In der Reihe „Fiedler will’s wissen“ war Prof. Dr. Karl Lauterbach zu Gast
Lauterbach macht Mut

SPD-Bundestagskandidat Sebastian Fiedler und Luftschiff Theo hatten Prof. Dr. Karl Lauterbach zu Gast.  
Foto: PR-Fotografie Köhring / AK
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  • SPD-Bundestagskandidat Sebastian Fiedler und Luftschiff Theo hatten Prof. Dr. Karl Lauterbach zu Gast.
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Fiedler will’s wissen. Der SPD-Bundestagskandidat ist ein neugieriger Mensch. Daher seine Gesprächsreihe mit illustren Gästen. Diesmal ist Prof. Dr. Karl Lauterbach zu Gast in der Luftschiffhalle auf dem Flughafen Essen/Mülheim.

Gut vertäut hört Luftschiff Theo zu, von draußen schaut die alte Tante Ju in den geöffneten Hangar. Sebastian Fiedler strahlt: „Was für eine tolle Kulisse. Schöner als bei Markus Lanz. Da habe ich dem Karl nicht zu viel versprochen.“ Die Registrierung war aufwendig, die 3G-Kontrollen am Abend selbst sind streng. In der ersten Reihe die Parteiprominenz. Die frühere Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, neben ihr der Bundestagsabgeordnete Arno Klare. Und wieder lächelt Fiedler: „Hoffentlich mein Vorgänger.“

Fiedler fragt und Lauterbach antwortet. Verirrt sich dabei selten ins Kleinklein der Fachausdrücke, was das Publikum freut. Denn so kann es Zusammenhänge erkennen, die man bisher irgendwie doch nicht so ganz verstanden hatte. Karl Lauterbach ist gekommen, um zu informieren, und das fernab vom „Wahlgetöse“. Man erfährt viel über seine Welt. Die scheint stocknüchtern. Auf die Frage nach der Belastungssteuerung - er liest wissenschaftliche Studien en masse, tritt viel im Fernsehen auf, macht Wahlkampf und schreibt nebenbei ein Buch - sagt er wortwörtlich: „Ich habe mein Freizeitverhalten etwas ökonomisiert. Aber ich arbeite auch hart.“

Die Pandemie 

Die Pandemie dominiert den Abend. Israel hat trotz hoher Impfquote auch hohe Inzidenzen. Woran liegt das? Müssen wir uns Sorgen machen? Lauterbach wägt vorsichtig ab: „Der Abstand zwischen den Impfungen war sehr kurz in Israel. So nimmt der Körper die Impfung nicht voll an.“ Oder waren es doch Impfdurchbrüche, forciert durch die Delta-Variante? Das wäre verheerend: „Auch Durchbrüche können schwerer verlaufen.“ Die gute Nachricht: „Die 3. Impfung wirkt.“ Er rate zu Kreuzimpfungen, denn die Vektorstoffe verlören nicht so schnell ihre Wirkung.

Was ist mit unseren Schulen? Zwar erlebe nur eines von 100.000 Kindern einen fulminanten Verlauf, und doch nagten da Zweifel: „Wie ist das beim wachsenden Kind? Wir riskieren eine komplette Durchseuchung der Schüler. Das kann gut ausgehen.“ Der letzte Satz hängt schwer in der Luft. Lauterbach antwortet sich selbst: „Wir lassen die Kinder im Stich. Unverantwortbar.“ Er rate zum Einsatz von Luftfiltern in den Klassen, Masken, Lüften in den Pausen: „Damit kämen wir über die Runden.“ Später wird er noch Jugendfußballern dazu raten, in den Umkleiden und sogar auf der Toilette FFP2-Masken zu tragen.

Hilft das 2G-Modell?

Die Patienten auf den Intensivstationen seien zurzeit noch die Ungeimpften, doch das werde sich ändern. Die so oft zitierte Herdenimmunität könne man aufgrund der Delta-Variante nicht mehr erreichen. Doch bei einer Impfquote von 85 Prozent verlangsame sich das Infektionsgeschehen stark: „Die 15 Prozent gefährden dann nur noch sich selbst.“ Da nimmt es nicht wunder, dass ihm vorschwebt, die Inzidenzen für Geimpfte und Ungeimpfte separat auszuweisen. Ein 2G-Modell ohne Kapazitätseinschränkungen wäre eine Hilfe für die angeschlagene Veranstaltungsbranche, der Lauterbach Mut macht: „Im nächsten Jahr wird es leichter werden.“

Fiedler und Lauterbach diskutieren über die medizinische Versorgungslage in Deutschland. Schon 2030 werde die Hälfte der Mülheimer Bevölkerung über 65 sein. Zeitgleich schwinde das Pflegepersonal. Lauterbach plädiert für eine deutlich bessere Vergütung in der Pflege, für bessere Arbeitsbedingungen. Pflegekräfte aus dem Ausland dürften nur ein Teil der Lösung sein, ansonsten fehlten sie in ihrer Heimat. Das Gleiche gelte für Ärzte. Mit Blick auf den Essener Norden fragt Fiedler, wie Lauterbach über den grassierenden Klinik-Abbau denke? Ernüchternde Antwort: „In gut situierten Stadtteilen sind wir überversorgt, weil dort viele Privatpatienten leben. Der soziale Faktor wird nicht berücksichtigt. Wir schließen die falschen Krankenhäuser.“

Eine klassische Zoonose

Lauterbach blickt über den Tellerrand. Die Rodung der Urwälder müsse gestoppt werden: „Wenn 40 Prozent der Regenwälder fallen, sind sie keine CO2-Senke mehr.“ Auch lasse diese durch Staatskorruption befeuerte Umweltkriminalität die Gefahr von Zoonosen steigen, den Übersprung von Viren vom Wildtier auf den Menschen: „Das wird zukünftig eine große Rolle spielen. Corona ist eine klassische Zoonose.“ Was kann man tun gegen illegale Rodungen für zusätzliches Weideland? „Deutlich weniger Fleisch essen.“ Aber das könne seine vierzehnjährige Tochter besser erklären: „Die ist Fridays for Future-Aktivistin.“

In der Fragerunde mit Bürgern gerät Lauterbach nur einmal ins Stocken, als nach einer medizinischen Begründung für den deutschen Lockdown gefragt wird. Wo sind die nachlesbaren Beweise? Die Frage sei gar nicht dumm, seine Antwort wirkt umso mehr: „Nach fundierten Berechnungen wären 500.000 Menschen gestorben ohne Lockdown.“ Was Sebastian Fiedler zu seinem ans Publikum gerichteten Schlusswort führt: „Bleiben Sie bloß gesund.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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