PR-Aktion Gratis-Nahverkehr in Essen: Bundesregierung rudert zurück

Der kostenlose ÖPNV in Essen war nur eine Nebelkerrze der GroKo angesichts eines drohenden Dieselfahrverbots und möglicher Sanktionen aus Brüssel wegen der ständigen Überschreitung der Luftschadstoffwerte in deutschen Großstädten wie Essen
4Bilder
  • Der kostenlose ÖPNV in Essen war nur eine Nebelkerrze der GroKo angesichts eines drohenden Dieselfahrverbots und möglicher Sanktionen aus Brüssel wegen der ständigen Überschreitung der Luftschadstoffwerte in deutschen Großstädten wie Essen
  • hochgeladen von Joachim Drell

Wenige Tage nach dem überraschenden Vorstoß, in Essen und weiteren vier Modellkommunen einen kostenlosen Nahverkehr einzuführen, rudert die Bundesregierung zurück

. Die Nachfragen des Essener Bundestagsabgeordneten Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) brachten ans Licht, dass die Bundesregierung ihren Vorschlag weder konzeptionell und finanziell durchdacht noch mit Ländern und Kommunen erörtert hat. Die Bundesregierung werde das Gespräch mit den Ländern und Kommunen erst noch suchen, so die Antwort. Auch denkt die Bundesregierung nur über eine „gegebenenfalls zeitweilige – kostenlose Nutzung von Bussen und Bahnen“ in der einen oder anderen Modellkommune nach. „Die Menschen in Essen wollen endlich umsetzbare Lösungen gegen die hohe Schadstoffbelastung der Luft und keine PR-Gags. Saubere Luft gibt’s nur mit einer echten Mobilitätswende und schlüssigen Offensive für attraktiveren Nahverkehr“, reagiert Gehring verärgert auf die Nullnummer der Bundesregierung.

„Unsere Befürchtung, dass der Vorschlag für einen Gratis-Nahverkehr ein Ablenkungsmanöver ist, hat sich leider bestätigt“, so Gehring. Die EU-Kommission werde sich von solchen unausgegorenen Ideen, um eine Klage der EU-Kommission wegen dauerhafter Nichteinhaltung der gesetzlichen Luftqualitätsabgaben und Fahrverbote noch irgendwie abzuwenden, nicht beeindrucken lassen, ist sich der Bundestagsabgeordnete sicher. „Ein kostenloser Nahverkehr in wenigen Modellkommunen wird das Problem mit der dreckigen Luft nicht lösen“, betonte Gehring. Die Bundesregierung müsse schnellstmöglich Hardware-Nachrüstungen von Dieselautos voranbringen – auf Kosten der Autoindustrie. Außerdem solle sie die Kommunen durch die Einführung einer blauen Plakette für abgasarme Dieselfahrzeuge und durch eine ÖPNV-Offensive unterstützen, damit vor allem der Umstieg von mehr Berufspendlern von Auto auf Bus und Bahn gelingt.

Auch wenn die Bundesregierung deutlich von ihrem Vorschlag abgerückt ist, wirbt Gehring dafür, die Debatte über Verbesserungen beim öffentlichen Nahverkehr weiterzuführen. „Bei aller Kritik an dem Schnellschuss freue ich mich, dass die Bundesregierung endlich beginnt sich für den öffentlichen Nahverkehr zu interessieren. In Bund, Land und Kommune sollten wir gemeinsam dafür arbeiten, Bus und Bahn zu einer besseren Alternative zum Auto zu machen.“ Der ÖPNV müsse nicht vordringlich kostenlos, sondern zuverlässiger, bequemer und günstiger werden. Auch die Kleinstaaterei der Tarifzonen in NRW müsse ein Ende haben. Gehring: „Ein NRW-Ticket, im Monatsabo, für zwei Euro am Tag – ein solches Ticket würde gerade die vielen Menschen erreichen, die von, aus oder durch Essen pendeln.“ Das brächte, so Gehring, im Gegensatz zu einem Insel-Modellprojekt in einer Metropolregion einen echten Fortschritt.

Kostenloser ÖPNV in Essen und anderen Modellkommunen – Antworten der Bundesregierung auf Fragen von Kai Gehring


Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frage:

Wie soll ein möglicher kostenloser Nahverkehr in den fünf Modellkommunen, zu denen unter anderem Essen gehört, mit Blick auf den Pendler- und Durchfahrtsverkehr mit den anderen Städten in den jeweiligen Gesamtverkehrsräumen bzw. den Verkehrsverbünden wie zum Beispiel dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) verzahnt werden, und wie lässt sich nach Auffassung der Bundesregierung das Problem lösen, dass Essen und die anderen möglichen Modellkommunen bei Tarifstruktur und Fahrangeboten fest in die Strukturen des jeweiligen Verkehrsverbundes eingebunden sind?

Antwort:

Die Bundesregierung wird zusammen mit den Ländern und Kommunen erörtern, ob als Pilotvorhaben in einer oder mehreren „Modellstädten“ ÖPNV-Modelle als Mittel zur Senkung der Stickstofdioxidkonzentration in der Außenluft in Betracht kommen, darunter auch die – gegebenenfalls zeitweilige – kostenlose Nutzung von Bussen und Bahnen in besonders belasteten Gebieten. Wenn die Maßnahmen konkretisiert sind, können Angaben zur Frage der Berücksichtigung von Pendler- und Durchfahrtverkehren sowie von Verbundräumen gemacht werden.

Frage 37

Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage des Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frage:

Aus welchem Grund wurden die Städte Essen, Bonn, Mannheim, Reutlingen und Herrenberg für einen möglichen Modellversuch in Betracht gezogen, und inwiefern ist diese Liste erweiterbar?

Antwort:

Die Städte wurden repräsentativ im Hinblick auf das Belastungsregime (niedrigere, mittlere oder höhere NO2-Grenzwertüberschreitung) und Größe ausgewählt. In diesen Städten werden verschiedene Maßnahmen zur Luftreinhaltung modellhaft getestet. Die jeweiligen Maß- nahmen legen die Kommunen selbst fest. Eine Erweiterung der Liste der Modellstädte ist nicht vorgesehen.

Autor:

Joachim Drell aus Witten

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

5 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.