Achtung: Junge Zombies an der Kreuzung

Medienkompetenz ist nicht nur Online wichtig. Offline könnte sie sogar Lebenswichtig werden.
Seit einigen Tagen geht ein sehr drastisches Video der Schweizer Polizei durch das Internet. Darin wird ein junger Mann - mit vermutlich tödlichem Ausgang - überfahren. Weil er so in sein Smartphone vertieft war, dass er blind auf die Hauptstraße lief.

Oft - und zu recht - wird vor der Gefahr durch Handynutzung am Steuer gewarnt. Letztlich mussten wir es sogar verbieten, um die Folgen wenigstens einzudämmen. Zu viele tun es trotzdem*. Und kaum einer davon würde sich eingestehen dabei nicht besser auszusehen als das, was jeder heute fast täglich beobachten kann: schlingende Vorausfahrende, fast-Auffahrunfälle, verpennte Ampeln, ruckartiges/erschrecktes Lenken. Und fast jedes mal sieht man denjenigen dann mit seinem Display rumfummeln.
Ja, auch da wird es noch viele Tote geben. Die, die zwar die letzte SMS sekunden-aktuell gelesen hatten...ihr letztes Stoppschild oder ihr letzes Stauende aber leider nicht.

Das Problem, auf das dieses Video aufmerksam machen will, ist jedoch mindestens genau so groß und hat das Potential sogar noch viel größer zu werden. Ich teilte es in meinen Netzwerken. Kommentiert wurde es mit augenzwinkerndem 'Böse Böse'. Ja, es ist sehr böse gemacht, aber es ist keine Satire. Es ist bitterer Ernst.

Es gibt leider noch nicht viele aussagekräftige Zahlen zu diesem Zombie-Fußgänger-Problem. Die meisten Untersuchungen verlegen sich komplett auf die andere Seite der Windschutzscheibe ('Handy am Steuer'). Aber erste Versicherungen schlagen schon Alarm. Erste Teil-Statistiken weisen rasant steigende Unfallzahlen aus. Und fast immer sind die Betroffenen Junge Erwachsene und Jugendliche.

Ausgeblendet:

Eine Untersuchung aus den USA belegt, dass ein intensiv daddelnder / chattender Fußgänger - anders als ein telefonierender Autofahrer - seine Umgebung fast vollständig ausblenden kann. Denn der Vorgang des Laufens passiert weitgehend 'automatisch'. Keine Bedien-Vorgänge am Fahrzeug, moderate Geschwindigkeit...da reicht das gelegentliche kurze Kopfheben, um auf dem Gehweg ohne Kollision durch zu kommen. Blöd nur, wenn man so gebannt und tief gebeugt nicht mal mehr merkt, wo der Gehweg endete.

Es häuft sich:

Untersuchungen brauche ich persönlich aber schon lange nicht mehr, um das Problem zu sehen. Ich bin viel im Stadtverkehr unterwegs und fast täglich begegnen mir junge Fahrradfahrer auf Schleuderkurs, beim Versuch zwischen den Ampeln eine Nachricht abzusetzen. Und innerhalb eines Jahres habe ich das Dutzend 'Paar aufgerissener Augen' vor meinem Kühler fast voll. Ob einer davon bis zur nächsten Kreuzung das Verkehrsgeschehen wieder an sich ran gelassen hat...ich weiß es nicht. Vielleicht für Minuten nach dem Schreck. Aber irgendwann wird jemand nicht schnell genug auf der Bremse stehen. Und auch dieser Fahrer wird dann Opfer sein. Er wird möglicherweise mit einem Unfall leben müssen, für den er nichts konnte, bei dem aber ein junger Mensch zu Schaden kam. Die meisten dürfte sowas schwer belasten.

Übertreibe ich hier?

Jeder in meinem Alter wird sich an die warnenden Eltern-Mantras Anfang der 80er erinnern, als der Walkman populär wurde. Und auch die Zeitungen waren voll von Horror-Prophezeiungen. Wir lachten sie natürlich dafür aus. Klar, wir wussten auch, dass 'nix hören' im Verkehr eigentlich nicht gut ist und kleine Unfälle kamen ja auch mal vor. Aber damals wie rückblickend nahm einem so ein Walkman nicht fast alle Sinne wie es ein Smartphone heute kann, oder?
Sich im Verkehr taub zu machen ist ein Risiko. Aber es ist überschaubar, wenn man dabei die Augen offen hält. Sich zusätzlich noch blind zu machen...wie nennt man das dann?

Erfahrungen?
Statements?
Kritik?

--
* Ja, ich bin auch kein völliges Unschuldslamm. Kurze Telefonate <30Sekunden kommen über den Monat vielleicht 1-2 vor, wenn ich mal die Freisprechkoppelung vergessen hatte. Display-tipperei aber ist bei mir im Auto ausgeschlossen.

Autor:

Andreas Rohde aus Wesel

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