Mit einer Sperrklausel die lokale Demokratie stärken?

Monika Gärtner-Engel bei einer Ratssitzung 2013. | Foto: Monika Gärtner-Engel

In der Ratssitzung am 19.2. in Gelsenkirchen brachte eine große Koalition aus SPD und CDU einen Antrag ein, der die Einführung einer 3-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen fordert. Da dieses Thema natürlich nicht nur in Gelsenkirchen wichtig ist, dokumentiere ich hier Auszüge aus der Rede von Monika Gärtner-Engel, Stadtverordnete unseres Schwesterbündnisses „AUF Gelsenkirchen“. Auch von Essener Ratspolitikern gab es schon mehrfach Auslassungen dazu und selbst einzelne GRÜNE waren sich nicht zu schade dafür, diesem undemokratischen Ansinnen das Wort zu reden. Die Rede von Monika Gärtner-Engel wurde mit viel Beifall aus dem Rat und von der Zuschauertribüne bedacht.

Mit einer Sperrklausel die lokale Demokratie stärken?

Seit ich von diesem Tagesordnungspunkt gehört habe, frage ich mich, warum Sie sich das antun? Klar, es ist wohl eine zentral verordnete Kampagne von Ihren vorausschauenden Parteispitzen, das jetzt in Angriff zu nehmen. Aber das Ganze ist so unübersehbar darauf ausgerichtet, ihnen unliebsame Kritiker vom Hals zu halten, dass es schon geradezu peinlich ist. Andererseits kann ich sie irgendwie auch verstehen angesichts deutlicher Veränderungen in der Parteienlandschaft: Die CDU ist bei der Hamburg-Wahl komplett eingebrochen. Vor 20 Jahren hatte die SPD in Gelsenkirchen 12 000 Mitglieder, heute noch grade mal um die Hälfte. Oder vielleicht haben Sie nach Griechenland geschaut – dort lag Syriza vor ein paar Jahren bei unter 3 %, die PASOK bei über 30 – und heute ist es umgekehrt.

Hier treiben sie vielleicht leise Befürchtungen, dass auch hier "aus dem Kleinen das Große" wird?! Die ganze Entwicklung zu viel mehr Gruppen und Bündnissen in den Räten ist doch unübersehbar Ausdruck davon, dass die Menschen nicht mehr mit Inhalt und Politikstil der etablierten Parteien einverstanden sind! Aus Protest entstehen neue Gruppierungen. Und was machen Sie jetzt? Statt der Sache auf den Grund und mal selbstkritisch in sich zu gehen, versuchen Sie, ihre Kritiker auszugrenzen, zu unterdrücken. Das wird nicht funktionieren!

Aber nochmal: warum tun Sie sich das an? Warum wollen Sie das Bunte, Lebendige, das die Vielfalt der Wählerinnen und Wähler zumindest im Ansatz widerspiegelt, abwürgen? Allein die Vorstellung, der Rat würde zurückkehren zu Verhältnissen, wo dann nur die Platzhirsche Heinberg und Dr. Haertel sich mal den einen oder anderen Schlagabtausch liefern, immer mal wieder Herr Tertocha von der SPD eins auf die Mütze kriegt, weil er nicht brav war und dazu ein paar schweigende, höchstens rassistische Anträge einbringende Rechte… welch schreckliches Szenario und wie gähnend langweilig! Dabei könnten sie eigentlich froh und dankbar sein, dass es solche hartnäckigen und fleißigen Farbtupfer wie uns von AUF, oder jetzt die Piraten, andernorts auch DKP, Linke, Bürgerbündnisse gibt.

Stichwort Inhalt, Stichwort Politikstil! Immerhin haben allein schon wir von AUF jede Menge Punkte eingebracht, über die Sie zuerst gelacht, sie abgeschmettert und uns attackiert haben. Doch meistens haben Sie es Jahre später auch kapiert. Oder anders gesagt: Die Farbtupfer wurden zur Mehrheitsmeinung.

Hans Sachs Haus – die Ratsmehrheit macht einen abartigen Vertrag, wendet sich jahrelang gegen den Vertragsausstieg, beschließt den Abriss – wir waren gegen den Vertrag, dann für den schnellstmöglichen Ausstieg, kämpften um das Hans Sachs Haus. Gewonnen! Bingo!
(...)
Giftmüll unter Tage - es gäbe garantiert keinen Ausschuss beim Landtag, wenn nicht in Kooperation von Dr. Friedrich, dem Bauern Schulze-Bergkamen und Christian Link von Kumpel für AUF im Verbund mit wachsamen Medien Licht ins Dunkel gebracht worden wäre!
(…)
Dann zum Politikstil: Wir praktizieren hier - trotz aller Anmache uns gegenüber - einen demokratischen und kompetenten Stil und können auch mal zugeben, wenn wir schief lagen oder jemand was besser überlegt hat als wir. Bei etlichen von Ihnen üblich ist antikommunistisches Mobbing und ein Verhalten, das man nur bezeichnen kann als "mit dem Rennwagen durch die Kinderstube gefahren" Es gibt ja immer noch Leute hier, die nach 15 Jahren es nicht übers Herz bringen, zu mir guten Tag zu sagen oder gar mir die Hand zu geben.
(…)
Bezeichnend ist übrigens auch, wer da Ihr Gutachten verfasst hat – bestimmt für ein horrendes Honorar. Es ist ja die Kanzlei der Staranwälte, die Sie damals in Sachen Hans Sachs Haus für teure Steuergelder gegen mich engagiert hatten, und die in stundenlanger Verhandlung so kläglich untergingen. Die Kanzlei hat u.a. die Betreiber von Asse vertreten, den Bundesrat beim NPD-Verbot, das bekanntlich scheiterte wegen zu vieler V-Leute in der NPD und die hochrangigen Verfassungsschützer van Hüllen und Bergdorf gegen die MLPD. Na dann viel Spaß, bei dieser Kooperation!
Klar dass Sie heute per Mehrheitsentscheidung sich selbst bestätigen können, dass Sie uns nicht haben wollen. Das wussten wir aber auch schon vorher. Und was haben Sie damit gewonnen? Nichts! Höchstens dass sich vielleicht ein paar mehr Leute bemüßigt fühlen, dann die Farbtupfer im Rat eben noch stärker werden zu lassen.
Denken Sie daran, was Mahatma Gandhi gesagt hat: „Zuerst ignorieren sie dich. Dann lachen sie über dich. Dann bekämpfen sie dich. Und dann gewinnst du!“

(Die vollständige Rede findet man hier: http://www.auf-gelsenkirchen.de/index.php/auf-ist-aktiv/stadtpolitik/1258-rat-aktuell-hauptausschuss-aktuell)

Autor:

Bodo Urbat (Essen steht AUF) aus Essen-Nord

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