Kolumne "Blick ins Leben" von Heidi Prochaska

Der Schweinehund (gezeichnet von Kai Mussler, Grafiker)
  • Der Schweinehund (gezeichnet von Kai Mussler, Grafiker)
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Wissen schützt vor Torheit nicht

„Du bist sicherlich immer fleißig und arbeitest rund um die Uhr“, sagte eine gute Freundin zu mir. Die Pause nach diesem Satz ist zu winzig, als das eine Antwort hineinpasste. Also lächele ich sie an, freue mich über den eifrigen Eindruck, den ich hinterlasse und höre weiter ihren Ausführungen über Zeitplanung zu. Meine Gedanken schweifen ab und wandern zu meinem Sofa, auf dem ich gestern und Tage zuvor viele Stunden verbracht habe. „Wieso spricht sie gerade jetzt über Fleiß?“, denke ich und grüble über Zufälle, die es nicht gibt.

Ich war in den letzten Tagen eher faul. Es einzugestehen und sogar aufzuschreiben löst keine Glücksgefühle aus. Obwohl ich selbstständig bin und einige Aufgaben vor mir liegen, habe ich mich nicht aufraffen können. Ich habe gegessen, Kaffee getrunken, seichte Unterhaltung im Fernsehen geschaut, Sudokus gelöst und noch nicht mal ein Fachbuch gelesen. Ich habe Zeit vertan, die nicht wiederkommt. Eigentlich wollte ich vorarbeiten – habe ich aber nicht. Vielleicht, weil ich glaube, es mir gerade leisten zu können und (jetzt komme ich der Wahrheit noch näher) ein Projekt bevorsteht, in das ich mich einarbeiten muss.

Ein neues Thema braucht besondere Aufmerksamkeit und lässt sich nicht nebenbei erledigen. Ich muss „quasi hineinkriechen“ es zu meinem machen und meinen persönlichen Zugang finden. Welche eigenen Erfahrungen habe ich dazu gemacht, welche Beispiele kann ich präsentieren, welche Spannungselemente einsetzen? Das zu ergründen kostet mehr als die übliche Arbeit. Es ist beschwerlich.

Doch dann habe ich diesen Artikel geschrieben mich überwunden und einfach wieder angefangen. Gegensteuern, Klarheit bekommen, Ziele sehen – nennen Sie es wie Sie wollen – Hauptsache es macht „schwupp“ und ich bin wieder drin in der Arbeit, die ich mag, und mir Zufriedenheit und Bestätigung gibt. Die Stunden vergehen wie im Flug und mein neues Projekt wächst und gedeiht. Ich arbeite konzentriert und effizient – trotz Anstrengung. Das Bild meines Ergebnisses lockt mich wieder.

Keine Frage, ich arbeite gerne. Dennoch stehe ich regelmäßig vor diesem Überwindungsschritt. Natürlich weiß ich was gut und richtig ist, doch Wissen schützt vor Torheit nicht, sagt auch der Volksmund. Wissen und Tun zusammen zu bringen scheint manchmal so schwer zu sein, wie einem Elefanten Radfahren beizubringen. Ich begnüge mich mit der Einsicht, dass aufraffen und einfach tun eine Daueraufgabe ist und wohl zu meinem Leben gehört.

Autor:

Heidi Prochaska aus Essen-Borbeck

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