Der Bombentag in Duisburg: "Da müssen wir durch!"

11.34 Uhr beginnt die Entschärfung, 12.09 Uhr wird Entwarnung gegeben, kann die Kampfmittelbeseitigung die entscärfte Bombe präsentieren. Von links: Michael Hoff, Thomas Kaminski und Peter Giesecke. Foto: Hannes Kirchner
  • 11.34 Uhr beginnt die Entschärfung, 12.09 Uhr wird Entwarnung gegeben, kann die Kampfmittelbeseitigung die entscärfte Bombe präsentieren. Von links: Michael Hoff, Thomas Kaminski und Peter Giesecke. Foto: Hannes Kirchner
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„Sie können hier nicht durch. Sie sehen doch, dass die Straße gesperrt ist.“ Weniger die Bombenentschärfung stellte am Freitagmorgen in Duisburg ein Problem dar, als vielmehr die Straßensperren.

Zum Beispiel an der Musfeldstraße in Hochfeld: Immer wieder versuchen Anwohner, auch nach 10 Uhr noch, in die Evakuierungszone zu gelangen. „Ich muss nur noch mal kurz nach Hause, nur zwei Minuten“, versucht ein Autofahrer einen Ordner zu überzeugen. Ein anderer will in seine Werkstatt, wo er dann auf die Entwarnung warten wolle. Doch dafür hätte er noch eher dran sein müssen.

„Die Leute sind einfach uneinsichtig“, weiß auch Johannes Becker (Name v. d. Red. geändert) zu berichten. „70 oder 80 Mal“ stand der Ordnungsamtsangestellte bereits an einer Straßensperre bei Bombenentschärfungen in Duisburg. Jeder der Leute, die noch in den äußeren Absperrungskreis, 1000 Meter um den Fundort der Bombe, hineinfahren müssen, habe dafür einen anderen Grund. Aber Ausnahmen können nicht gemacht werden.

Wieder einmal war in Duisburg ein Blindgänger gefunden worden. Diesmal ganz in der Nähe der A59, dort am Mercatorkreisel, wo die Autobahn sechsspurig ausgebaut wird. Wieder musste der Hauptbahnhof und diesmal auch der gesamte Innenstadtbereich evakuiert werden.

Die Stadt ist wie leergefegt.

Das bedeutet absolut freie Fahrt für den Sonderbus der DVG. Der wartet ab 9.30 Uhr am Ostausgang des Hauptbahnhofs, bringt Personen um 10.15 Uhr aus der Evakuierungszone zur Sporthalle des Mercator-Gymnasiums, wo ein Aufenthaltsraum eingerichtet wurde. Rund 125 Leute finden darin Platz.

Zu den unfreiwillig in Duis­burg gestrandeten Bahnreisenden gehört Pia Sudhoff. Die junge Studentin ist eigentlich zwecks eines Arztbesuchs auf dem Weg von Dortmund ins heimische Mönchengladbach-Rheydt, Umstieg um 9.25 Uhr in Duisburg inklusive. Doch statt Umsteigen heißt es nun Aussteigen. „Davon war bei der Online-Auskunft der Bahn gestern Nacht aber nichts zu lesen.“ Pia zeigt zum Beweis ihren Fahrplanausdruck von 23.31 Uhr. Die junge Frau nimmt ihren Zwangsaufenthalt in Duisburg – im Gegensatz zu manch zeterndem Zeitgenossen – allerdings gelassen: „Bleibt mir ja nichts anderes übrig. Hätte ich das gewusst, wäre ich irgendwie anders gefahren. Oder ich hätte ausschlafen können ...“

Ilona Lubin aus Rahm erfährt erst am Freitagmorgen im Finanzamt Duisburg-Süd auf der Landfermannstraße von Evakuierung und Entschärfung. „Ich war bis gestern bei meinem Sohn zu Besuch in Düsseldorf, habe davon gar nichts mitbekommen“. Nach Hause schafft sie es nicht mehr. Den Zwischenstopp im Mercator-Gymnasium nimmt aber auch sie mit Sportsgeist: „Gibt Schlimmeres. Da müssen wir durch!“

Die Galeria Kaufhof ist das einzige der großen Kaufhäuser, das an diesem Morgen geöffnet hat – zumindest bis 10 Uhr. Wer dann noch drin ist, muss auch drinnen bleiben bis die Bombe erfolgreich entschärft wurde.

Ungefähr 60 Menschen nehmen dieses Angebot an, frühstücken im Restaurant, schreiben eifrig Kurznachrichten an „die da draußen“ oder diskutieren über das Ereignis. Für Bluthochdruck sorgt es indes bei keinem der Anwesenden. Alle sind zuversichtlich, dass das schon klappen wird. Draußen ist sowieso schlechtes Wetter, man verpasst nichts – alles halb so wild. Plötzlich eine Durchsage. Was, schon alles vorüber? „Der siebenjährige Kevin möchte von seinem Vater in der Schmuckabteilung abgeholt werden.“ Also ist auch weiterhin Geduld gefragt.

Die haben Marianne Lobitz und Alexandra Saddey, deren Arbeitsplatz in der Evakuierungszone liegt, seit mittlerweile fast drei Stunden. „Um 9.30 Uhr haben wir das Büro verlassen. Danach ging‘s erst einmal in ein Café auf der Münzstraße. Dann stand Zwangs-Shoppen im Knüllermarkt an.“ Jetzt genehmigen sich die Beiden im gut gefüllten Café des Deko-Tempels einen weiteren Kaffee und ein Stück Kuchen und sind froh, dass sie Viertel nach Zwölf die Nachricht „Bombe entschärft – alles prima“ erreicht. „Allzu oft sollte es so ein ,Bomben-frei‘ nicht geben“, sind sie sich beim Verlassen des Cafés einig, „das geht auf die Figur.“

Weitere Bilder vom Bombentag in Duisburg HIER

Autor:

Lokalkompass Duisburg aus Duisburg

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