MLPD enthüllt Zwei-Meter-Statue in Horst - Gegendemonstrationen
Und täglich grüßt Lenin

Die Polizei begleitete anlässlich der Denkmal-Enthüllung am Samstag vier Demonstrationen. "Alle verliefen weitgehend friedlich und störungsfrei", war ihr Fazit am Ende des Tages. Foto: Gerd Kaemper
2Bilder
  • Die Polizei begleitete anlässlich der Denkmal-Enthüllung am Samstag vier Demonstrationen. "Alle verliefen weitgehend friedlich und störungsfrei", war ihr Fazit am Ende des Tages. Foto: Gerd Kaemper
  • hochgeladen von Silke Heidenblut

Die marxistisch-leninistische Partei Deutschlands aus Gelsenkirchen hat es wirklich getan: Sie enthüllte am Samstag eine Lenin-Statue auf dem Privatgrund ihrer Parteizentrale in Horst.

Rund 50 Gegendemonstranten waren gekommen, einige unter ihnen - wie die Polizei bestätigte - Angehörige diverser rechter Gruppierungen. Die FDP führte darüber hinaus mit fünf Teilnehmern eine Spontanversammlung auf der Schmalhorststraße durch, die sich ebenfalls gegen die Aufstellung der über zwei Meter hohen Statue wandte.
Nichtsdestotrotz wurde nach den dazugehörigen politischen Reden das rote Tuch, das das in den 1950er-Jahren in der Tschechoslowakei gegossene Werk verhüllte, heruntergezogen. Jetzt steht er also in Horst, der 1924 verstorbene Lenin, der als Wladimir Iljitsch Uljanow 1870 zur Welt kam und 1900 "Lenin" als seinen Kampfnamen wählte. Zur Enthüllung reisten auch die MLPD-Parteivorsitzende Gabi Fechtner und ihr Vorgänger Stefan Engel an. Sie verkündeten, dass der Lenin-Statue eine Marx-Statue auf dem gleichen Gelände folgen soll.
Im Vorfeld hatte die Stadt Gelsenkirchen versucht, die Aufstellung der Statue zu verhindern, scheiterte damit aber vorm Oberverwaltungsgericht. „Dass dieses Denkmal in Gelsenkirchen aufgestellt wird, ist nur schwer zu ertragen. Aber wir müssen nun eben damit umgehen“, erklärte Oberbürgermeister Frank Baranowski bereits im Vorfeld. „Es ist wirklich bizarr, nun solch ein Monument blinden Personenkultes in der Stadt zu haben.“ Die Stadt reagiert mit einer Aufklärungskampagne rund um Lenin: Es gibt eine Ausstellung im benachbarten Schloss Horst und ein Online-Videoprojekt #keinplatzfuerlenin (siehe Bericht unten). 

#keinplatzfuerlenin: Online-Video-Projekt

Weil die Stadt Gelsenkirchen die Aufstellung der Lenin-Statue nicht verhindern konnte, rief sie ein begleitendes Online-Videoprojekt vom Referat Kultur der Stadt und dem Institut für Stadtgeschichte zu kritischer Reflexion und Einordnung ins Leben.
Zahlreiche bundesweit ausgewiesene Kunst- und Kulturschaffende, Akteure der Erinnerungskultur, Wissenschaftler sowie Personen des öffentlichen Lebens haben auf Einladung der Stadt Gelsenkirchen in Video und Text kurze persönliche Statements zur Aufstellung einer Lenin-Statue in Deutschland im Jahre 2020 zur Verfügung gestellt. Auf der Webseite der Stadt und in verschiedenen Social-Media-Kanälen wurden diese Statements am Samstag unter dem Hashtag #keinplatzfuerlenin parallel zur Aufstellung des Denkmals veröffentlicht und sollen auf diese Weise zu weiterer Diskussion und zum Austausch von Argumenten anregen.
Von Katrin Budde, der Vorsitzenden des Kulturausschusses des Deutschen Bundestages und Mitglied im Stiftungsrat der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, bis zu Roland Jahn, dem Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, reicht die Liste der Teilnehmer. Prof. Dr. Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer, ist ebenso dabei wie der Musiker Yurij Gurzhy oder der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch. „Wir sehen unsere Aufgabe auch darin, zu einer gesellschaftlichen Debatte beizutragen und einer Geschichtsrevision entgegenzusteuern, die sich in der kommunistischen Revolutionsromantik äußert und die Verbrechen außer Acht lässt“, so Andrea Lamest, Leiterin des Referates Kultur. „Wir möchten der Öffentlichkeit ein breites und kritisches Meinungsbild präsentieren – über die historische Rolle und den Denkmalwert Lenins ebenso wie über die Bedeutung einer neu errichteten, gleichwohl aber mit kulturellen, historischen und politischen Bezügen aufgeladenen Statue“, so Dr. Daniel Schmidt, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte.
Neben dem Onlineprojekt #keinplatzfuerlenin gibt es zudem die Ausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und des Deutschen Historischen Museums „Der Kommunismus in seinem Zeitalter“, die bis zum 31. August in der Glashalle von Schloss Horst – direkt gegenüber der neu aufgestellten Statue – zu sehen ist. Auf mehr als 200 zeithistorischen Fotos, Dokumenten und Schaubildern vermittelt die Ausstellung einen Überblick über 100 Jahre Geschichte des Kommunismus seit der sogenannten Oktoberrevolution 1917.
Ausstellungsmacher ist der in Gelsenkirchen aufgewachsene Historiker Gerd Koenen, renommierter Experte für die Geschichte des Kommunismus und Autor verschiedener Bücher zum Thema, unter anderem „Das Rote Jahrzehnt“ (2001) und „Die Farbe Rot“ (2017).

Kommentar: Eher ein Mahnmal

Statue in Silber: Wer durch Horst fährt, wird dort jetzt von Wladimir Iljitsch Uljanow genannt Lenin begrüßt. Dabei hielt der Mann, den die MLPD-Vorsitzende als „weltgeschichtlich bedeutenden Vordenker und Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie für die Massen“ bezeichnet, nichts von Personenkult. Das kann man in Geschichtsbüchern nachlesen, doch damit tut sich die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei offensichtlich schwer. Denn mit Freiheit und Demokratie hatte das System Lenin nichts zu tun, das einer Partei die alleinige Macht im Land bescherte. Aus der möglicherweise idealistischen Grundidee einer "Diktatur des Volkes" entwickelte er eine Diktatur gegen das Volk. Wer in der DDR aufgewachsen ist, erinnert sich noch. Oder wer im Geschichtsunterricht aufgepasst hat... sisi

Die Polizei begleitete anlässlich der Denkmal-Enthüllung am Samstag vier Demonstrationen. "Alle verliefen weitgehend friedlich und störungsfrei", war ihr Fazit am Ende des Tages. Foto: Gerd Kaemper
Während allüberall personen-verherrlichende Denkmäler entfernt werden, stellt die MLPD in Gelsenkirchen eine Lenin-Statue auf. Es gibt auch eine Informationstafel über den Oktoberrevolutionär, die allerdings nicht darüber aufklärt, dass Lenin unter anderem verantwortlich für die Verbannung und Exekutierung vieler politischer Gegner war, die nie ein Gerichtsverfahren erlebt haben. Foto: Gerd Kaemper
Autor:

Silke Heidenblut aus Essen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

6 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.