Fußball-EM: Mittendrin, vielleicht aber doch nicht dabei

Werner Hassler an seinem Schreibtisch in Hattingen. Hierhin wird er erst nach der Fußball-Europameisterschaft zurückkehren. Seit Freitag pendelt er bereits wieder zwischen Polen und der Ukraine. Zwischendurch wird er die STADTSPIEGEL-Leser immer wieder mit Berichten aus den beiden Ländern in Wort und Bild versorgen. So hat er es ja schon von der Fußball-WM in Südafrika gemacht.  Foto: Römer
  • Werner Hassler an seinem Schreibtisch in Hattingen. Hierhin wird er erst nach der Fußball-Europameisterschaft zurückkehren. Seit Freitag pendelt er bereits wieder zwischen Polen und der Ukraine. Zwischendurch wird er die STADTSPIEGEL-Leser immer wieder mit Berichten aus den beiden Ländern in Wort und Bild versorgen. So hat er es ja schon von der Fußball-WM in Südafrika gemacht. Foto: Römer
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Ideen müsste man haben – so wie Werner Hassler. Dann könnte man auch zur Fußball-Europameisterschaft nach Polen und die Ukraine – so wie Werner Hassler. Aber dort vielleicht kein einziges Spiel sehen – so wie Werner Hassler aus Hattingen.

Erinnern Sie sich noch an die Fußball-WM in Südafrika? Auch dort mischte Werner Hassler, der Hattinger Event-Manager und Reisebus-Fachmann, hinter den Kulissen mit. Erfahrung genug brachte er aus der Formel 1 mit, wo er (fast) alle Großen des Rennzirkusses von A nach B transportiert hatte, wie der STADTSPIEGEL ja auch schon berichtete.
Und jetzt eben die Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine.
Früher als alle anderen hatte sich der 61jährige gefragt, wie denn all die Menschen durch Polen und die Ukraine transportiert werden sollten. Dafür gebe es doch sicher zu wenig Kapazitäten, glaubte er. Erst recht für die so genannten „VIPs“, die „very important persons“, also die, die sich für ganz wichtig halten oder tatsächlich wichtig sind.
Also fing der Hattinger an vor Ort zu recherchieren. Das war Anfang 2011. Wie erwartet herrschte bei Bussen Mangelware. Gemeinsam mit einem Partner, mit dem er bereits in Südafrika erfolgreich zusammengearbeitet hatte, sicherte er sich die besten Reisebusse.
Das war in Polen weniger problematisch als in der Ukraine. Dort stieß er auf lediglich drei geeignete Fahrzeuge, die neu genug für westeuropäische Ansprüche waren. Der Haken: zwei gehörten großen ukrainischen Fußball-Clubs, einer der Regierung.
Also Fehlanzeige.
Rettung nahte ausgerechnet bei einem Fußballspiel. Als im September die DFB-Auswahl in Danzig auf Polen traf, lernte Werner Hassler einen polnischen Reisebus­unternehmer kennen mit einer hochmodernen Fahrzeugflotte.
Letztlich wurde man sich doch nicht einig, aber es entstand ein weiterer Kontakt zum zweitgrößten polnischen Busunternehmen. Damit war ein gleichwertiger Partner gefunden. Werner Hassler: „Jetzt hatten wir eine große Busflotte zusammen. Da unser polnischer Partner außerdem in zwölf nagelneue Busse investierte, haben unsere Fahrzeuge jetzt ein Durchschnittsalter von zweieinhalb Jahren.“
Da war es gut, dass Werner Hassler und sein Partner Dennis Schreiner mit der Firma „Absolut Sport – Sportreisen und Logistik“ aus Darmstadt ihre andere „Baustelle“ nicht vernachlässigt hatten. „Wir wollten ja eigentlich an die Hauptsponsoren der UEFA ran“, plaudert Werner Hassler schmunzelnd aus dem Nähkästchen. Immerhin zählen dazu Weltfirmen wie Adidas, Carlsberg, Coca-Cola, Hyundai-Kia, McDonald’s oder Canon.
„Inzwischen haben wir Verträge geschlossen mit drei dieser Unternehmensriesen“, freut sich Werner Hassler. Aus vertragsrechtlichen Gründen darf er diese allerdings namentlich nicht nennen, wartet aber auf die Zusage weiterer. „Insgesamt haben wir für diese drei Top-Firmen einen riesigen Fuhrpark zusammen. Allein zum Finale am 1. Juli um 20.45 Uhr in Kiew haben wir 104 Busse und Mini-Vans im Einsatz.“ Was er hier höflich verschweigt: Hinzu kommen all die Busse, die er an andere Unternehmen verchartert hat...
Da sich in der Ukraine in Sachen Reisebusse nichts tat, galt es eine weitere als unüberwindlich geltende Hürde anzugehen. Bus-Leerfahrten aus dem EU-Land Polen in die Ukraine sind nämlich untersagt – eigentlich. Denn Werner Hassler und sein im Laufe der Zeit auf eine stattliche Zahl angewachsenes Team haben es nämlich geschafft, für ihr Vorhaben acht Wochen lang dieses Verbot auszuhebeln – als erste überhaupt!
Trotzdem ist Werner Hassler, der den offiziellen Titel „Head of Logistics“ trägt, noch ein wenig skeptisch: „Ich bin mal sehr gespannt, wie es sein wird, wenn wir das erste Mal mit zehn Bussen leer über die Grenze fahren. Man darf ja nicht vergessen, dort gibt es überall Korruption.“
Und schlechte Straßen. Daher bekommt jeder Fahrer nicht nur morgens einen persönlichen Weckruf per Telefon, sondern wie jeder der Mitarbeiter – die Zahl ist mittlerweile dreistellig – auch ein Handbuch. Darin sind alle Verantwortlichen im Foto und mit ihren Kontaktdaten vermerkt und außerdem alle zu fahrenden Strecken – inklusive möglicher Varianten bei Stau oder Sperrung – bis ins kleinste Detail aufgeführt und erst recht die reservierten Parkplätze eingezeichnet und der Standort der VIP-Zelte im Stadion-Bereich. Aber auch wie jemand gekleidet zu sein hat und „Benimm“-Regeln sind reichlich da drin zu finden.
Vor Ort wird „Head of Logistics“ Werner Hassler von vielen Mitarbeitern unterstützt, den „City Host Managern“, die wiederum einen großen Stab unter sich haben. Schließlich kann der Hattinger nicht überall sein, selbst wenn er verantwortlich dafür ist, dass alle benötigten Busse auch tatsächlich pünktlich ihre Fahrt aus den Depots antreten. Er hat einen riesigen Plan, auf dem zumindest für ein geübtes Auge eingezeichnet ist, wann was wo wie und mit wie vielen zu erledigen ist.
Viele zehntausend Kilometer ist der Hattinger in den letzten anderthalb Jahren von Dortmund aus geflogen oder mit der Bahn gefahren. Allein nach Polen gab es 15 Flüge. Innerhalb der jeweiligen Länder ist er viel Bus gefahren, denn er wollte und musste die Strecken ja kennenlernen.
Er schätzt, dass er mit seiner Mannschaft rund 13.500 Gäste während der gesamten EM transportieren wird. Und er rechnet für sich selbst mit dem ein oder anderen 48-Stunden-Tag.
Zwar hat er Zugang zu allen Bereichen der EM-Austragungsorte, doch ob er Zeit haben wird, sich auch einmal ein Spiel in Ruhe ansehen zu können, das weiß Werner Hassler noch nicht. Natürlich will er es versuchen.
Was hingegen sicher ist: Wie aus Südafrika wird er den STADTSPIEGEL-Lesern immer wieder einen Erlebnisbericht geben und Fotos liefern. Dafür will er sich die Zeit nehmen, hat er versprochen – selbst im größten Stress.
Obwohl Werner Hassler jetzt schon wieder seit letztem Freitag „drüben“ vor Ort bei seinen Fahrzeugen ist, freut er sich selbst sehr auf die EM: „Aber da bin ich nicht allein. Bei den Polen ist die Vorfreude ebenfalls riesig und die Stadien sind klasse. Dafür sind die Straßen sehr schlecht, da brauchen wir schon einmal für 350 Kilometer bis zu acht Stunden. Vorbehalte habe ich bei der Ukraine. Da gab es bislang bei den Menschen viel Skepsis, auch Finanzprobleme. Von Vorfreude habe ich dort noch nichts gespürt. Dafür aber sind die Preise horrend, Hotels mittlerweile fast unbezahlbar. Für das Appartement, das ich früher für 70 Euro bekommen habe, soll ich heute 500 Euro zahlen. Die spinnen doch!“

Autor:

Roland Römer aus Hattingen

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