Eine junge Essenerin berichtet: Mein Freiwilligendienst in Chile

Faiza Khnafssi zusammen mit ihrem Team und einigen der betreuten Jugendlichen. Faiza ist die junge Frau mit der Brille, in der unten Reihe sitzt sie in der Mitte.
  • Faiza Khnafssi zusammen mit ihrem Team und einigen der betreuten Jugendlichen. Faiza ist die junge Frau mit der Brille, in der unten Reihe sitzt sie in der Mitte.
  • hochgeladen von Stefan Koppelmann

Auch im kommenden Jahr wird das Forum für Internationale Friedensarbeit (FIFAr), ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Essen, sechs junge Frauen und Männer zu einem zwölfmonatigen Freiwilligen Friedensdienst nach Chile entsenden; am 18. November findet in Steele ein Informationsabend statt. Eine der derzeitigen Freiwilligen in Chile ist Faiza Khnafssi. Im folgenden Bericht schildert sie ihre Erfahrungen:

Von Essen nach San Felipe

Mein Name ist Faiza Khnafssi, ich bin 18 Jahre alt und komme aus Essen. Seit fast drei Monaten befinde ich mich im wunderschönen San Felipe, einem kleinen Städtchen in Zentralchile. Hier absolviere ich einen einjährigen Freiwilligen Friedensdienst mit der Essener Organisation „Forum für Internationale Friedensarbeit (FIFAr) e.V.“. FIFAr bietet jungen Menschen an, während ihres Aufenthaltes in Chile bei bis zu drei verschiedenen Projekten mitzuarbeiten – so bin ich mit Kindern, Jugendlichen und auch Senioren zusammen. Mir gefällt diese Vielfalt sehr!

Ich fange an damit, dass mir der Abschied und die so lange Trennung von meiner Familie am Anfang nicht leicht gefallen ist. Zwischen uns liegen derzeit rund 12.500 Kilometer! Man kann viel drum herumreden, aber tatsächlich ist es zuerst schwer, in jeder Hinsicht unabhängig und selbstständig zu sein. Ich musste zwar vorher auch schon Verantwortung übernehmen in meiner Familie, aber hier ist es anders. Mittlerweile gefällt mir das sehr. Ich habe schon viel gelernt in den letzten Monaten.

Unterstützung in der Wohngemeinschaft

Hier in San Felipe lebe ich in einer Wohngemeinschaft, zusammen mit drei anderen jungen Frauen aus Deutschland. Wir verstehen uns super und sind so etwas wie eine Familie auf Zeit geworden. Es verbindet, wenn man so viele neue Erfahrungen zusammen macht und auch Probleme zusammen bewältigt. Das beginnt schon bei Kleinigkeiten: Bei der Ankunft war die Dusche eiskalt, mitten im chilenischen Winter. Also mussten wir die Gasflasche erst einmal umtauschen. Prägender war natürlich das Erdbeben, einen Monat nach unserer Ankunft. Mit 8,3 auf der Richterskala war es das seit langem stärkste hier. Ich bin glücklich, dass ich in solchen Momenten nicht allein bin und wir uns hier so gut verstehen.

Ich habe bereits in der Schule in Essen Spanisch gelernt, besser gesagt „Castellan“, also Hochspanisch. Hier in Chile wird natürlich sehr schnell gesprochen und ich bin froh über den Sprachkurs, den wir in den ersten Wochen zusammen bei einem chilenischen Lehrer absolviert haben. Denn nachdem die Sprachbarriere überwunden wurde, konnte ich vor allem im Rahmen meiner Projektarbeit viele Kontakte aufbauen.

Meine drei Projekte in San Felipe

Das klappt besonders gut in der „Casa Walter Zielke“, die nach einem früheren Essener Studierendenpfarrer benannt ist. Hier leben Jungen im Alter von 13 bis 23 Jahren. Mit ihnen teile ich meine Liebe zum Fußball und zum Sport an sich. Die Jungen sind eigentlich immer motiviert, wenn es um Sport geht. So spielen wir wöchentlich mindestens zweimal Fußball. Jetzt wollen wir das Programm um die Sportarten Tennis, Klettern und Schwimmen erweitern. An anderen Tagen wird zusammen gebacken, kreativ gearbeitet oder gelernt. Gerade an der Nachhilfe in Englisch sind viele interessiert. Durch den Austausch mit den Jungen entstehen weitere Ideen, die dann zu neuen Projekten führen.

Im „Pablo VI“, meinem zweiten Projekt, leben 55 Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren. Es ist ein geschlossenes Heim – die Kinder dürfen ohne Zustimmung der Leiter nicht das Gelände verlassen. Daher verbringen wir unsere Zeit im Pablo oft mit Ausflügen in die Umgebung. Hier ist die Arbeit schwerer, weil wir öfter auf verhaltensauffällige Kinder treffen. Dies ist manchmal belastend, weil ich mich frage, wie schwer es diese Kinder in ihrem Leben schon gehabt haben. Aber auch da gibt es erste Erfolge durch die Kontakte, dich ich aufgebaut habe.

Das „Hogar de Cristo“, mein drittes Projekt, ist eine Seniorentagesstätte. Die Senioren können zum Essen hierher kommen und erhalten vielfältige Unterstützung, zum Beispiel bei Behördengängen und Anträgen. Einmal im Monat bietet ein Arzt eine kostenlose Sprechstunde an; auch ein Frisör schaut regelmäßig vorbei. Unsere Arbeit als „Voluntarios“ (Freiwillige) besteht darin, den älteren Leuten Gesellschaft zu leisten, mit ihnen zu spielen, zu malen oder einfach mit ihnen zu plaudern. Der Klassiker ist Domino – darin bin ich schon ein richtiger Profi geworden. Die Alten erzählen besonders gern und freuen sich über Zuhörer. Besonders interessant finde ich ihre Berichte aus der Zeit der Diktatur Pinochets, die 1973 in Chile begann. Wenn der Frühling kommt, werden wir auch Ausflüge mit den Senioren machen.

Ich bin gespannt darauf, was mich erwartet!

An manchen Tagen fällt mir die Arbeit noch schwer. Es klappt nicht alles sofort. Auch braucht es Zeit, Vertrauen zu den Menschen aufzubauen – gerade zu den Kindern und Jugendlichen, die nicht ohne Grund in den Heimen leben. Aber wenn dann das gegenseitige Vertrauen da ist, kann es nicht schöner sein. Ich bin einfach glücklich, eine gute Zeit mit den Menschen zu verbringen, zusammen zu lernen, zu reden, zu lachen und sich so weiterzuentwickeln. Und ich freue mich auf das, was mich hier noch alles erwartet.

Dabei darf man nicht vergessen, dass ich in Chile bin, einem der schönsten Länder der Erde. Gerade San Felipe ist in dieser Hinsicht sehr beeindruckend – es ist ganz von den Anden umgeben, die in allen vier Himmelsrichtungen zu sehen sind. Und wo findet man sonst noch Gebirge wie die Anden, Vulkane, kilometerlange Strände und Wüsten in einem Land? Und dazu eine so reiche Kultur.

So sende ich viele Grüße nach Essen aus dem gerade so sonnigen San Felipe.

Eure Faiza!

Stichwort: Über den Verein FIFAr e.V.

Seit der Gründung des Forums für Internationale Friedensarbeit (FIFAr) e.V. im Jahr 1994 haben über hundert Teilnehmer in dem südamerikanischen Land soziale Projekte für Kinder, Jugendliche und Senioren unterstützt und dabei auch selbst von der Teilnahme am interkulturellen Dialog profitiert. Kooperationspartner sind der Freiwilligendienst der Evangelischen Kirche im Rheinland und Weltwärts, ein internationales Freiwilligenprogramm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Für Jugendliche, Eltern und Lehrer, die sich für den Friedensdienst in Chile interessieren, veranstaltet FIFAr e.V. am Mittwoch, 18. November, um 18 Uhr im Jugendhaus der Evangelischen Kirchengemeinde Königssteele, Kaiser-Wilhelm-Straße 37, ein unverbindliches Informationstreffen. Im Internet gibt’s Infos auf der Seite www.fifar-ev-essen.de.

Autor:

Stefan Koppelmann aus Essen

Webseite von Stefan Koppelmann
Stefan Koppelmann auf Facebook
Stefan Koppelmann auf Instagram
Stefan Koppelmann auf X (vormals Twitter)
Stefan Koppelmann auf YouTube
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

10 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.