Dem Mülheimer Stadtrat fiel es schwer, nach dem Gedenken zur Tagesordnung überzugehen
Nie wieder!

Der Rat beschloss die erste Sanierungsstufe am Heimatmuseum Tersteegenhaus. Foto: PR-Fotografie Köhring
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Die Ratssitzung begann mit einer eindringlichen Warnung: „Nie wieder!“ Die 1. Bürgermeisterin Margarete Wietelmann las eine Rede vor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte  sie in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gehalten. Anlass war der 75. Jahrestag der Auschwitz-Befreiung.

Steinmeier hatte der sechs Millionen Jüdinnen und Juden gedacht, die Opfer des industriell organisierten Massenmordes waren, des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte. Und er hatte die Täter genannt: „Die Mörder, die Wachleute, die Helfershelfer, die Mitläufer: Sie waren Deutsche.“ Der Bundespräsident hatte betont: „Unsere Zeit ist nicht dieselbe Zeit. Es sind nicht dieselben Worte. Es sind nicht dieselben Täter. Aber es ist dasselbe Böse.“ Deshalb dürfe es keinen Schlussstrich unter das Erinnern geben. Bürgermeisterin Wietelmann war sichtlich angefasst, ihr brach die Stimme. Schwer, jetzt zur Tagesordnung überzugehen.

Jugendstadtrat-Wahl verschoben

Der Jugendstadtrat vertritt die Interessen der Jugendlichen in Mülheim. Die Wahlzeit beträgt zwei Jahre. Am 14. März 2018 gaben von den 12.872 wahlberechtigten Jugendlichen und jungen Erwachsene immerhin 18,77 Prozent ihre Stimme ab, eine deutlich verbesserte Wahlbeteiligung zu den Vorjahren. Eigentlich wäre die nächste Wahl im März 2020 fällig. Doch die Jugendvertreter schlugen Alarm. Längst nicht alle der 18 JSR-Mitglieder nähmen noch an den Sitzungen teil. Es fehlten die zeitlichen Kapazitäten und andere Verpflichtungen verhinderten ein Mitwirken der Gewählten. Eine Strukturreform sei dringend nötig und solle berücksichtigen, dass junge Menschen sich lieber projekt- und anlassbezogen engagieren.
Es gebe eine große Scheu davor, sich fest für einen längeren Zeitraum verpflichten zu müssen. Das Krefelder Modell eines Jugendstadtrates mit erhöhter Flexibilität sei eventuell die Lösung. Die Verwaltung möchte ein Reformkonzept vorlegen. Doch das alles brauche Zeit, daher schlug der Jugendstadtrat eine Verschiebung der Neuwahl um ein Jahr auf März 2021 vor. Diese Verschiebung wurde von BfB, FDP und CDU beantragt. Deren Sprecherin Christina Küsters: „Wir müssen den Jugendstadtrat auf die Füße stellen und bekannter machen.“
Das konterte Jan Vogelsang von der SPD: „Wir sind uns einig, dass der JSR reformbedürftig ist.“ Aber er sei nur für zwei Jahre gewählt. Daher solle ein Arbeitskreis auf freiwilliger Grundlage die strukturelle Reform ermöglichen. Jochen Hartmann vom BAMH sah das ähnlich: „Wenn man nur für zwei Jahre gewählt wurde, ist die politische Legitimation hin.“ Der Jugendstadtrat könne dann höchstens noch ein geschäftsführender sein. Klara Aus der Fünten ist die Vorsitzende des Jugendstadtrates und warb für Unterstützung: „Wir haben uns ausgesprochen und wissen alle, dass das viel zusätzliche Zeit beanspruchen würde. Doch wir haben einstimmig beschlossen, die Verschiebung zu beantragen.“ Dem wurde auch mit 30 Ja-Stimmen gegen die der SPD entsprochen.

Tersteegenhaus wird saniert

Der Rat beschloss auch die erste Sanierungsstufe am Heimatmuseum Tersteegenhaus. Eines der ältesten Häuser in Mülheim wurde um das Jahr 1530 erbaut. Im 18. Jahrhundert wohnte dort der Kirchenmusiker Gerhard Tersteegen. Inzwischen wird es als Heimatmuseum und Ort der stadtgeschichtlichen Sammlung der Stadt genutzt. Bei der 1950 aufgrund schwerwiegender Kriegsschäden erfolgten Wiederherstellung wurde ein Anbau hinzugefügt.
Doch weder Instandsetzung noch Anbau wurden fachmännisch durchgeführt. Weil das Fachwerk mit Streckmetall und Putz überdeckt wurde, konnte keine Entfeuchtung mehr erfolgen. Die Holzkonstruktion verwitterte.

Hausschwamm und Insektenbefall

Ein Hausschwammbefall führte zu einem Folgebefall durch Insekten. Diese Holzschädlinge sorgten für eine komplette Zerstörung der Schwellen und des angrenzenden Fachwerkes. Ein Statiker stellte akute Einsturzgefahr fest und ließ das Gebäude sofort sperren. Umgehend wurden die notwendigen Sicherungsmaßnahmen vorgenommen. Um die Bausubstanz nicht weiter zu schwächen, ist ein weiteres Fortschreiten des immer noch aktiven Hausschwammbefalls zu verhindern. Die anfallenden Arbeiten sollen nach Möglichkeit mit geringem Zerstörungsansatz durchgeführt werden. So könnten Originalmaterialen gesichert und nach Bearbeitung wieder eingebaut werden. Die Kosten für die 1. Sanierungsstufe werden derzeit auf 1,2 Millionen Euro brutto geschätzt. Davon sollen 500.000 Euro aus Bundesmitteln und 360.000 Euro aus Zuwendungen des Landes kommen. Einstimmig wurde die Maßnahme beschlossen.

Zusätzliche Rettungsstandorte

Zusätzliche Rettungswagen-Standorte werden dringend benötigt. Der Rat beauftragte daher die Verwaltung mit der Planung für Errichtung und Betrieb je einer Rettungswache im Norden und im Süden der Stadt mit Stellplätzen für jeweils zwei Rettungswagen und ein Reservefahrzeug sowie Unterkünften für die Fahrzeugbesatzungen. Ebenso soll im Süden der Stadt ein Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr entstehen mit fünf Einstellplätzen, einer Waschhalle, Lagermöglichkeiten für Feuerwehr und Katastrophenschutz sowie der Unterbringung von bis zu 60 ehrenamtlichen Einsatzkräften und 20 Jugendlichen. Rettungswache Süd und Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr sollen gemeinsam auf einem Grundstück errichtet werden. Bis dahin soll die Interims-Rettungswache auf dem Kirmesplatz Saarn weiterbetrieben werden. Die Kosten für die Rettungswachen werden über Gebühren refinanziert. Die Kosten für das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr muss die Stadt tragen, sie können noch nicht beziffert werden.

NRW soll Kosten voll erstatten

Die Aufnahme und Integration von geflüchteten Menschen ist eine Aufgabe aller staatlichen Ebenen. Seit 2014 hat Mülheim an der Ruhr hierfür mehr als 100 Millionen Euro aufgebracht. Das Land NRW übernehme die Kosten für geduldete Flüchtlinge aber nur für drei Monate. Danach seien die Kommunen in der Pflicht. Auch werde trotz gegenteiliger Versprechen die Integrationspauschale des Bundes nicht weitergegeben und die Pauschale nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz sei auch nicht angepasst worden. Angesichts der guten Haushaltslage des Landes sei es nicht weiter akzeptabel, dass in diesem Bereich weiterhin rund 10 Millionen Euro  ungedeckt blieben. Bayern sei hier mit gutem Beispiel vorangegangen und übernehme die Kosten für geduldete Flüchtlinge komplett. Der Rat  fordert daher die Landesregierung auf, der Stadt Mülheim diese Kosten komplett und dauerhaft zu erstatten.

Der Rat beschloss die erste Sanierungsstufe am Heimatmuseum Tersteegenhaus. Foto: PR-Fotografie Köhring
Mülheim benötigt dringend zusätzliche Rettungswagen-Standorte. 
Foto: Polizei Essen / Mülheim
Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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