Kamelleregen im Sonnenschein

Nicklas und Jule waren die beiden Gewinner, die über die Mülheimer Woche zwei Plätze auf dem Kinderwagen gewonnen haben. | Foto: Jiri Kollmann
  • Nicklas und Jule waren die beiden Gewinner, die über die Mülheimer Woche zwei Plätze auf dem Kinderwagen gewonnen haben.
  • Foto: Jiri Kollmann
  • hochgeladen von Regina Tempel

Karneval sollte immer im März sein - bescherte Petrus doch den mölmschen Narren den schönsten Rosenmontag seit Jahren. Sehr zur Freude auch von MW-Redakteurin Regina Tempel, die gemeinsam mit zwei Gewinnern der MW-Verlosung auf dem Kinderwagen mitfuhr.
Die erste Hürde, um beim Rosenmontagszug mitzufahren, ist das Finden des richtigen Wagens. Der allererste Wagen trägt tatsächlich die Nr. 14, der Kinderwagen des Hauptausschusses. Auf mich warten schon aufgeregt die beiden Gewinner, die den Platz auf dem Wagen auf einen Aufruf hin in der Mülheimer Woche gewonnen haben: Die 12-jährige Jule in buntem Fantasiekostüm, die sich seit Jahren gewünscht hat, einmal auf dem Zug mitzufahren, und Gespenst Nicklas. der vor zehn Jahren an einem Rosenmontag geboren wurde und für den die Fahrt ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk ist.
Die zweite Hürde stellt sich, wenn man vor dem Start noch schnell ein gewisses Örtchen aufsuchen will - schließlich muss man zweieinhalb Stunden auf dem Wagen ausharren. Die RWE-Halle ist zu, beim Döner-Laden stehen die Jecken Schlange - bei 50 Cent pro Besuch macht der Inhaber bestimmt doppelten Umsatz an diesem Tag.
Dann läuft der Countdown. Direkt als erste Gruppe hinter dem Zugmotiv „Die fünfte Jahreszeit ist ein Genuss. In Mülheim/Ruhr, der Stadt am Fluss.“ startet eine holländische Musikgruppe. Mit einem Sound, der in die Beine geht, ziehen die Mitglieder, deren Kostüme eine Mischung zwischen Inka und Samba sind, an unserem Wagen vorbei. Ein toller Auftakt, sowohl visuell als auch musikalisch. Schade, dass wir von ihnen nicht mehr mitbekommen, denn der Kinderwagen reiht sich erst in der Mitte des Zuges ein.
Erwartungsvoll ist die Stimmung auf unserem Wagen. Der Hauptausschuss Groß-Mülheimer Karneval hat unsere Gewinner großzügig mit Wurfmaterial versorgt, Jule hat auch noch etwas mitgebracht. So stapeln sich in unseren Boxen und Kisten Kamelle, Bälle, Käppis und Frisbees. Von unseren Nachbarn auf der anderen Wagenseite bekommen wir auch noch einige Stofftiere, die besonders gefragt sind.
Doch erst einmal geht‘s die Kaiserstraße runter. Hier dürfen keine Bälle oder Frisbees geworfen werden, denn runterrollenden Gegenständen könnten Kinder nachrennen und gefährliche Situationen provozieren. Die Ordner neben unserem Wagen sorgen dafür, dass kein Besucher zu nah an die riesigen Räder kommt.
Begeistert werfen Jule und Nicklas Kamelle und Kappen in die Menge. Nicht alles auf einmal, denn der Weg ist lang und bittende Gesichter gibt es zu tausenden. Wenn der Wagen steht, darf nicht geschmissen werden. Auch an der Wurftechnik wird während der Fahrt gefeilt. So eignet sich der „Schlagballweitwurf“ weniger, die Menschen ducken sich unter dem Bonbonbombardement, auch unsere Ordner müssen einiges einstecken. Gefragt ist der Schwung von unten nach oben, so können die Kamelle besser gefangen werden.
Und so zieht sich der närrische Lindwurm durch die Mülheimer Innenstadt. So viele Menschen drängen sich am Straßenrand, dass man bekannte Gesichter in der Menge oft übersieht. Arme recken sich unserem Wagen entgegen, Hüte, Sombreros, umgedrehte Regenschirme und sogar Tischtücher werden zum Auffangen in die Luft gereckt. Manch bittendem Blick eines Elternteils mit Kleinkind kann man sich nicht verschließen und spendiert noch eine Handvoll extra. Viele Familien mit Kindern stehen am Wegesrand, selbst an der Bahnstraße, wo sonst gähnende Leere herrscht, reihen sich die Menschen auf.
Langsam leert sich unser Vorrat, hin und wieder müssen die Kinder etwas gebremst werden. Auf der anderen Wagenseite sind die Boxen bereits leer, wir helfen aus. Schließlich biegen die Wagen auf die Zielgerade ein, die Wertgasse. Die letzten Kamelle und Bälle werden zusammengekratzt, der Rest fliegt an der Ecke zur Schloßbrücke von Bord. Geschafft! Die Füße tun weh vom langen Stehen, der rechte Arm vom ständigen Werfen, aber das Adrenalin pulsiert immer noch durch den Körper. Nachdem die leeren Kartons in dem Riesencontainer auf der Brücke entsorgt worden sind, können wir aussteigen. Einige Wagen fahren noch an uns vorbei, ein paar Popcorntüten können wir noch fangen, dann ist der Rosenmontagszug für uns vorbei. „Cool, das hat Spaß gemacht“, der Kinderkommentar bringt es auf den Punkt.
Die vielen Jecken am Straßenrand zieht es in die umliegenden Kneipen, eine Stunde nach Zugende hat auch die MVG alle Überreste des Zuges beseitigt.

Autor:

Regina Tempel aus Mülheim an der Ruhr

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

25 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.