Mindestlohn: Der Kampf geht weiter - Verbandsklagerecht für Gewerkschaften gefordert - Mietwucher bei Saisonarbeitskräften erwartet

"Darüber hinaus ist es entscheidend, dass die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht im Kampf um bessere Tariflohnerhöhungen und Arbeitsbedingungen wieder gestärkt werden. Dazu müssen prekäre Arbeitsverhältnisse beendet werden, also Schluss mit sachgrundloser Befristung, Leiharbeit und Werkverträgen", so Michael Schlecht, wirtschaftspolitischer Sprecher der LINKFRAKTION im Deutschen Bundestag. | Foto: DIE LINKE
  • "Darüber hinaus ist es entscheidend, dass die gewerkschaftliche Durchsetzungsmacht im Kampf um bessere Tariflohnerhöhungen und Arbeitsbedingungen wieder gestärkt werden. Dazu müssen prekäre Arbeitsverhältnisse beendet werden, also Schluss mit sachgrundloser Befristung, Leiharbeit und Werkverträgen", so Michael Schlecht, wirtschaftspolitischer Sprecher der LINKFRAKTION im Deutschen Bundestag.
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Ein wahrlich historischer Tag hätte der 3. Juli 2014 werden können, wenn in Deutschland statt eines € 8,50 Mindestlohnes mit zig Ausnahmen ein flächendeckender € 10 Mindestlohn ohne Ausnahmen eingeführt worden wäre. Statt nur rund 2,5 Millionen Menschen hätten doppelt so viele Beschäftigte von den Ausbeuterlöhnen befreit werden können. Der Kampf um zumindest im Ansatz gerechte Löhne wird daher weitergehen.

Im ursprünglichen Regierungsentwurf von CDU/CSU/SPD war bereits angedacht, dass junge Beschäftigte unter 18 Jahren sowie Langzeitarbeitslose von dem neuen Mindestlohn ausgenommen sein sollen. Schon damals war geplant diese somit zu Beschäftigten zweiter Klasse zu machen, die weiter Hungerlöhne erhalten sollen. Die Ausnahmen wurden bei dem nun beschlossenen Mindestlohn zur Regel.

"Rund einer Million Langzeiterwerbslosen wird der Mindestlohn vorenthalten. Aber gerade sie werden besonders häufig mit niedrigen Löhnen abgespeist. Statt dies noch zu legitimieren, hätte die GroKo sie schützen und in den vollen Schutz des Mindestlohnes einbeziehen müssen. Ebenso skandalös ist Beschäftigte unter 18 Jahren vom Mindestlohn auszunehmen. Mehr als 300.000 Jugendliche arbeiten und sind nicht in einer Ausbildung. Fast alle von ihnen gehen ausschließlich einem Minijob oder einer kurzfristigen Beschäftigung nach. Das sind in der Regel Schülerinnen und Schüler, die sich neben der Schule oder in den Ferien etwas hinzuverdienen. Es ist nicht hinzunehmen, dass sie für ihre geleistete Arbeit weniger Lohn erhalten sollen als über 18-Jährige. Das ist Altersdiskriminierung und verfassungswidrig.", analysiert Michael Schlecht, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE den neuen Mindestlohn.

Kniefall vor Zeitungsverlegern

Auf den letzten Metern der Verabschiedung machte die schwarzrote Bundesregierung dann noch kurzfristig einen Kniefall vor den Zeitungsverlegern: Zeitungszustellerinnen und Zusteller sowie Saisonarbeitskräfte werden vom Mindestlohn ausgenommen. Das selbe gilt nun auch für Menschen, welche ein freiwilliges Praktikum bis zu drei Monaten machen.

Die Sonderregelung für 300.000 Zeitungszusteller sieht vor, dass im Jahr 2015 der Stundenlohn 25 Prozent und im Jahr 2016 15 Prozent unter dem Mindestlohn liegen darf. Für das Jahr 2017 bleibt es bei 8,50 Euro, selbst wenn dann eine Erhöhung des Mindestlohnes festgelegt wurde. Frühestens ab 2018 werden Zeitungszusteller den allgemein geltenden Mindestlohn erhalten. "Sofern dies nicht bis dahin wieder mit einer intensiven Bearbeitung der Mehrheitskräfte im Bundestag durchkreuzt wird. Politiker sind eben besonders sensibel gegenüber Lobbyisten wenn sie befürchten müssen, dass diese sich für Unbotmäßigkeiten rächen könnten.", so Michael Schlecht (DIE LINKE) weiter.

Die Zeitungsverleger hätten ja durchaus die Möglichkeit gehabt durch Abschluss eines Tarifvertrages mit der Gewerkschaft ver.di einen gleitenden Einstieg in den Mindestlohn vorzunehmen. Aber Tarifverträge scheuen die Zeitungsverleger wie der Teufel das Weihwasser.

Bei den rund 800.000 Saisonarbeitskräften sollen die Kosten für Verpflegung und Unterkunft mit dem Mindestlohn verrechnet und die versicherungsfreie Zeit von derzeit 50 Tagen auf zukünftig 70 Tage ausgeweitet werden. Saisonarbeitskräfte sind befristet Beschäftigte, für die sowohl europarechtlich als auch nach deutschem Recht das Diskriminierungsverbot gilt.

Mietwucher bei Saisonarbeitskräften erwartet

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass mit der Anrechnung der Kosten für Verpflegung und Unterkunft auf den Mindestlohn Mietwucher bei Saisonarbeitskräften programmiert ist. Und die Ausweitung der versicherungsfreien Zeit auf 70 Tage kann dazu führen, dass Saisonarbeit sich auf weitere Bereiche wie zum Beispiel die Tourismusbranche ausweitet. Die Beschäftigten mit den wenigsten Rechten werden somit weiter benachteiligt.

Einführung eines Verbandsklagerecht für Gewerkschaften

Je mehr Ausnahmen es gibt, desto schwieriger werden die Kontrollen und desto weniger ist den Betroffenen bekannt, welche Regelung für sie gilt. Für die Durchsetzung des Mindestlohns ist die Einführung eines Verbandsklagerecht für die Gewerkschaften wichtig. Dann können diese für den einzelnen Beschäftigten gegen seinen Unternehmer klagen um die Zahlung des Mindestlohnes sicherzustellen.

Seit mehr als zehn Jahren haben vor allem die Gewerkschaften ver.di und NGG sowie die Partei DIE LINKE für einen gesetzlichen Mindestlohn gekämpft. Dieser Kampf geht weiter. Für die Zukunft muss es darum gehen einen wirklich flächendeckenden Mindestlohn durchzusetzen. Der Kampf um diesen hat mit dem jetzt beschlossenen Mindestlohn, bei aller berechtigter Kritik, eine etwas bessere Ausgangslage.

Einen interessanten Lokalkompassbeitrag zu dem Sieg im Kampf um einen ambitionierten Mindestlohn in den USA finden Sie hier:
http://www.lokalkompass.de/dortmund-ost/politik/seattleusa-linke-15-now-kampagne-setzt-15-dollar-mindestlohn-durch-historischer-sieg-der-niedrigloehner-und-der-arbeiterbewegung-d442896.html

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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