Sozialdezernent spielt Jobcenter-Chaos herunter

Das Jahr 2012 begann für viele Langzeitarbeitslose in Essen unerfreulich. Denn trotz vollmundiger Ankündigungen des Sozialdezernenten Peter Renzel (CDU) lief die Übernahme der Jobcenter in die alleinige kommunale Verantwortung alles andere als reibungslos. Allein mir persönlich wurden in den ersten Januartagen zwei Fälle bekannt, bei denen erneuerte Hartz-IV-Anträge (also keine „Neukunden“!) noch nicht bearbeitet waren. In einem Bericht der WAZ am 13. Januar wurde dann deutlich, dass das keine Einzelfälle sind: lange Schlangen im Jobcenter am Berliner Platz, nicht bearbeitete Anträge, verzögerte Auszahlungen, nicht erreichbare Sachbearbeiter …

Das alles ficht Herrn Renzel nicht besonders an. Er räumt jetzt zwar Probleme ein, spielt das ganze jedoch weiter herunter. Da ihm der WAZ-Artikel schon am 12. Januar bekannt war, versuchte er mehr oder weniger massiv, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen (ob es auch einen wütenden Anruf auf die Mailbox des Chefredakteurs gab, ist nicht überliefert).

Noch am Abend schreibt Renzel in einem Brief an OB Paß:
„Weil wir in Sorge waren, dass durch eine undifferenzierte Berichterstattung die Verunsicherung der Kundinnen und Kunden, sowie vieler anderer zunehmen könnte, haben wir uns dann entschlossen, diese Zusammenfassung in einem persönlichen Gespräch mit der WAZ-Journalistin zu erläutern und für ihre Fragen kurzfristig zur Verfügung zu stehen.“

Besonders empört war er offenbar über folgendes:
„Das ist umso wichtiger, da während des Gesprächs online unter www.derwesten.de auf den Essener Seiten schon mit der Überschrift „Chaotische Zustände im JobCenter?“ eine erste Meldung verbreitet wurde, gepaart mit dem Aufruf an alle, Ihre Erfahrungen zu schildern.“
Als ob die Aufgabe der Presse Hofberichterstattung im Sinne des Herrn Renzel wäre.

Mir ist wichtig, dass es hier nicht um Kritik an den Mitarbeitern der Jobcenter geht, die mehr oder weniger „am Anschlag“ arbeiten, um der Probleme Herr zu werden. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass Renzel genau wie die Ratsmehrheit, die den Beschluss zur Bewerbung als Optionskommune fasste, vor den absehbaren Problemen gewarnt wurden. Als einzige Großstadt überhaupt bewarb sich nur Essen. Andere, wie z.B. München lehnten das u.a. mit der Begründung ab, dass man der „Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit“ und der immer stärkeren Abwälzung von deren Kosten auf die Kommunen nicht noch Vorschub leisten will.

Die Befürworter der „Optionskommune“ aber spekulierten vor allem auf die Eingliederungsmittel des Bundes. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Rates lagen sie noch bei 82 Millionen Euro. Mittlerweile stehen dem Jobcenter nur noch rund 48 Millionen Euro für Vermittlung, Fort- und Weiterbildung zur Verfügung und weitere Kürzungen sind angekündigt. Die Spekulation auf diese Mittel geschah nicht wirklich mit Blick auf eine bessere Qualifizierung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. Man hoffte wohl vor allem, dass der Essener „Sozial-Konzern“ EABG/ABEG auch weiter an diesen Mitteln gut verdienen kann, inclusive lukrativer Posten für seine Führungskräfte.

Dass dieses ganze Spiel im Zweifel zu Lasten der Langzeitarbeitslosen geht, war absehbar und ist nun eingetreten. Das Ganze war auch Thema auf der heutigen 359. Montagsdemonstration gegen Hartz IV. Betroffene sollten dieses Forum unbedingt nutzen, um ihre Erfahrungen bekannt zu machen. Wer möchte, kann das auch per e-mail tun (vorstand@essen-steht-auf.org).

Und noch eins: Langzeitarbeitslose sind keine „Kunden“, auch wenn das die offizielle Sprachregelung ist! Schließlich haben sie beim Jobcenter keine Waschmaschine bestellt, deren Auslieferung sich verzögert. Hier geht es um berechtigte, existenzielle Ansprüche von Menschen, die ohnehin viel zu niedrig sind und eigentlich eine Sozialversicherungsleistung sein müssten!

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

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