Ritterturnier zu Groß Hesepe/Geeste
Das Ritterturnier beim Mittelaltermarkt 2023 in Groß Hesepe - eine Rezension

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Am 02. Und 03.09. in Groß Hesepe/Geeste war es wieder einmal so weit. Die Truppe der Stuntpferde.de gaben sich die Ehre und es gibt wenig mehr zu sagen als: was ein Fest für die Lachmuskeln!

Der Plot der Show
Folgendes war die Geschichte der Show: Heinrich von Geeste suchte einen Ehemann für seine Tochter Isabella (Marie Doleschel) die, wie er nicht versäumte regelmäßig zu erwähnen, ihrer Mutter ähnlich und damit dezent kratzbürstig sei. Um die Hand dieser Dame, die im Verlauf der Geschichte die Einschätzung ihres Vaters durchaus bestätigte, sollten vier der besten Ritter des Landes reiten und streiten:
- Alessandro di Verona, ein Held vieler Schlachten oder, wie es der Herr von Isenburg in seiner üblichen liebenswürdigen Art ausdrückte, ein abgehalfterter Veteran (Dirk von Dhur auf Vaquero in weiß-grün)
- Otto von Pilsen, der Stier von Böhmen, der sich allerdings eher als wandelndes Bierfass herausstellte (der Name ist Programm), was seiner Treffsicherheit dennoch nicht unbedingt Abbruch tat; man mag sich fragen, ob er das nüchtern überhaupt vermocht hätte (Karel Hajek auf Flash in gold-schwarz)
- Heinrich von Geeste selbst (Peter Luckau auf einem ausnehmend schönen Braunen, dessen Name nicht genannt wurde, aber von dem ich annehme es handelt sich um Lucero in blau-weiß)
- und zuletzt, aber nicht das letzte – wobei sich nach dem Verhalten des Herrn darüber trefflich streiten ließe – Friedrich von Isenburg (Andreas Wolter auf Apollo ganz in Schwarz).
So präsentierten sich die Herren bei ihrem Einritt und der Vorstellung der Dame und dem Publikum gegenüber auch direkt einmal von ihrer besten Seite, wobei hier schon von Anfang an deutlich wurde, wer sich wohl am (un-)vorteilhaftesten zeigen würde.
Der Herr Otto Pilsener Brauart ließ sich in den Plan führen, seinen Humpen hoch erhoben und sich der rechten Richtung nicht sonderlich sicher, muss der Herold, Alexander von Utrecht (Alexander Schmidt) ihn doch erst einmal darüber aufklären, dass er sich mit seinem Pferd keineswegs die Blickrichtung teilt, wie das allgemein so vorgesehen wäre, sondern das Hinterteil vor Augen hat, wie er nach kurzer Überprüfung dann auch mit einem spitzen Erschreckensschrei feststellt. Um den eigentlich gewünschten Ausgangszustand, sprich: Ross und Reiter schauen in die gleiche Richtung, herzustellen beorderte die zu diesem Zeitpunkt bereits leidlich verzweifelte Isabella den Herold und seinen Persevanten, sie möchten doch bitte dem Herrn behilflich sein und ihn hochstemmen, so dass man das Pferd unter ihm wenden könne. Eine vermutlich ausnehmend kluge Entscheidung, da wahrlich niemand hätte sehen wollen, wie der Reiter es zu bewerkstelligen versucht hätte sich umzudrehen. Schließlich waren aber alle Teilnehmer leidlich angeordnet, um die Dame und das Volk zu grüßen. Nur Isenburg tat das, was ein Isenburg üblicherweise so tut, nämlich sich möglichst hoffärtig aufzuführen, das Volk und mitunter auch die Dame, deren Hand er erringen will, zu beleidigen und die Anwesenden darüber aufzuklären, dass das Hinterteil seines Rosses für den Pöbel an der Stätte groß genug sei. Wenn man allerdings das Ross, denn Apollo ist ein wirklich wunderschönes solches, bei dieser Aussage einmal in Betracht zieht, so konnte man durchaus der Ansicht sein dass eben das als Gewinn gelten möchte.
Nachdem aber mit einiger Mühe der Herold und Geeste Isenburg in die Schranken weisen oder ihn zumindest kurzfristig zum Schweigen bringen konnten, durfte dann das Turnier beginnen. Der Herold erklärte zunächst den Ablauf der einzelnen Exerzitien und hier hatte man auch zum ersten Male wirklich seinen Persevanten, Peter von Bilk (Peter Wolter), vor Augen, der im Verlaufe noch einige Auftritte haben würde.
Das erste Exerzitium war der Ritt auf die Kränze, was schon einmal damit begann dass der Herold seinem Persevanten erklären musste, dass der Kranz nicht auf den Kopf gehört, da er so heilig wahrlich nicht sei. Di Verona lieferte hierbei durch die Bank eine solide Leistung ab. Pilsen motivierte sein Pferd via an die Lanze gebundener Möhre (nicht dass das bei Flash, nie ward ein Pferd passender benamt, notwendig wäre), was nicht nur ein großartiges Bild war, sondern dem Exerzitium noch ein zusätzliches Handicap verlieh. Dass er es aber mit Möhre trotzdem schaffte, noch immerhin mindestens einen Ring zu pro Durchgang zu heischen, war mehr als beeindruckend. Geeste, der an der Spitze der Alterspyramide steht und damit die ganze Show hindurch nicht zu knapp kokettierte, bewies solide Kompetenz darin, mit seiner Lanze ein rundes Ziel zu treffen, was er auch mit der Bemerkung kommentierte, „seht ihr meine Tochter, noch kann der alte Mann das – noch!“ Isenburg stach hier (wie auch in vielen anderen Fällen) deutlich heraus, denn er heischte zwar die meisten Ringe - wenn auch unter freundlicher Mithilfe seitens Peter von Bilk, der ihm statt der üblichen zwei auch gerne eine ganze Handvoll anbot – scheiterte aber schließlich daran, seinen Sieg zu zählen. Gleich ob in deutschen oder griechischen Zahlen schien der Herr doch deutlich überfordert, selbst wenn der Herold ihn nach bestem Wissen unterstützte. Sagen wir einfach, Isenburg wird wohl niemals ein Graf Zahl. Da half es auch nicht, dass, wie der Herold ausführte, Isenburg zwar gleichzeitig mit ihm auf der Klosterschule angefangen und die eigentlich zweijährige Dauer gar doppelt genossen habe, aber schließlich doch verhaltensbedingt von derselben komplimentiert wurde. Aber immerhin ereilte den Herrn von Isenburg die Erkenntnis, dass er zwar einiges an Kraft in den Oberarmen habe, die Geisteskraft aber eher minder ausgeprägt sei. Gerechterweise musste man ihm allerdings zugestehen, dass das seiner Schlagfertigkeit keinen Abbruch tat.
Das zweite Exerzitium bestand darin, mit einem Speer eine Zielscheibe zu treffen. Hier bewiesen die Herren durchweg fundiertes Können, auch oder gerade wenn sie nicht nur das Ziel trafen, sondern neben der Zielscheibe zusätzlich noch die halben Schranken abräumten. Einmal forderte Isenburg sogar eine Verschärfung der Übung – man möge doch ein Kind vor die Scheibe stellen, die seien ja schnell nachgemacht und Spaß mache das auch. Hier auch sehr amüsant, wie alle aus dem Weg gingen, wenn Pilsen, der ausnahmsweise das nach seiner Heimat benannte Getränk durch den für das Exerzitium vorgesehenen Gegenstand getauscht hatte, mit seinem Speer hantierte. Bemerkenswert waren hier tatsächlich die Treffer von Pilsen und Geeste, die ihre Speere wirklich mal ins Zentrum versenkten, welches vielleicht die Größe einer Handfläche hat. Isenburg kam dem einmal ebenfalls wirklich nahe, aber auch nur nahe, denn die Entscheidung des Herolds, der erst einmal einen Videobeweis forderte und sich sogar von der Seitenlinie ein Kind als Hilfsschiedsrichter holte, lautete auf knapp verfehlt. Da half es auch nichts, dass Isenburg das Kind zu bestechen versuchte.
Das nächste Exerzitium bestand darin, einen auf einen Spieß gesteckten Apfel mit dem Schwert herunterzuschlagen. Ob Vorhand oder Rückhand, man sah deutlich öfters als nicht zur Rechten wie zur Linken einen ganzen oder gar halben Apfel herniedersinken. Auch hier zeigte Pilsen seinen eigenen Stil, indem er das Exerzitium anstatt mit Stahl mit gezogenem Mini-Kinder-Holzschwert bestritt. Wiewohl es zuerst den Eindruck erweckte, als habe er alles verfehlt, schlug er den einen Apfel zwar nicht herunter, doch schälte er ihn zum Erstaunen aller sogar. Hierbei ergab sich eine an den Bogenschießwettbewerb aus Mel Brooks „Helden in Strumpfhosen“ gemahnende Szene: Isenburg zitierte den Herold heran und beschwerte sich, das jener beim Werten der Ergebnisse einiges an corrigér la fortune betrieben habe, und zwar zu seinen Ungunsten. Es gebe doch schließlich ein Drehbuch und wenn einer bescheißen dürfe, dann sei er es und mitnichten der Herold.
Im Folgenden durfte man dann, quasi als Zwischenspiel, die Schlacht der Bodentruppen beobachten. Diese setzten sich zusammen aus den Leones Pugnae, nämlich Peter der Schildkröte, Ingomar der wilden Sau der Ardennen, Heinrich dem hustenden Henker von Hildesheim und Agnes dem Küchenweib. Hier wurde sich nach Ausschlussverfahren gegenseitig nach allen Regeln der Kunst vermöbelt, interessant war allerdings dass Peter von Bilk mitmischte und hinterher in einem Anfall von Übermut gar den Herold selbst forderte. Der nahm mit Unterstützung des Publikums diese Herausforderung nicht nur an, sondern rammte seinen Persevanten auch mit Anlauf unangespitzt in den Boden. Um den Herrn von Geeste zu paraphrasieren: Noch kann er das.
Danach aber fand dann das letzte Exerzitium statt, nämlich der Ritt auf den Mann am Boden, der sich nur mit einem Schild bewehrt den Reitern und ihren Lanzen stellen musste. Diese Aufgabe bekam zu seiner überschäumenden Begeisterung Peter von Bilk zur Strafe für seinen Versuch übertragen, mit seinem Herold in die Schranken zu treten. Jeder Versuch (seinerseits), sich bei der, wie Isenburg sie so herrlich beschrieb, „Medicuskutsche“ (Uneingeweihte nennen das einen KTW) zu verstecken, nützte ihm nichts. Immerhin aber wurde er für seine Dienste fürstlich entlohnt: ein ganzer halber Humpen Bier wurde ihm versprochen, der allerdings erst einmal zwei Wochen in der Sonne abgestanden ist. Entsprechend enthusiastisch widmete er sich denn auch seiner Verpflichtung (vom Herold regelmäßig zum Lächeln angehalten), von so kleinen Missverständnissen, dass der Mann am Boden nicht wörtlich gemeint ist und sich seiner Aufgabe nicht sitzend zu unterziehen hat, einmal abgesehen. Nichts desto trotz, nachdem ihm seine Rolle dann doch hinreichend transparent gemacht wurde, hat er allerdings einige sehr schön theatralische Flugeinlagen abgeliefert. Diese Aufgabe wurde in der letzten Show von Ingomar übernommen, der derartig fest gemauert in der Erden stand, dass ihn drei der Reiter keinen Millimeter in Bewegung zu versetzen vermochten und dies erst Geeste bei seinem Anritt gelang.
In jedem Fall lamentierte Isenburg, der der wohl schlechteste Verlierer der ganzen Turniergeschichte sein dürfte, dass es der Kinderspiele nun genug seien und pöbelte wieder einmal ein wenig herum, bis es Geeste zuviel wurde und er Isenburg den Tjost vorschlug, damit ein für alle Male Ruhe herrsche.
Der erste Lanzengang wurde zwischen Geeste und di Verona ausgetragen, den letzterer verlor. Auf die Fortführung des Kampfes zu Fuß verzichtete di Verona dann, was etwas schade ist, denn der Ritter in weiß-grün blieb somit bis zuletzt reichlich blass. Wesentlich mehr Aufsehen erregte da das Duell zwischen Pilsen und Isenburg, denn das Pils hatte sich wieder einmal vergriffen und trat anstatt mit einer Lanze mit seinem wahrscheinlich wesentlich vertrauteren Humpen an. Auch auf Nachfrage blieb er bei dieser Wahl, die sich kurz darauf aber als eine durchaus wohl bedachte erwies, schüttete er doch beim ersten Anritt Isenburg den Inhalt im hohen Bogen ins Gesicht, was weder dessen Mimik noch Laune sonderlich zum Vorteil gereichte. Das Gesicht des Humpenträgers hingegen strahlte fröhlich feixend. Vollkommen fassungslos forderte Isenburg den Waffengang am Boden, zu dem Pilsen, um das Maß voll zu machen, erneut das ausnehmend niedliche Mini-Holzschwert zückte. Isenburg nahm selbiges in den meisten Fällen eher ungerührt zur Kenntnis und wiewohl das fröhliche Fass im Sumotori-Stil erst einmal das Rumpelstilzchen gab, blieb der Ritter in Schwarz sichtlich unbeeindruckt. So verwunderte es auch niemanden, dass er zuerst einmal lässig stehen blieb, während Pilsen auf den Schild seines Gegners einstocherte. Als Isenburg allerdings dann seinerseits zum Gegenschlag ausholte, kam der Herr von Pilsen doch beeindruckend schnell ins Rollen und flüchtete sich vor der schwarzen Wolke recht würdelos ins Publikum. Da musste selbst der Herold zugeben, dass er sich bezüglich dieses speziellen Herrn ausnahmsweise einmal mit Isenburg im Einvernehmen befand. Als Isenburg darauf schon auf dem Weg war, den Plan zu verlassen, wurde er von Pilsen, der sich aus den Zuschauern blitzschnell und heimlich anschlich, kräftig in den Allerwertesten getreten, worauf man dem Herold von Herzen beipflichten mochte, als der mit tief empfundenem Entnervtsein befahl: „Isenburg, ganz ehrlich, geht und verhaut ihn...“
Der letzte Tjost wurde dann zwischen Geeste und Isenburg ausgetragen, die sich gegenseitig fröhlich die Lanzen brachen, um dann am Boden zuerst mit Axt und Schild weiterzukämpfen. Immerhin war Geeste hier seinem eher lanzengestaltigen Gegner gegenüber zumindest nach eigener Aussage im Vorteil, verfügte er doch über eine „natürliche Rüstung“ wie er seine abdominale Rundlichkeit so formschön umdeklarierte.
Schließlich konnte Geeste seinen Gegner entwaffnen, nach einem längeren Schlagabtausch, bei dem jener die wenig charmante Nachfrage stellte, ob das denn auch schneller ginge.
Da ihm Äxte aber zu unritterlich waren, bot er Isenburg an, das Gefecht wie wahre Ritter mit der entsprechenden Waffe, nämlich dem Schwert, zu führen und Isenburg nahm dieses Anerbieten selbstverständlich an. Isabella ließ es sich hier nicht nehmen, den Kämpfern ihre Waffen zu reichen, wobei sie Isenberg seine mit einem ausnehmend süffisanten Lächeln anbot, nur um sie im Augenblick des Zugreifens fallen zu lassen. Dabei muss man anerkennen, dass es jenem bei einer Show fast noch gelang, sie aufzufangen. Ein anderes Mal schickte er den Herold aus, es ihm zu holen, der sich allerdings wie Isenburg selbst nicht so recht traute, als er des Blicks der Dame gewahr wurde. Nach einem ordentlichen Schlagabtausch und einem schwungvollen Tritt in den Allerwertesten des Geesters besiegte Isenburg diesen schließlich, was die Dame nunmehr zum Anlass nahm, selbst zur Waffe zu greifen. Der Herold, der sich um den gefällten Geeste bemühte, wies ihn darauf hin, dass die Dame gerade die Dinge selbst in die Hand nehme: „Heinrich, Eure Tochter...“. Dieser winkte jedoch ab: „Ja, die wird’s schon regeln. Das ist das, was er (Isenburg) eben nicht verstanden hat.“ Und tatsächlich – Isabella, die ihrem Gegner wörtlich unter dem ausgestreckten Arm hindurchlaufen könnte, was das Gefecht auch optisch durchaus unterhaltsam gestaltete, entwaffnete diesen nach kurzem Kampf und befahl ihn auf die Knie. Als dieser sich mit einem vehementen „Nein“ weigerte (keine allzu kluge Idee, wenn eine verärgerte Frau mit einer Waffe in der Hand vor einem steht), sorgte die Dame postwendend mit einem ebenso energischen „Doch“ selbst für die Umsetzung ihrer Wünsche, indem sie ihm kurz aber herzhaft ins untere Register trat, was die Stimmlage des dergestalt entmächteten zumindest temporär deutlich in Richtung Sopran anhob. Geeste versicherte hier direkt, das habe sie nicht von ihm.
Danach gab es in den vier Shows des Wochenendes vier unterschiedliche Ausgänge, deren jeder auf ihre Weise Achtung verdient.
Bei der ersten Show musste ein geschlagener Isenburg von dannen ziehen, was Geeste allerdings vor ein Problem stellte, denn es war schlicht niemand mehr übrig, dem er die Hand seiner Tochter antragen konnte - zumindest scheinbar, denn der Herold stand ja noch zur Verfügung, auch wenn Geeste erst einiges an Überzeugungsarbeit leisten musste. Und so kam es, dass nicht einer der Ritter die Dame heimführen durfte (oder musste, je nach Betrachtungsweise), sondern der Herold höchstselbst.
Bei der zweiten Show stand Geeste nach wie vor vor dem gleichen Problem, an wen er denn nun seine Tochter loswerden könne und war bereits wieder im Begriff, die Dame dem Herold schmackhaft zu machen. Diese Problematik regelte sich dann allerdings von selbst, als Isenburg auf seinem Ross in den Plan gesprengt kam, die Dame, welche augenscheinlich keine Einwände dagegen hatte, zu sich auf dessen Rücken zog und ihr mit ihr und ihrem „Entschuldige, Vater...“ von dannen galoppierte. Zurück blieben ein leicht verwunderter, aber erleichterter Geeste und ein reichlich betrübt dreinschauender Herold; und auch ein Versuch Geestes, im Publikum nach einem Fräulein für den Verschmähten zu suchen, war nicht von Erfolg gekrönt.
Die dritte Show nahm einen ähnlichen Ausgang wie die erste, nur dass hier Isabella selbst nach gründlicher Inaugenscheinnahme des Herolds die Wahl traf mit dem Bemerken: „Der hat blaue Augen? Den nehm' ich!“
Auch in der vierten Show versuchte Geeste wie üblich den Herold zu überreden, als Isenburg eingriff. Nachdem er zuvor noch betrübt am Boden saß und sich wünschte, doch auch eine Prinzessin zu bekommen, griff er sich die Reste seiner Lanze und schlug die beiden Herren damit hinterrücks zu Boden, was wiederum der Dame zuzusagen schien, denn die beiden verliessen in bestem Einvernehmen gemeinsam den Plan. Selbiges taten allerdings auch die beiden anderen Herren die, statt wie eigentlich zu erwarten diesen Ausgang zu missbilligen, eher erleichtert wirkten. Das traf vor allem auf den zurückgelassenen Vater zu, der jetzt, der Aufsicht seiner Tochter entronnen, endlich mit dem Herold zusammen zum Trunk in die Schenke gehen konnte.

Der Kommentar
Als Herold Alexander von Utrecht war wieder einmal Alexander Schmidt mit von der Partie. Dieser hat sich inzwischen von dem Vorbild Michael von Aragon (Michael Cornély) deutlich sichtbar emanzipiert. Auch wenn ihm zwischendurch der Chaperon verrutscht und er von Isabella von Geeste erst einmal ordentlich angezogen werden muss, hat er derweilen nicht nur noch einmal reichlich an Schlagfertigkeit zugelegt, sondern wird mittlerweile mit allem fertig, sei es mit einem aufmüpfigen Persevanten oder einer unerwarteten Verlobten. Außerdem war es sehr schön, ihn auch einmal mit Schwert und Schild durch den Plan wirbeln zu sehen. Man darf gespannt sein, was der Herr von Utrecht als nächstes präsentiert.

Eine Entwicklung hat Marie Doleschel als Isabella von Geeste in diesen Shows gezeigt. War sie in Walbeck noch eher zurückhaltend und mehr dekorativ, hat sie sich hier in Punkten Sarkasmus und Schlagfertigkeit eindeutig beweisen können. Anstatt passiv die Jungfer in Nöten zu geben und zu nehmen, was auch immer das Turnier schließlich abwarf, nahm die Dame hier wortwörtlich das Heft selbst in die Hand. Eine rundum gelungene Darstellung, wiewohl sie einer Nina Wolter noch bei weitem nicht das Wasser reichen kann.
Peter Wolter als Persevant Peter von Bilk zeigte bei der Erfüllung seiner Aufgaben gelegentlich beeindruckende Kreativität. War es noch relativ ungefährlich, einen Kranz auf seinem Kopf zu platzieren, sah das bei den Äpfeln schon deutlich anders aus. Wie der Herold erklärte, ist die recht kurz gehaltene Haarpracht des Persevanten auf einen ähnlichen Versuch zurückzuführen, der offensichtlich nicht von Erfolg gekrönt war. Bilk zeigte durchaus beeindruckende Fähigkeiten, als er seinerseits den Sieger des Mêlées besiegte, auch wenn er sich danach seinem Herold geschlagen geben musste. Außerdem wurde mehrfach darüber diskutiert, auf wessen Lohnliste der Persevant denn nun stünde und wer gegebenenfalls die Kosten für den Medicus zu übernehmen habe. Der entsprechende Dialog ging etwa wie folgt: „Steht der in unseren Diensten, müssen wir das bezahlen?“ - „Nein, das macht der Isenburger.“ - „Na dann ist ja gut.“ Abschließend kann gesagt werden, dass Peter Wolter sich hier als Vorbild etabliert, an dem sich jeder andere Persevant messen lassen muss.

Dirk von Dhur als Alessandro di Verona hatte leider in der Show nicht genug zu tun, als dass mehr dabei herausgekommen wäre als das Urbild des generischen Ritters. Die Rolle war bedauerlicher Weise reichlich unspektakulär, so dass sich wenig – positives wie negatives – zu ihm sagen lässt. Allerdings beschleicht mich durchaus der Gedanke dass er, wenn er etwas mehr Rolle bekommt, sich sehr wohl als treffliche Bereicherung zeigen mag.

Mit Karel Hajek als versoffenem Otto von Pilsen ist der Truppe ein Geniestreich in Sachen Besetzung gelungen, der seinesgleichen sucht. Zum einen wirkt jener als fundamental fröhliche Knutschkugel so phänomenal sympathisch, dass man ihn sofort gerne haben muss und für ihn Partei ergreifen möchte. Zum anderen ersetzt seine Mimik nachgerade seitenweise Text (von dem er im übrigen auch keinen hatte, nicht dass das notwendig gewesen wäre) und trägt wesentlich zu der Begeisterung bei, die der Charakter beim Publikum entfacht. Eine ähnliche Rolle gab es vor einigen Jahren mit Otto von Geldern (Siegfried Scherer auf Pluto) schon einmal, aber die Interpretation von Karel Hajek ist noch um einiges besser. Gefühlt tragen der Witz, der Charme und die Situationskomik dieser Figur in weiten Teilen die Show und sie ist so hinreißend großartig gespielt, dass schon alleine für das komödiantische Talent eigentlich ein Oscar fällig gewesen wäre.

Peter Luckau gibt mit gewohnt spitzbübischem Grinsen und schelmischem Zwinkern den Heinrich von Geeste. Eine Show arbeitet zwangsläufig mit Klischees, in seinem Fall das des Mannes, der zu Hause wirklich gar nichts zu melden hat. Um einmal ein Zitat zu bemühen: Isenburg: „Irgendwann werdet ihr alle von einer Frau regiert werden!“ - Geeste: „Ich schon lange!“ Diese Rolle steht ihm allerdings ganz vorzüglich zu Gesicht und er spielt sie mit einem nicht enden wollenden Charme, so dass man als Zuschauer sofort für den gebeutelten Vater eingenommen ist. Dass dieser Alterspräsident der Truppe dann auch noch ob selbigen Alters und seiner Statur regelmäßig verspottet wird tut sein Übriges dazu, dass man die Rolle einfach mögen muss. Allerdings sei dazu gesagt, dass er auch selbst mit beiden Punkten redlich kokettiert. Wer Sarkasmus und Ausstrahlung gepaart mit Schlagfertigkeit sucht, wurde bei Heinrich von Geeste mit Sicherheit fündig. Alles in allem war Geeste jedenfalls nicht nur eine großartige Rolle mit einer Dynamik, in der sich mit Sicherheit ein nicht unwesentlicher Teil der Zuschauer wiedergefunden haben dürfte, sondern auch ein solider Unterbau für die Spielereien und Mätzchen seiner Kollegen.

Als Finsterling vom Dienst ist Andreas Wolter in seiner Paraderolle als Friedrich von Isenburg zu sehen. Ich neige üblicherweise dazu, den Bösen zu feiern, aber Wolters Isenburg macht einem dies auch wirklich leicht. Dieser Ansicht schien bisweilen auch Isabella von Geeste, die in zwei Shows kurzerhand Isenburg zum Gatten wählte und damit bewies, dass der Böse eigentlich immer der coolste Charakter ist. Auch wenn Isenburg sich zuvor einen Tritt in seine edelsten Teile gefallen lassen musste, ist dieses Element immer wieder so brillant gespielt, dass es seine Wirkung nicht verfehlen kann. Die Beleidigungen, mit denen Isenburg das Publikum bedenkt, wären allerdings noch deutlich kreativ ausbaufähig. Legendär ist und bleibt hingegen der Satz, mit welchem er die Dame auffordert, zur Hochzeitsnacht doch direkt noch eine Freundin mitzubringen. Hier drängen sich mir nichtsdestoweniger einige Fragen auf:
• Ist das nicht ein wenig ambitioniert, sind die meisten Männer doch mit einer Frau schon leidlich überfordert?
• So wie Isenburg zu zählen pflegt, mit wie vielen Damen muss denn gerechnet werden?
• Und am Wichtigsten: wenn sie eine Freundin mitbringt, wofür wird er dann noch gebraucht?
In jedem Fall hätte man Isenburg, als er am Ende der Show betrübt auf dem Plan sitzt und traurig vor sich hinseufzt, er wolle doch auch nur eine Prinzessin und er möchte auf den Arm und keiner habe ihn lieb, am liebsten seinen Wunsch erfüllen, so herzzerreißend trostlos sah er aus. Es ist durchaus beeindruckend, dass Wolter dieser Rolle, die er schon eine Weile spielt, immer neue Facetten abzuringen vermag. Isenburg, so unsympathisch er eigentlich sein sollte und müsste, bekommt durch die Art der Darstellung immer gerade genug liebenswerte Züge, dass er nie zum Abziehbösewicht verkommt und dennoch den schmalen Grat von 'love to hate' beschreitet. Und das ist ein Verdienst, der Andreas Wolter zuzuschreiben ist, da er diese Gratwanderung beherrscht wie kein zweiter.

Ein Punkt, der mich ein wenig nachdenklich zurücklässt, ist der Einsatz der Streiter der Leones Pugnae, wie er in dieser Show zum Tragen kam, denn er erschien mir in sich und auch im Fluss des Narrativs irgendwie unmotiviert. Es schien ein wenig so, als wäre erst zu spät aufgefallen, dass man ja noch die Fußkämpfer hat und man sie dann irgendwo irgendwie einbauen musste. Eine elegantere oder doch zumindest in sich schlüssigere Methode, dies zu tun, die mir spontan einfiele wäre, die Bodentruppen den Rittern zuzuordnen und wenn diese dann in der Show miteinander in Streit geraten, dass die Fußkämpfer das eben spiegeln und sich der Kampf derselben daraufhin entspinnt.

Das Fazit
Ich war dieses Mal bei der Beschreibung der Show sehr ausführlich, was aber der Tatsache geschuldet ist, dass sie ein perfektes Beispiel dafür war, was ich in meiner ersten Rezension als größte Stärke der Truppe der Stuntpferde.de postuliert habe und was ich hier zu illustrieren versuche. So minimalistisch der Plot im Grunde auch war, waren diese Shows der perfekte Beweis dafür, dass alleine durch die Akteure daraus ein wahres Fest für die Zuschauer werden kann. Hier sticht die Qualität der Truppe einfach ganz deutlich hervor, die in der Dynamik der Personen und dem Spiel mit ihren Charakteren begründet liegt. Ganz besonders auffällig wird das, wenn man es beispielsweise mit der Show einer anderen Gruppe vergleicht, die dieses Jahr auf Burg Vondern geritten ist und deren Show so langweilig und blutleer daherkam, dass es schon fast weh tat. (Einziger Lichtblick war der Bösewicht, aber das mag daran gelegen haben, dass dieser von Thomas Płodzień gespielt wurde, der ja auch häufiger bei Stuntpferde.de zu sehen ist, man möchte einen Zusammenhang vermuten. Traurig, dass er der Einzige war, der sowohl mit dem Publikum wie mit seinen Mitspielern zu interagieren versuchte, wobei zumindest die Mitspieler darauf überhaupt nicht reagierten.) Nicht nur, dass die Truppe um Andreas Wolter es wie keine zweite versteht, das Maximum aus Situationskomik, Charakterdarstellung und Wortwitz zu liefern (von dem nicht geringen Sarkasmusanteil einmal ganz abgesehen), sie sind auch unvergleichlich gut darin, mit dem Publikum zu spielen und dieses ggf. mit einzubeziehen. An dieser Stelle möchte ich außerdem einmal herausstreichen, welcher Wert hier auf die Sicherheit gelegt wird. Denn als einige Kinder einmal wesentlich zu nah an bzw. unter der Absperrung saßen, hat Wolter, ohne auch nur im Geringsten aus der Rolle zu fallen, einen Spielstopp ausgerufen und sie auf eine sichere Distanz zurückgeschickt. Dies verdient definitiv eine besondere Erwähnung, auch wenn ich mich fragen möchte, wo da die Verantwortung der zuständigen Erziehungsberechtigten bleibt. Wie großartig die Darstellung der Charaktere beim Publikum, gerade auch bei den jüngeren Generationen ankommt, beweist meiner Ansicht nach hinreichend dieser Dialog zwischen zwei Kindern ca. im Grundschulalter, den ich mithören durfte und für den die beiden einen extra Applaus verdient haben: „Kind 1: für welchen Ritter sind wir denn? Kind 2: ich wäre entweder für den schwarzen Ritter, der alle Klassen zweimal gemacht hat und dann von der Schule geflogen ist oder den gelben Ritter der immer Bier trinkt und falsch herum auf dem Pferd sitzt!“
Alles in allem war es wieder einmal ein Vergnügen und wie es Alexander von Utrecht so schön ausdrückt: „Wenn es euch gefallen hat, empfehlt uns all euren Freunden.“ Das sei hiermit ausdrücklich geschehen!

Zum Abschluß noch zwei Bonmots:
Isenburg: „Herold, wollt Ihr mal anfassen?“
Utrecht: „Was?“
Isenburg: „Das Pferd natürlich, was dachtet Ihr denn?“

abermals Isenburg, als er sich von einem Kind im Publikum ein entsprechendes Plastikschwert und -schild ausborgte: „Bei der Macht von Grayskull...“

Autor:

Felicitas Zoch aus Gelsenkirchen

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