Ballett im Revier betanzt neue Wege

Mit Gusto kostet Joseph Bunn (links) seine Rolle als Teufel aus | Foto: Costin Radu
5Bilder
  • Mit Gusto kostet Joseph Bunn (links) seine Rolle als Teufel aus
  • Foto: Costin Radu
  • hochgeladen von Deborrah Triantafyllidis

"Die Geschichte vom Soldaten / Orpheus" ist ein Doppelballettabend der Gegensätze; er erstaunt, polarisiert - und begeistert. Getanzt wird dabei eher modern, Freunde des klassischen Balletts seien also vorgewarnt. Wer sich jedoch auf dieses Experiment einlässt, wird mit einer neu erwachten Euphorie für das Ballett belohnt werden.

Im ersten, längeren Stück "Die Geschichte vom Soldaten" wird durch ein für das Ballett ungewohnt aufwändiges, sich stetig veränderndes Bühnenbild unterstützt. Von Szene zu Szene begleitet der Zuschauer den jungen Soldaten und erlebt sein Schicksal, das auch irgendwie das Schicksal aller zu sein scheint; vom Kapitalismus geblendet und schließlich zerstört.

Erzähler und Sprecher Schwab begeistert

Besonders der Sprecher, Sebastian Schwab, begeistert das Publikum am Premierenabend. Mühelos schlüpft er von Rolle zu Rolle, wird Teil des Ensembles und der Szenerie und hat dabei ein so facettenreiches Repertoire an Stimmlagen und grandioses Gefühl für Timing, dass es eine wahre Freude ist, ihm zuzuhören (und zuzusehen).

Eine wahre Freude anzusehen ist auch Joseph Bunn als verführerischer Teufel, der seine Bösewicht-Rolle mit solch einem Gusto auskostet, als wäre ihm die Rolle auf den Leib geschrieben. Tänzerisch bleibt er wie gewohnt flexibel und ausdrucksstark.

Grandios ist das Finale, in dem Bunn und Junior Demitre ein Pas de deux der besonderes Art tanzen und zu Höchstformen aufdrehen. Die mehr als offensichtlichen Freimaurer-Zeichen, die über allem schweben, sind vielleicht etwas zu viel des Guten, lassen sie doch kaum Raum für weitere, freie Interpretationen.

Orpheus als Ballett

Der zweite Teil des Ballett-Doppelabends zeigt auch wieder mehr Elemente des klassischen Balletts. Ballettdirektorin Bridget Breiner beeindruckt dabei durch ihre Flexibiltät und Wendigkeit genauso wie durch punktgenaue Synchronisation mit den anderen Tänzern.

Während Breiner die Seele Eurydikes tanzt, gibt Kusha Alexi den Körper; eine nicht immer leichte Aufgabe, wird sie doch mehr getanzt als selbst zu tanzen und muss sich führen lassen bei jeder Bewegung. Sergio Torrado zeigt einen sichtbar leidenden Orpheus, der auch zum Ende des Stückes nur an das, was war (Eurydikes Körper und ihren Tod) denken kann anstatt an das, was noch ist (ihre Seele). So ist der berühmte fatale Blick zurück eine Nebensache, eine kleine Geste in einem großen Bild.

Einen absoluten Gänsehaut-Moment bietet der Abtransport von Eurydikes Körper, vor allem auch durch die phänomenale Leistung des Orchesters (an diesem Abend unter der Leitung von Rasmus Baumann).

Fazit: Wer Ballett einmal mit neuen Augen sehen möchte und auch inhaltlich hohe Ansprüche stellt, ist hier genau richtig. Liebhaber des klassischen Balletts sollten mit ihrem nächsten Besuch eventuell auf den "Schwanensee" in der nächsten Spielzeit warten.

Tickets gibt es hier

Wer diesen außergewöhnlichen Ballettabend erleben möchte, kann Karten zum Preis von 10,50 bis 44 Euro an der Theaterkasse des Musiktheater im Revier, Tel. 0209/ 40 97 200, oder online erstehen. Weitere Vorstellungen finden am Sonntag, 30. Juni, und Freitag, 5. Juli statt.

Ein kleiner Vorgeschmack:

Autor:

Deborrah Triantafyllidis aus Gelsenkirchen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.