Corona-Lockdown
"Große Enttäuschung" - IHK kritisiert Corona-Beschlüsse und sieht höchste Not

Im Mai 2020 hatte die Dortmunder Gastronomie symbolisch mit 1.000 Stühlen "SOS" gefunkt. Aktuell ist es eher schlimmer geworden. "Die Lage ist katastrophal. Da gibt es keinen weiteren Superlativ mehr", so IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber. | Foto: Jan Heinze
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  • Im Mai 2020 hatte die Dortmunder Gastronomie symbolisch mit 1.000 Stühlen "SOS" gefunkt. Aktuell ist es eher schlimmer geworden. "Die Lage ist katastrophal. Da gibt es keinen weiteren Superlativ mehr", so IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber.
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Die Aussagen "Die jetzigen Maßnahmen reichen nicht, sie sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein" und "Die Politik hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht" zeigten deutlich, was IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann und IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber von den Beschlüssen der Bundeskanzlerin und der Regierungschefs der Länder halten.

"Die Notlage der Unternehmen ist noch nicht überall angekommen", sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber zu den "Corona-Lockerungen" und zeigte sich frustriert, dass die Maßnahmen nur wenig Perspektive für stark bedrohte Betriebe enthielten. "Die Bindung einer begrenzten Öffnung an das Erreichen bzw. Unterschreiten der 7-Tage-Inzidenz ist mit dem Zielwert 50 weniger schlimm als befürchtet ausgefallen. Gleichwohl bleibt der Entschluss eine große Enttäuschung für den Einzelhandel, die Gastronomie und die anderen betroffenen Branchen", betonte auch IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann. Das Modell „Termin-Shopping“ bzw. „Click & Meet“ sei für die Mehrheit der Einzelhändler nicht zu realisieren. Es führe zu hohem Personalaufwand und Energieverbrauch bei nur geringen Umsätzen und somit zu weiteren Verlusten.

Keine Öffnungsperspektive

"Das ist keine echte Öffnungsperspektive, sondern eine lediglich sprachlich als Öffnungsstrategie bezeichnete Fortsetzung des Lockdowns mit verheerenden Konsequenzen für die weiterhin per Verordnung geschlossenen Betriebe ganzer Branchen. Wir müssen davon ausgehen, dass der Inzidenzwert dauerhaft über diesem Wert von 50 liegt."

Das Modell „Termin-Shopping“ bzw. „Click&Meet“ sei zwar besser als nichts, aber mit geschätzten 15 Prozent Umsatzsteigerung doch eher eine "symbolische weiße Salbe". "Wir sind bereits jetzt in der dritten Saison ohne Umsatz – viel schlimmer noch: Die Ware liegt seit vergangenem Frühjahr, Weihnachten und Januar dieses Jahres in den Häusern und Lagern. Dies hat auch Konsequenzen für die Innenstädte und Nebenzentren, deren Zukunft sich deutlich verschlechtert. Für die Menschen gibt es kein Shopping-Erlebnis, kein Wohlbefinden und keine Spontaneität, sondern nur Plankäufe", so Dustmann.

Maß und Mitte völlig verloren

Die betroffenen Unternehmen seien in der Region wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil des eng verflochtenen Wirtschafts-Netzwerks Westfälisches Ruhrgebiet. Von ihnen ginge in der Öffnungsphase des letzten Jahres und auch jetzt keine gesteigerten Infektionsrisiken aus. Dies belegen die mit hohen Investitionen umgesetzten Hygiene- und Schutzmaßnahmen und inzwischen auch verschiedene Untersuchungen. Trotzdem werden viele Betriebe – wenn überhaupt – nur unter erheblich erschwerten Bedingungen öffnen können. "Maß und Mitte sind hier völlig verloren gegangen", so Dustmanns Vorwurf.

Unmut wird dadurch verschärft

Verstehen könne die IHK auch Folgendes nicht: Abgesehen von möglichen Lockerungen für den Bereich der Außengastronomie – was ebenfalls nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich wäre und was nicht die Erkenntnissen führender Aerosolforscher hinsichtlich der Infektionen an der frischen Luft berücksichtigt – sind die Bereiche Gastronomie, Kulturwirtschaft, Veranstaltungen, Messe und Reisen und Hotels erneut quasi vergessen worden. "Das wird den Unmut der Betriebe noch weiter verschärfen."

Die IHK fordert eine konsequente Differenzierung. So habe die Regierung vor Weihnachten noch gebetsmühlenartig betont, dass jeder Tag im Kampf gegen die Pandemie zähle, "aber die Politik selbst hatte die Chance und die Zeit seitdem kleinere, schrittweise Öffnungen in Gastronomie und Einzelhandel zu vollziehen, um zu sehen, ob eventuelle Infektionsgeschehen davon ausgehen", so IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber.

Ungleichbehandlung

"Als IHK fällt es uns von Tag zu Tag schwerer, die verzweifelten und um ihr Überleben kämpfenden Betriebe zu einem weiteren Befolgen der Lockdown-Vorschriften anzuhalten. Letztlich führen die Maßnahmen zu einer Verfestigung der bereits jetzt bestehenden Ungleichbehandlung vergleichbarer Geschäftsmodelle: Warum sind Kunden in hochfrequentierten Lebensmittel-Einzelhandelsbetrieben weniger infektionsgefährdet als die Kunden in niedriger frequentierten Bekleidungsgeschäften oder in noch niedriger frequentierten Möbelmärkten?"

Anstatt eine Öffnung fast ausschließlich an Inzidenzzahlen zu binden, sollte man laut IHK den Betrieben, die bereit sind, strenge Hygiene- und Schutzmaßnahmen umzusetzen, welche sogar über die Maßnahmen der Öffnung im letzten Jahr hinausgehen, eine Öffnungs- und Überlebensperspektive ermöglichen.

Viele werden nicht überleben

"Wenn man hingegen die Infektionsschutzmaßnahmen weiterhin an 7-Tage-Inzidenzzahlen kann es April oder gar Mai werden, bis viele Betriebe wieder öffnen und Umsatz erzielen können. Und es gibt überhaupt keine Planungssicherheit. Viele Unternehmen werden eine weitere Fortsetzung des staatlich angeordneten Quasi-Lockdowns um weitere Monate nicht überleben und ihre Türen für immer schließen müssen, mit allen Konsequenzen für die Unternehmer und ihre Mitarbeiter sowie deren Familien und unserer gesamten Wirtschaft."

Gefordert seien kreative Ideen, die die Wirtschaft längst unterbreitet hat. Es ist höchste Zeit, diese jetzt nach Monaten fast kompletten Stillstands ganzer Branchen aufzugreifen und umzusetzen. Aus Sicht der Wirtschaft sei es ökonomisch sinnvoller jetzt in einen überlegten, risikovermeidenden und produktiven Neustart zu investieren.

Im Mai 2020 hatte die Dortmunder Gastronomie symbolisch mit 1.000 Stühlen "SOS" gefunkt. Aktuell ist es eher schlimmer geworden. "Die Lage ist katastrophal. Da gibt es keinen weiteren Superlativ mehr", so IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber. | Foto: Jan Heinze
Das Archivbild trügt: Aufgrund der aktuellen Lage haben IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann (l.) und IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber wenig Grund zum Lächeln. | Foto: Archiv/IHK
Autor:

Holger Schmälzger aus Dortmund-Süd

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