sie dachte wohl, wir kämen mit dem Ausfüllen der Papiere nicht zurecht. Mit wirklich sehr liebenswürdiger Geste zieht sie unser Material zu sich hin und mit einem verständnisvollen, gütigen Unterton, der endlose Geduld zu verheißen scheint, wie wenn ich meiner kleinen Tochter früher die Rechenaufgaben erklärte, beginnt sie, uns die Fragen der Formblätter vorzulesen. Als sie nun auch noch unsere Antworten eintragen will, unternehme ich noch einmal einen letzten verzweifelten Versuch zu erklären, dass sich dieselben bereits ausgefüllten Formblätter hier in meiner Mappe befänden und ich es nicht verstehen könne, dass ich genau dieselben jetzt noch einmal zeitraubend ausfüllen solle.

„Wir wollen halt unsere eigenen Formblätter haben“, sagt sie in verbindlichem Ton. „Wissen Sie, das ist halt unsere deutsche Bürokratie!“

Ich nicke zustimmend, gebe erschöpft nach und denke: „Wenn sie halt nicht wollen, dass man ihnen vorbereitend zuarbeitet, wozu schaffen sie dann diese Möglichkeit im Internet? Wenn sie also meine Blätter nicht verarbeiten möchten, dann sollen sie sie halt ruhig weiter selbst ausfüllen“, was die hilfreiche Dame auch ohne nachlassende Freundlichkeit tut und sie mir dann mit einem fröhlichen „… und schon sind wir damit fertig!“ übergibt. Wir haben uns also um des lieben Friedens willen helfen lassen und unsere „Hausaufgaben“ ganz in ihrem Sinne erledigt und werden weitergeschleust vor jene Kabine, in der die Impfspritze verabreicht werden wird. Wir müssen warten, denn es sind Impflinge drin, die sich wohl noch anziehen müssen.

Die junge Ärztin - in meinem Alter sind alle Ärztinnen „jung“ -, war total locker, freundlich und kompetent. „Sind Sie tatsächlich schon fertig?“, frage ich wirklich erstaunt, als sie die Spritze in die Schale zurücklegt. „Ich habe absolut nichts gespürt. Ich finde den Anblick im Fernsehen immer so schrecklich, wenn dort gezeigt wird, wie die lange Kanüle in den zusammengekniffenen Oberarm gerammt wird…“

Einen guten Job machte die Ärztin beim Impfen (Symbolbild). | Foto: Antje Geiß
  • Einen guten Job machte die Ärztin beim Impfen (Symbolbild).
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„Dann habe ich meinen Job ja gut gemacht!“, lacht die Ärztin und wendet sich meinem Mann zu. „Hoffen wir, dass es bei Ihrem Mann auch so gut funktioniert“, sagt sie und ich lästere, dass man davon nicht unbedingt ausgehen könne, denn Männer, wie man ja wisse, seien halt doch nicht so leidensfähig wie Frauen.

"Es hätte auch der Zugang zur Hölle sein können"

Er hat sich aber tapfer geschlagen und mit guten Wünschen auf Gegenseitigkeit verlassen wir die Kabine und werden wieder durch endlose an Flughäfen übliche Absperrungswege in einen letzten großen Wartesaal geschleust, wo wir noch aus Sicherheitsgründen eine Viertelstunde verweilen und dann zum Check-Out–Schalter für BionTech gehen sollen. Danach könnten wir uns zu jenem schwarzen Vorhang begeben, der den Durchgangsweg nach draußen verdeckt. Wir sollten die gecheckten Mappen noch einmal dem großen, in Schwarz gekleideten Mann vorzeigen und anschließend unter dem von ihm mit eleganter Geste hochgehobenen schwarzen Vorhang entschwinden. Der schwarze Vorhang, gehalten wie ein Tunnel, und der wirklich große schwarze Mann mit seiner überfreundlich einladenden Geste wirkten auf mich irgendwie strange. Es hätte auch der Zugang zur Hölle sein können, in die er uns nun grinsend lockt...

Wir absolvieren also brav noch unsere Abwarte-Viertelstunde, in der ich mir die anderen Wartenden ansehe und finde, dass sich diese Mischung nicht unbedingt unterscheidet von Menschen in einer Abflughalle. Einige schweigen sich an, andere unterhalten sich fröhlich, auf einen alten Herrn wird von seinem Begleiter begütigend eingeredet, andere beschäftigen sich mit ihrem Dosengetränk und wieder ein anderer beißt herzhaft in sein mitgebrachtes Butterbrot, ohne das er sicherlich augenblicklich verhungert wäre…

Erich schaut ungeduldig auf seine Uhr. Er will gehen. Ich habe es gar nicht mehr so eilig, denn ich spüre bereits, wie die Last, die mich vor diesem Termin nicht hatte schlafen lassen, langsam von mir abfällt und das Betrachten der Menschen um mich herum eigentlich ganz interessant ist. Jetzt nur noch auschecken, mit dem Shuttle-Bus zum Auto, um dann den Rollstuhl endlich verlassen zu können und wieder, wenngleich auch keine schnelle, so doch wieder eine „aufrechte“ Menschin zu werden! Das wird toll! Vorfreude breitet sich aus. Mehr brauche ich heute nicht zum Glück oder geht da noch was?

Wir erscheinen also am Check-Out-Schalter für BionTech. Hinter der Glasscheibe sitzt ein wirklich hübscher dunkelhaariger junger Mann. Er springt aus seinem Schalter heraus und mit den Worten: „Damit es bequemer für Sie ist“, räumt er für mich und meinen Rollstuhl den zweiten Besucherstuhl weg und verschwindet wieder hinter seiner Glasscheibe. Wir wickeln die Formalitäten ab, er schiebt mir zwei Mappen mit einem dicken roten Erledigungshaken vorne drauf unter der Glasscheibe hindurch, zeigt auf den bereits beschriebenen schwarzen Mann am schwarzen Vorhang und sagt: „Die Mappen müssen Sie ihm noch einmal vorzeigen und das war’s dann.“

Aufmunternder Zuruf aus ganz anderer Generation

Wir bedanken uns und, während wir uns zum Gehen wenden, sagt er: „Alles Gute und bleiben Sie gesund!“ Lachend lehnt er sich in seinem Stuhl zurück, hebt den Zeigerfinger und ruft mir zu: „…und bleiben Sie so flippig wie Sie sind! Das blaue Haar steht Ihnen super und die Brille ist auch wirklich stark!“

Wow! Ich bin total verwirrt. Sowas hat die unsichtbare Rollstuhlfahrerin überhaupt nicht erwartet. Gar nichts hatte sie erwartet und nun dieser aufmunternde Zuruf aus einer ganz anderen Generation! Jetzt war mein Tag gerettet!

„Danke!“, lache ich zurück, „das mach‘ ich ganz bestimmt! Alles Gute auch für Sie! Tschüss!“
Diese Impf-Aktion macht mich wohl immun gegen Corona, nicht aber gegen solch spontane Komplimente, die mich sicherlich noch länger heimlich schmunzeln lassen werden. Offensichtlich bin ich leicht zu erheitern…

Am nächsten Morgen beim Frühstück lassen wir die Impfaktion noch einmal Revue passieren. Natürlich habe ich mein Schmunzeln wieder im Gesicht! Da sagt mein Mann in seiner unnachahmlichen Art: „Stell dir mal vor, du wärst wirklich so eine richtig heiße Braut gewesen, dann hätten die dich doch gar nicht geimpft, weil du draußen bereits beim Temperatur-Messen durchgefallen wärest.“

So ist er halt, mein lieber Schwabe: „Ned dadld isch gnuag globt!“ - „Nicht getadelt ist genug gelobt!“

Autor:

Ralf K. Braun aus Dortmund-Ost

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