„Bürgerforum Gladbeck“ sieht sich als „Speerspitze“ im Kampf gegen die Pläne zum Bau der A 52

Matthias Raith, Vorsitzender des "Bürgerforum Gladbeck", ist optimistisch, die Pläne für den Bau des Autobahnkreuzes Wittringen doch noch stoppen zu können.
  • Matthias Raith, Vorsitzender des "Bürgerforum Gladbeck", ist optimistisch, die Pläne für den Bau des Autobahnkreuzes Wittringen doch noch stoppen zu können.
  • hochgeladen von Uwe Rath

Gladbeck. Schon das erste Jahr war verdammt turbulent: Exakt am 6. Dezember 2013 wurde der Verein „Bürgerforum Gladbeck“ aus der Taufe gehoben. Und die Verhinderung der A52 durch Gladbeck, die mit der Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens direkt zu Beginn des Jahres 2015 in eine entscheidende Phase geht, steht nach wie vor im Zentrum der Aktivitäten der Vereinigung.

Für den lokalkompass ist dies Anlass genug für ein Interwiew mit Matthias Raith, dem Vorsitzenden des Vereins. Im Gespräch mit dem lokalkompass erläutert Raith, was das Bürgerforum bislang erreicht hat und welche Aufgaben sich die Vereinigung in nächster Zukunft auf die Fahnen geschrieben hat.

lokalkompass:: Wie bewerten Sie das erste Jahr Ihrer Aktivitäten?

Raith: Wir treten als gemeinnütziger, parteiübergreifender, eingetragener Verein nachhaltig für eine Verbesserung der Lebensqualität in Gladbeck ein.Wegen der anhaltenden Diskussion um die Nutzung der B224-Trasse für eine neue Autobahn quer durch die Stadt haben wir unsere Aktivitäten auf das Thema nachhaltige Mobilität für Gladbeck konzentriert. Wir hatten dabei von vornherein nicht die Illusion, dass wir schon nach einem Jahr den Verzicht von Bund und Land auf die Autobahn und den Rückbau der Trasse zu einer stadtverträglichen Straße erreichen können. Wir konnten uns aber in den vergangenen Monaten mit vielen Aktionen einen festen Platz in den Reihen der gesellschaftlich relevanten Kräfte in der Region erarbeiten. Wir haben gute Grundlagen geschaffen für die jetzt offiziell beginnende Auseinandersetzung der Stadt mit dem Vorhaben des Bundes, uns eine Autobahn hoch über Wittringen und quer durch die Innenstadt zu servieren.

Grundlagen für beginnende Auseinandersetzungen geschaffen

lokalkompass: Der Bau der A52 ist doch seit Jahren das Top-Thema Nr. 1 für Gladbeck.Mit ihm befassen sich Parteien und andere Institutionen praktisch kontinuierlich, vor und nach dem Ratsbürgerentscheid. Braucht man für sachgerechte Lösungen wirklich noch ein Bürgerforum?

Raith: Eindeutig ja. Wir mussten erkennen, dass die politischen Parteien die Interessen der Gladbecker leider nicht so überzeugend und mit dem gebotenen Nachdruck vertreten, wie es erforderlich und angesichts der großen Herausforderung angemessen wäre.Gladbeck müsste sich eigentlich geschlossen wehren. Die Autobahn schadet in vielerlei Hinsicht den Bürgern und der ortsansässigen Wirtschaft, sie bringt der Stadt keinerlei durch Fakten belegbare Vorteile. Teilweise scheinen sich unsere Politikeraber den Bauabsichten des CDU/CSU geführten Bundesverkehrsministeriums zu fügen, die von bestimmten Bundestagsabgeordneten in die Region getragen werden. Teilweise möchte man sich mit der SPD-geführten Landesregierung, die die Autobahn ja ebenfalls will, nicht anlegen. Möglicherweise spielen bei dem einen oder anderen Politiker auch sachfremde Erwägungen eine Rolle. Insgesamt sehen wir zwischen den Interessen der Bürger und der durchaus schillernden, offiziellen Politik eine Demokratielücke, die wir schließen wollen.

Spielen sachfremde Erwägungen eine Rolle?

lokalkompass: Aber im September 2014 hat doch der Rat sehr einmütig gefordert, dass das jetzt bevorstehende Planfeststellungsverfahren ausgesetzt wird.

Raith:Diese Entscheidung ist nach einer mehrjährigen Streiterei ein wichtiger Meilenstein. Wir haben den Ratsbeschluss ausdrücklich begrüßt. Er richtet sich als Minimalkonsens zwar nur gegen den isolierten Bau des Autobahnkreuzes am Wittringer Park, weil in der Planung eine Regelung der eigentlichen Stadtdurchfahrtfehlt. Die Resolution des Rates und die intensive Debatte davor zeigen aber, dass sich Gladbeck mit einer Stimme wehren kann, wenn es darauf ankommt. Der Ratsbeschlussgibt zusammen mit dem Ergebnis des Ratsbürgerentscheids dem Bürgermeister und den Gladbecker Vertretern gegenüber Düsseldorf und Berlin ein robustes Mandat, sich die zum Weichkochen der widerspenstigen Gladbecker gezielt eingesetzte Salamitaktik zu verbitten. Jetzt kann Gladbeck allen auswärtigen Strategen klar machen, dass wir uns den vollen Autobahnverkehr quer durch die Stadt nicht einfach so vor die Füße kippen lassen. …

lokalkompass: … aber trotzdem will die Bezirksregierung – offenbar völlig unbeeindruckt von der neuen Gladbecker Einmütigkeit - das Verfahren für das Kreuz durchführen.

Raith:Die Art und Weise des Verfahrensbeginns ist ein unglaublicher Vorgang, für den mir eigentlich die richtigen Worte fehlen. Die Art der Bekanntgabe ist mehr als ungeschickt und geradezu flegelhaft. Einer Stadt, die sich so klar und mehrmals gegen den isolierten Bau eines Autobahnkreuzes ausgesprochen hat, per Pressemitteilung und Einschreibebrief den Verfahrensbeginn bastamäßig und mitten im Winter mitzuteilen, verstößt nicht nur gegen die Gebote der Höflichkeit, sondern auch gegen die im Planfeststellungsverfahren vorgeschriebenebürgerfreundliche Kommunikation und Mediation. Die Aktion der Landesbehörden entspringt der Arroganz einer angemaßten Macht gegen eine vermeintlich wehrlose, kleine Stadt. Die SPD-geführte Landesregierung lässt ja sonst keine Gelegenheit aus, der SPD geführten Stadt jedes kleine Bonbon wortgewaltig zu präsentieren. Dass sie den für das kommende Jahrzehnt voraussichtlich wichtigsten Eingriff in das Leben der Gladbecker durch die Hintertür an die Stadt heranträgt, ist ein klägliches Politikerversagen.Wer immer die Gladbecker auf die Barrikaden bringen will, sollte wissen, dass wir uns den notwendigen Auseinandersetzungen stellen.

Planfeststellungsverfahren wird zum Aus für die Autobahnpläne führen!

lokalkompass: Ist dennoch die Einleitung die für Januar 2015 angekündigte Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens der Anfang vom Ende Ihres Widerstandes?

Raith: Ganz sicher nicht.Freilich werden wir die Bauabsichtenerst richtig kennen, wenn wir ab dem 07. Januar 2015 Einsicht in die Akten und Pläne genommen haben. Das Vorhabenkommt aber schon aus heutiger Sicht auffallend rechtswidrig daher. Stichworte sind: falsche Abschnittsbildung, fehlender eigenständiger Verkehrswert, eklatante Verstöße gegen eine Reihe von Gesetzen zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt. Die Gladbecker haben in den ersten Wochen des kommenden Jahres das Recht und die einmalige Chance, qualifizierte Einwendungen zu erheben. Wenn sie ihrensachlich richtig vorgetragenen Protest bis zum Ende des Verfahrens durchhalten, wird derBund keine Baugenehmigung bekommen. Das Verfahren wird also, anders als Sie es mit Ihrer Frage in den Raum stellen, mit einiger Gewissheit zum Erfolg des Widerstandes und zum Aus für die Autobahn führen. Unsere Nachbarstädte haben mit der Verhinderung der A 41 durch Gelsenkirchen und der A31 durch Bottrop sowie mit dem Nein zur Lippe-Randautobahn durch Dorsten und Marl gezeigt, dass Widerstand erfolgreich sein kann und den Menschen wie der Wirtschaft hilft. Wir finden es bedauerlich, dass wir ein gleichartiges Ergebnis erst nach schätzungsweisenfünf bis acht Jahren streitiger Auseinandersetzung in Händen haben werden. Der Bund will es aber offensichtlich nicht anders. Ein wenig Sarkasmus sei dabei erlaubt: das bruchstückhafte Verfahren nur für das Kreuzist so erkennbar fehlerhaft, dass es schon wieder gut ist. Ein so angestrebtes Teil-Baurecht ist jedenfalls leichter auszuhebeln als eine seriöse Planung für die gesamte Strecke.

lokalkompass: Sehen Sie wirklich eine Chance, die Autobahn im Planfeststellungsverfahren zu verhindern, obwohl eine breite Front von Politikern aus Bund und Land die Autobahn durch Gladbeck offenbar unbedingt will?

Raith:Wenn man sich gegen eine Autobahn zur Wehr setzt, muss man das im Planfeststellungsverfahren tun. Der Bau der A52 wird nicht durch mehr oder weniger glaubhafte und vollmundige Erklärungen von Politikern oder gar Lobbyisten herbeigeredet. Entscheidend ist die Auseinandersetzung mit konkreten Bauplänen und dazu gehörenden Gutachten im gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren. Hier geht es um Recht und Gesetz, um die behördliche und gerichtliche Feststellung der Grenzen für Eingriffe des Staates in Gesundheit und Natur, um Umweltgerechtigkeit. Jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit. Politische Argumente oder gar Einflussnahmen von Politikern würden jedes Verfahren vor Gericht zu Fall bringen. Wir haben uns deshalb von Anfang an für die Offenlegung der Unterlagen eingesetzt, damit sich die Gladbecker Bürger konkret gegen unverhältnismäßige Beeinträchtigungen von Menschen und Natur zur Wehr setzen können. Dem stellen wir uns jetzt.

Politiker und Lobbyisten reden Bau der A 52 herbei!

lokalkompass: Hat das Bürgerforum die Kraft und das Geld, den Planungen des Bundes Paroli zu bieten?

Raith:Wir können den Widerstand, den Gladbecker Bürger leisten wollen, koordinieren und den vom Bau der Autobahn Betroffenen die Möglichkeiten aufzeigen, die auch wirklich erfolgversprechend sind. Taugliche Einwendungen müssen sich konkret gegen Gesetzesverstöße der Planung richten, durch die der Absender persönlich in seinen Rechten verletzt ist. Das erfordert aktives, bürgerliches Engagement jedes einzelnen Betroffenen. Postwurfsendungen und Massendrucksachen an die verfahrensführende Behörde sind leider keine zielführenden Mittel. Wir haben die Kraft, unsere Mitglieder in dieser Hinsicht zusammen mit unseren Partnern aus anderen Städten und dem BUND professionell zu beraten. Und wir sammeln Spendengeld, um in Ausnahmenfällen einzelne, im Interesse der gesamten Stadt erfolgversprechende Klagen zu finanzieren. Wir bitten darum, dass möglichst viele Gladbecker die jetzt anstehendeentscheidende Phase des Verfahrens als historische Chance wahrnehmen, einen nicht wiedergutzu machendenSchaden von der Stadt, eine deutliche Minderung ihrer Lebensqualität, Beschädigungen ihrer Betriebe, den erheblichen Wertverlust ihrer Immobilen und ihres Wohnumfeldes zu verhindern. Das geht nur gemeinsam. Das Bürgerforum kann die Auto-bahn nur zusammen miteinem aktiven Engagement möglichst vieler Gladbecker kippen.Eine ver-drossene Grundeinstellung nach dem Motto „Die da oben machen sowieso was Sie wollen“ ist in jedem Fall fehl am Platz.

lokalkompass: Wie geht es jetzt weiter mit dem Bürgerforum?

Raith: Im Vordergrund unserer Aktionen stehen jetzt selbstverständlich die Abwehr der A52 und der Rückbau der B 224 zu einer stadtverträglichen Straße. Die nächsten Wochenhaben unsere Aktiven einen Vollzeitjob. Zu gegebener Zeit werden wir uns aber auch um andere Themenkümmern. Dazu gehören beispielsweise die Verbesserung des Bus- und Bahnverkehrs und die Aufwertung der Mottbruchhalde zu einem attraktiven Touristenziel in der Topligavergleichbarer Landmarken im Ruhrgebiet. Gladbeck hat sich offensichtlichin vielerlei Hinsicht angewöhnt, von außen an die Stadt herangetragenenVorgabenzu erdulden, auch wenn sie vor Ortersichtlich schaden. Aus dieser kollektiven Opferhaltung müssen wir raus; die Gladbecker müssenihre Stadt mit mehr Selbstbewusstseinvertreten. Wir haben uns die kommunale Selbstständigkeit doch deshalb bewahrt, damit wir unsere Lebensqualität in ganz besonderer Weise absichern und unsere Interessen als kleine und nicht gerade leistungsstarke Ein-heit zwischen den großen Städten des Ruhrgebiets gegen alle Fremdinteressen gezielt durchsetzen können. Das Bürgerforum hat sichganz bewusst am Nikolaustag gegründet, dem Jahrestag des historischen Urteils von 1975, das die damals hart erkämpfte Selbstständigkeit der Stadt Gladbeck besiegelt hat. Wir gründen unsere Initiative auf dem damaligen Kampfgeist. Wir Gladbeckermüssen Bund, Land, Großunternehmen und Verbände systematisch daran hindern, Menschen und Umwelt in Gladbeck ungerecht zu behandeln. Wer auch immer fragwürdige Großvorhaben, die sonst keiner haben will, auf Gladbecker Grund und auf dem Rücken der Gladbecker abladen möchte, muss mit uns rechnen. Wir sind Gladbecker mit Leidenschaft, und wir wissen, dass wir damit nicht alleine sind. Wir haben viel zu tun.

Autor:

Uwe Rath aus Gladbeck

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