Gerda Auf der Lake ist Wirtin mit Leib und Seele: Ihre Frohnhauser Gaststätte gibt es bereits seit 100 Jahren
Nach mehr als 70 Jahren hinter der Theke noch immer keine Lust auf Rente

In dem Anbau hinter der Gaststätte wurde viele Jahre jeden Samstag getanzt. Im Krieg wurde der Saal zerstört und nicht wieder aufgebaut.  | Foto: privat
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  • In dem Anbau hinter der Gaststätte wurde viele Jahre jeden Samstag getanzt. Im Krieg wurde der Saal zerstört und nicht wieder aufgebaut.
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Kurz vor 17 Uhr schließt Gerda Auf der Lake ihre Wohnungstür ab und geht hinunter in die Gaststätte. "Jeden Tag außer dienstags, da ist geschlossen", schränkt die 89-Jährige ein. Von ihren Eltern hat die Frohnhauserin die Wirtschaft übernommen. Gegründet wurde das Traditionshaus an der Hamburger Straße 36 von ihren Großeltern: Maria und Wilhelm Eberhard. Das ist beinahe auf den Tag genau 100 Jahre her.

von Christa Herlinger

"Am 20. Oktober 1920", liefert Bruder Alfred Auf der Lake das genaue Datum. Er lebt mit Ehefrau Dorothea im Haus nebenan. Wenn Not am Mann ist, springen die beiden auch mal mit ein in der Wirtschaft. Doch bis auf die Auszeit nach ihrem bösen Sturz, steht Gerda Auf der Lake Tag für Tag selbst hinter dem Zapfhahn. Sie kennt ihre Gäste. "Das sind inzwischen alles gute Bekannte", verrät sie. Anders als früher findet heute kaum ein Fremder den Weg in die Hamburger Straße. Die Kneipenkultur hat sich gewandelt.

Früher wurde jeden Samstag getanzt

Vor dem Krieg, so berichten die Geschwister, war jeden Samstag Tanz im großen Saal hinter dem Schankbereich. "Der wurde durch Bomben allerdings vollständig zerstört. Auch das Haus hat viel abbekommen", so Alfred Auf der Lake. Erst 1950 waren die Reparaturen soweit ausgeführt, dass auch die Wirtschaft der Eltern wieder öffnen konnte.
Vor allem Bergleute waren es, die nach der Schicht auf ein Pils mit Solei oder Frikadelle bei den Auf der Lakes vorbei geschaut haben. "Während der Woche hieß es dann immer: Gerda, schreib einfach an. Bezahlt wird freitags", blickt die Wirtin schmunzelnd zurück. Dann wurden die Lohntüten auf der Zeche verteilt. "Und ich bekam mein Geld. Das hat immer geklappt."

Nach der Kirche ging's zum Frühschoppen

Die 89-Jährige liebt ihren Job. Doch auch er hatte Kehrseiten: "Unser Familienleben war deutlich eingeschränkt. Eigentlich hatten wir nur den Heilig Abend, an dem die Gaststätte komplett geschlossen war." Am Wochenende herrschte bei den Auf der Lakes zumeist Hochbetrieb. Sonntags wurde an der Hamburger Straße schon immer um 11 Uhr geöffnet. "Nach der Kirche kamen die Männer zum Frühschoppen." An die großen Zeiten der Kneipenkultur, an ein volles Haus und Gäste aller Generationen erinnert sich die 89-Jährige gerne und auch mit ein wenig Wehmut zurück. "Heute treffen sich die jungen Leute nicht mehr zum Feiern in einer Gaststätte. Das war auch vor Corona schon so."

Gaststätte an der Hamburger Straße wird 100 Jahre alt

Die Zeit hinter dem Zapfhahn wird Gerda Auf der Lake auch nach mehr als 70 Jahren noch nicht lang. Vieles im Inneren des Traditionshauses sieht heute noch genauso aus wie zur Wiederöffnung nach dem Kriege. Nostalgie pur, die die Stammgäste zu schätzen wissen. Und die die 89-Jährige gerne noch ein wenig weiter genießen möchte. Auf Rente, so räumt sie ein, habe sie noch keine Lust. Lust das 100-Jährige "ihrer" Wirtschaft zu feiern, die gibt es schon. "In diesen Zeiten ist das nur leider nicht möglich."
So musste die Familie am gestrigen Jubiläumstag alleine anstoßen, auf ein Stück Tradition, von der es in Essen von Jahr zu Jahr weniger gibt.

Autor:

Lokalkompass Borbeck aus Essen-Borbeck

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